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Florian lässt sich Zeit

Bildquelle: Tyrolia Verlag
Florian lässt sich Zeit
von Adele Sansone
32 Seiten
3. Aufl. 2012
Tyrolia Verlag
ISBN: 978-3-7022-2435-6
14,90€


Thema Anderssein / Down -Syndrom

Leider gibt es immer noch viel zu wenig Bücher, die das Anderssein thematisieren.
Einige Leute sagen sogar man sollte es nicht ansprechen um das Besondere nicht extra herauszustellen nur so würde es zur Normalität.
Der Meinung bin ich nicht, denn nur über Aufklärung schaffe ich ein Verständnis für das etwas andere und kann aufzeigen welche Bereicherung das Anderssein uns bringt.
Gerade Menschen insbesondere Kinder mit Behinderungen, gleich welcher Art, sind eine unglaubliche Bereicherung für unser Leben denn sie zeigen uns unsere Welt auf ihre vielfälligsten Weisen, die wir sonst nicht erleben würden.
Jede Schwäche hat auch viele Stärken von denen wir "Normalos" nur träumen können, so wie Florian, der mit Down Syndrom zur Welt gekommen ist.
Florian hat Glück, er darf mit seinem Bruder Peter in einen normalen Kindergarten gehen und ist dort voll integriert. Es gibt überall Reibereien und auch unfaires Verhalten, das heißt jedoch noch lange nicht, das eine Integration nicht gegriffen hat.
Florian ist langsamer als andere Kinder, und das weiß er auch, doch ist es eigentlich erstrebenswert immer alles schnell zu machen? Florian ist langsamer, Florian lässt sich Zeit, und Zeit nehmen, alles ruhiger angehen, hat auch Vorteile. Das erfahren wir in dieser Geschichte genauso wie die unglaublich Empathiefähigkeit die grade Menschen mit Down-Syndrom haben.
Schlägt man das Buch auf sieht man lauter kleine "Gummibärchen" und seltsame bunte kleine Gebilde, die unsere Lesekinder zunächst als Fußstapfen der Gummibärchen deuteten. Doch in Wirklichkeit sind es die Chromosomen.
Was Chromosomen sind und das das Down-Syndrom auch Trisomie 21 heißt das erfahren wir am Ende des Buches. Es ist eine Information für Erwachsene mehr als für Kinder. Wir, die die Geschichte vorlesen und vor- und nachbereiten, können hieraus die Information ziehen, die wir den Kindern vermitteln möchten.
Die Geschichte beginnt wie viele andere auch. Florian und sein Bruder Peter werden von der Mutter in den Kindergarten gebracht.
Beide Kinder werden genau beschrieben. Auch wenn sie Brüder sind, sind sie ganz verschieden. und das liegt vor allem daran, das Florian das Down-Syndrom hat.
Die Autorin beschreibt seine schmalen, schrägen Augen, die sich von denen der anderen Kinder unterscheiden. Aber da gibt es noch mehr Unterschiede.
 Während Peter sich schnell seiner Straßenschuhe entledigt und in die Hausschuhe schlüpft um kurz darauf schon mit seinem Freund zu spielen, braucht Florian etwas länger. Wie sein Bruder kann er das alleine nur eben ein wenig langsamer. Er nimmt sich aber auch die Zeit. Was ist schließlich schlimm daran etwas langsam zu machen.
Auch beim Malen stellt er sich nicht so geschickt an wie die anderen Kinder. Während die  anderen Häuser, Autos oder Äpfel malen malt Florian ganz langsam einen großen Kreis. Was soll das bloß sein mischt sich die große Lisa ein, die schon ein Vorschulkind ist. Sie ist ziemlich gemein mit ihren Äußerungen über Florian. Doch Peter kennt solche Reaktionen schon, weiß zu kontern. "Der Florian lässt sich einfach mehr Zeit."
Aber nicht alle Kinder ziehen über Florian her. Der dicke Kurt mag Florian. Florian lacht ihn nie aus oder verspottet ihn weil er zu dick ist.
Es gibt aber auch Situationen wo die Kinder mächtig sauer auf Florian sind weil er etwas nicht versteht. So zum Beispiel beim Stille Post Spiel, bei dem er nicht versteht was er machen soll. Erst reagiert er zu langsam und falsch und dann ruft er das Wort auch noch laut in den Raum. Besser gesagt er versucht es zu rufen aber da bei Florian alles etwas langsamer geht ist auch die Sprache langsamer. Die Wut des Kindes, das eigentlich beim Spiel nach Florian an der Reihe gewesen wäre ist groß. Und wer bekommt es ab?
Peter. Peter wird für seinen Bruder beschimpft und das Wort "Stotterbruder" fällt.
Keine schöne Situation für alle Beteiligten.
Um so bewundernswerter auch hier  Peters Reaktion, der mit Gelassenheit reagiert. Florian braucht halt auch beim Reden etwas länger Zeit.
Als die Kinder vor dem Mittag draußen spielen sitzt Florian bei der Erzieherin auf der Bank. Er möchte nicht mit spielen weil er weiß, dass er für diese Spiele zu langsam ist.
Doch dann geschieht etwas, was typisch für Kinder mit Down-Syndrom ist. Ein Kind fällt, die anderen stolpern daraufhin und Lisa , ausgerechnet die große Lisa, die Florin am Morgen noch so verspottet und beleidigt hat, fängt an zu weinen weil sie sich weh getan hat. Florian läuft zu ihr hin, nimmt sie in den Arm und tröstet sie. Dann setzt er sich zu ihr,  kitzelt sie am Ohr und zaubert aus seiner Latzhosentasche Gummibärchen.
Jetzt ist auch Lisa klar, das Florian etwas besonders ist.
Zuhause fragt die Mutter die Kinder wie der Tag im Kindergarten war. Florian fand den Tag gut nur braucht er Gummibärennachschub. Jedem in der Familie ist klar was das bedeutet, denn Gummibärchen sind Florians Trostpflaster in allen Lebenslagen.
Der Tag der Kinder ist noch nicht zu Ende. Die Eltern achten darauf, das keines der Kinder zu kurz kommt. An diesem ´Nachmittag widmet sich der Vater Florian und Peter darf der Mutter helfen.
Die Geschichte endet mit einer Gute Nacht Geschichte aber was danach geschieht verrate ich hier noch nicht.
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Dieses Buch mit seiner so wunderbaren Geschichte und wirklich tollen Bildern vermittelt uns auf vielfältige Weise einen Einblick in das Leben eines Kindes mit Down-Syndrom und dessen Umfeld.
Dem ein oder andren mag Peters Gelassenheit und Gleichmut beeindrucken und Kritiker werden sagen, so reagiert kein Kind, erst recht nicht wenn es wegen seinen Bruder selbst ausgelacht oder beschimpft wird, doch wer solche Geschwisterkinder kennt weiß, das sie in der Tat häufig sehr erwachsen und vernünftig reagieren, was nicht heißt, das sie nicht auch mal wütend sind.
Peters Verhalten ist durchaus realistisch, denn er hat ein ganz anderes Verhältnis zu Florian aufgebaut als die meisten, das wiederum wird am Ende der Geschichte, das ich hier noch nicht verraten habe, sehr deutlich.
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Wir haben das Buch schon sehr häufig mit Kindergartenkindern gelesen und aus dieser Erfahrung heraus weiß ich, dass es danach viel Gesprächsbedarf gibt.
Dies sollte man bei der Vorbereitung im Hinterkopf haben. Was muss ich wie ergänzend zum Thema den Kindern vermitteln? In welche Richtung möchte ich das Gespräch lenken?
Aber auch Zuhause als Eltern sollte man auf Fragen vorbereitet sein, denn es ist kein Bilderbuch, das man vor liest und dann weg legt.
Ich finde es sehr wichtig solche Bücher mit Kindern zu lesen vor allem dann wenn kein Anlass besteht.
Die meisten Eltern aber auch Erzieher nehmen Bilderbücher zu bestimmten Themen erst dann zur Hand wenn es einen konkreten Handlungsbedarf gibt.
Wieso?
Sollten wir nicht generell wissen das die Welt bunt ist und die Menschen unterschiedlich?
Ich habe meinen Kindern als sie klein waren immer grade solche Bücher vorgelesen weil sie unsere Welt so viel reicher und schöner machen.
Und ich erinnere mich gut daran, als mein damals 3 jähriger Sohn mit uns Urlaub in einem Kinderhotel machte. Ganz stolz kam er eines Tages mit einem Mädchen an der Hand zu uns. Beide waren über und über lustig geschminkt, es war Karneval, und unser Sohn sagte: "Guck mal meine ganz besondere Freundin". Die nächsten 5 Tage waren die beiden ein Herz und eine Seele auch wenn die anderen Kinder ihn blöd fanden weil er mit einem Mädchen, das so anders aussah und viel langsamer war, spielte.
Das war ein Moment an dem ich glücklich war, das ich unseren Kindern immer schon ganz früh Geschichten erzählt und Bilderbücher vorgelesen habe die das Anderssein thematisierten.
In diesem Sinne wünsche ich allen viel Freude mit diesem wichtigen und tollem Bilderbuch.
Anderssein  macht unsre Welt bunt!






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