Bildquelle: Coppenrath Verlag
Mamas roter Pullover
von Jayde Perkin
32 Seiten
1. Aufl. 01.Januar 2023
ISBN: 978-3-649-64426-2
Coppenrath Verlag
15,00€
Ein Bilderbuch über das
Abschiednehmen und das Trauern
eine einfühlsame Geschichte,
erzählt von einem kleinen Mädchen über den Tod ihrer Mutter, von den Gefühlen die sie durchlebt und wie sie ganz langsam, unterstützt von ihrem Vater wieder ins Leben zurückfindet. Ein Leben in dem Trauer immer einen Platz haben darf.
für Kinder ab 5 Jahren
Der Pullover bleibt gleich groß, aber ich wachse irgendwann hinein."
"Die Trauer wird nicht kleiner......
.....aber meine Welt um sie herum wird größer." (Zitate)
Diese zwei Sätze aus der Geschichte von Jayde Perkin sind nicht nur Mut machend, sondern sie werden auch von Kinder sehr gut verstanden.
Es sind vermutlich genau die Sätze, die Betroffene sehr bewusst in sich aufnehmen und immer wieder Anlass zum nachdenken geben.
Wenn ein geliebter Mensch stirbt ist das nicht nur traurig, sondern es ist schwer ohne ihn/sie zu leben. Da ist plötzlich eine große Lücke, da fehlt eine Säule, die sonst Halt gab. Gerade wenn ein Elternteil stirbt ist das ein extrem einschneidendes Ereignis für ein Kind. Plötzlich ist alles anders, plötzlich fühlt sich alles anders an und auch die Umwelt wird anders wahrgenommen bzw. nimmt einen anders wahr.
Von dem Prozess des Abschiednehmens und der Trauer, der Veränderung und Neufindung handelt diese Erzählung aus der Ich-Erzähler-Perspektive eines kleinen Mädchens, die uns an ihre Geschichte erzählt. Sie beginnt mit einem Besuch am Krankenbett der Mutter im Krankenhaus und endet mit der Feststellung, dass sie ihre Mutter immer und überall spürt, auch in ihr selbst.
Doch bis es zu dieser Erkenntnis kommt ist es ein langer, schmerzhafter, oft verwirrender, sehr viel suchender Weg, den die Autorin ihre Protagonistin gehen lässt und dem Leser so veranschaulicht, dass es bei allem Schmerz und aller Trauer einen Weg gibt mit der Trauer und dem Vermissen gut umgehen weiterleben zu können.
Das Wichtigste dabei ist für betroffene Kinder allerdings, dass sie durch die Geschichte erfahren, dass sie mit ihrer Trauer, ihren Gedanken und Gefühlen nicht allein sind. Sie lesen oder hören von dem kleinen Mädchen und erleben, dass es ihr genauso oder ähnlich geht und das schafft eine Verbundenheit aus der heraus auch die Botschaften angenommen werden können.
Das Mädchen erzählt rückblickend von dem Geschehen. Davon, dass
sie die Mutter im Krankenhaus besuchten, dass sie sie am liebsten mit nach Hause genommen hätte, was natürlich nicht ging. Am nächsten Morgen klingelte das Telefon. Es war das Krankenhaus. "Sie ist von uns gegangen", sagten sie" (Zitat). Das Mädchen wusste nicht was das bedeutete. Was bedeutete "von uns gegangen?" Wohin ist sie gegangen?
Sehr nachvollziehbar erzählt sie wie sie sich fühlte, als ihr bewusst wurde, das die Mutter gestorben ist. Jeder, der schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat wird diese Gefühle kennen. Das Gefühl der Schwere, das Gefühl das sich alles taub und kalt anfühlt. Diese unendliche Müdigkeit die einen trotzdem nicht schlafen lässt. Dieses seltsame Gefühl das man die Geräusche und Stimmen um sich herum nur ganz dumpf wahrnimmt. Das man sich alleine fühlt auch wenn ganz viele um einen herum sind. All das sind Gefühle sind Symptome der Trauer. Das Mädchen erzählt von der Beerdigung, von den Reaktionen der Menschen, von den ersten Versuchen wieder in den Alltag zu finden, von so scheinbar banalen, normalen Situationen wie z.B. das sie sogar wütend auf andere war, weil die von ihrer Mutter von der Schule abgeholt wurden.
Die eigentliche Verarbeitung, die eigentliche, bewusste Auseinandersetzung mit dem Tod beginnt als Vater und Tochter es irgendwann schaffen die Sachen der Mutter zu ordnen.
Alles erinnert in diesem Moment an sie, mit jedem Stück was sie in die Hand nehmen kommen Erinnerungen hoch und dabei entdeckt das Mädchen dann auch den roten Lieblingspullover ihrer Mutter, der der Geschichte den Titel gab. Der Pullover riecht nach der Mutter und auch wenn er der Kleinen noch viel zu groß ist zieht sie ihn an und fühlt sich damit sehr wohl. Es ist nicht nur der Geruch, es ist ein Stück, dass die Mutter spüren lässt. Mit dem Pulli ist das Kind der Mutter ganz nah.
Wieder vergeht Zeit. Der Pullover bleibt treuer Begleiter.
Das schöne an der Geschichte ist zu erleben, wie langsam das "normale" Leben wieder Platz findet und wie intensiv Vater und Tochter über die Trauer und das Vermissen sprechen, ohne den Schmerz zu verleugnen.
Sie führen nun ein Leben in dem Trauer immer einen Platz haben darf, einen Platz hat. Trauer zulassen, Trauer leben ist ganz wichtig für die Verarbeitung. Der Vater verschließt sich nicht, auch wenn er selbst sehr traurig ist. Das wiederum ist etwas, was viele Kinder im realen Leben nicht so erleben. Viele Erwachsene sprechen nicht mit den Kindern über den Tod, über ihre Gefühle, versuchen ohne Gespräche zur Tagesordnung über zu gehen, weil sie selbst so in ihrer Trauer gefangen sind und ihnen die Worte und die Kraft fehlen darüber zu sprechen. Daher sind Bücher wie dieses so unendlich wichtig. Sie finden Worte, wo viele keine Worte haben. Sie zeigen uns Erwachsenen aber auch wie wichtig es ist mit den Kindern zu sprechen.
Der Vater in der Geschichte findet wundervolle Worte und Erklärungen, die nicht nur Kinder in ihrem Trauerprozess Hoffnung und Mut machen, sondern genauso den Großen.
"Papa sagt, mit der Trauer ist es wie mit Mamas Pullover.
Der Pullover bleibt gleich groß, aber ich wachse irgendwann hinein."
Der Vergleich mit dem Pullover ist wirklich beeindruckend, denn hier wird sehr deutlich gesagt, dass man lernt mit Trauer umzugehen. Es wird nicht gesagt irgendwann ist alles wieder gut und genau das ist wichtig. Das Leben wird wieder schön werden, das heißt aber nicht, dass die Trauer ganz verschwindet. Was auch im zweiten Satz
"Die Trauer wird nicht kleiner......
.....aber meine Welt um sie herum wird größer."
noch einmal deutlich wird. Kinder erleben tagtäglich so viel und auch so viel Neues. Sie lernen neue Menschen kennen, schließen neue Freundschaften. Irgendwann nimmt die Trauer immer weniger Platz ein und das Leben füllt sich mit anderen Dingen.
Das ist der große Vorteil von Kindern gegenüber älteren Menschen.
Ältere Menschen sind versucht zu sagen, die Trauer wird größer und die Welt kleiner, was für sie eine durchaus nachvollziehbare Äußerung ist.
Der Tod eines geliebten Menschen verändert das eigene Leben für immer. Es ist an uns unser Leben und das unserer trauernden Kinder positiv zu gestalten. So positiv wie die das Mädchen und der Vater in dieser Geschichte, die mit wenigen Worten ganz viel vermittelt.
Begleitet wird die Geschichte von einfach gehaltenen Zeichnungen, die stark fokussieren und den Blick des Betrachters immer auf das Wesentliche richten. Sie sind ausdrucksstark und intensiv, sie schaffen es Gefühle zu visualisieren und Stimmungen aufzugreifen. So erleben wir Traurigkeit genauso wie Fröhlichkeit.
Für den ein oder anderen mögen die Zeichnungen etwas sperrig wirken. Es sind keine weichgespülten Illustrationen. Die spitzen, kantigen Nasen, die auf den ersten Blick einfachen Gesichter sind nicht jedermanns Geschmack, doch nimmt am sich die Zeit sie einmal genauer zu betrachten, wird man feststellen, das genau dieser Zeichenstil der Geschichte unglaublich gut tut und sehr viel transportiert, was eine "weichegespülte" Zeichnung der Figuren nicht hätte so einfangen und an den Leser weitergeben können.
Lasst euch darauf ein und ihr werdet erleben wie lebendig die Bilder werden.
Auf euch wartet ein rundum schönes Bilderbuch zum schwierigen Thema
Tod und dem Trauern, dass auf kindgerechte Weise und ganz ehrlich erzählt wie schwer Trauer ist aber auch hoffnungsvolle Botschaften aussendet, an denen man sich festhalten kann.
Es gibt wenige Bilderbücher, die so ehrlich mit dem Thema umgehen und klar sagen, dass Trauer nie endet sie aber irgendwann nicht mehr so viel Raum einnimmt wie am Anfang.
Mehr zum Buch erfahrt ihr auch auf der Seite des Verlages.
Der Link führt hin: