Bildquelle: Alibri Verlag
Cleo
von Sassafras De Bruyn
28 Seiten
1. Aufl. 2017
Alibri Verlag
ISBN 978-3-86569-259-7
16,00€
Eine gefühlvolle, traumhafte Geschichte über ein Mädchen, das gar nicht so allein ist, wie es denkt
Für Kinder ab 4 Jahren
Cleo ist auf den ersten Blick ein trauriges Kind und so fühlt sie sich auch.
In der Schule steht sie abseits von den anderen. Ihre Welt scheint grau und trübe. Sie mag das tägliche Einerlei an Pflichten nicht. Sie mag weder ihre Schuhe binden noch die Haare kämmen. Sie mag nicht rechnen, schreiben, lesen, nicht zuhören aber auch nicht schlafen. Alles was so täglich passiert und passieren muss ist ihr ein Graus, doch eines steht für sie fest, irgendwann wird sie aus diesem Korsett entfliehen. Weit weg an einen Ort an dem ihr keine Vorschriften gemacht werden.
Der Betrachter mag erschreckt sein über das recht duster wirkende Bild das diese Geschichte einführt blickten wir doch gerade noch auf das fröhlich, freche, farbige Cover haben wir nun das Gefühl in einem grauen, tristen Kasernen zu stehen. So stellen wir uns Schule heute nicht mehr vor und ein Schulkindleben auch nicht. Eindrucksvoll illustriert Sassafras De Bruyn Cleos dustere Gefühlswelt. Dabei spielt sie geschickt mit Schatten, die gleichzeitig geheimnisvoll wirken. Cleo zeichnet sie als einzige etwas farbiger. Das Mädchen sieht verloren aus mit ihren dünnen Beinchen dem großen rundem Kopf und der viel zu großen Brille. Genau so fühl sich unsere Protagonistin und bemerkt in ihrer eingeigelten Traurigkeit noch nicht einmal das sie beobachtet wird.
Uns, als außenstehende Betrachter, fällt ein Kind auf, das in ihre Richtung blickt. Auch er ist nur schwarz gezeichnet wirkt aus der beobachtenden Perspektive fast größer wie Cleo.
So duster wie der Schulhof , so duster auch ihr Schulweg, den sie mit hängendem Kopf abläuft. In Gedanken immer nur eins die Flucht aus dem Alltag. Sie scheint auf Gott und die Welt böse zu sein nur ihren Kater Amadeus den würde sie mit nehmen, denn der ist ihr bester Freund.
In Gedanken plant sie ihren Ausbruch. Es ist phantastisch wie die Illustratorin diese Stimmung einfängt und transportiert. Wir empfinden unwillkürlich mit, werden ruhig und auch etwas traurig.
Und sie nimmt uns mit in Cleos bunte Tagträume in denen alles so passiert wie sie es sich wünscht. In ihnen ist die Welt bunt und aufregend und niemand macht ihr Vorschriften.
So baut sie sich- in ihrem Traum- ein Boot aus all den Dingen mit denen sie sich gerne umgibt und sticht mit Kater Amadeus in See. Im Nebel der grauen, dunklen Stadt, die an "Momos Stadt der grauen Männer" erinnert erkennen wir nur die Silhouetten der Häuser denen unsere nun fröhliche Cleo zum Abschied winkt. Weiße Vögel begleiten die beiden hinaus aufs Meer. Nun ist alles hell und freundlich. Stolz sieht sie aus, unsere kleine Cleo, wie sie auf ihrem Boot nach vorne ins Abenteuer schaut. Wieder beginnt ein Traum. Ein Traum im Traum. Sie erzählt uns von Luftstädten und verzauberten Meereswäldern aber auch von einem Jungen mit dem sie sich anfreundet und der sie begleitet. Gemeinsam entdecken sie die Grotten der Meerjungfrauen, singen, tanzen, lachen, kämpfen mutig mit riesigen Meeresungeheuern und erzählen sich gegenseitig spannende Geschichten. Sie klettern zu den Wolken, schlafen auf den weichen Wolken.
"Zusammen nehmen wir es mit der ganzen Welt auf!"
Diese Kraft der Phantasie trägt die kleine Cleo und uns durch diese wunderbare, und doch so unwirkliche Welt.
Gerade noch waren wir im Paradies sitzen wir im nächsten Augenblick mit Cleo wieder auf dem Schulhof, doch dieses Mal steht sie nicht alleine da sondern sitzt neben einem Jungen. Der Pulli des Jungen ist gelb. Ein Lichtblick in der noch immer recht trüben Umgebung der Schule. Cleo guckt fröhlicher, die anderen Kinder spielen aber da wo zu Beginn der Geschichte nur der Junge stand und unsere kleine Heldin beobachtet stehen nun viele Kinder. Noch sind sie weit weg und trotzdem so nah. Die Welt der Phantasie wurde von der Realität abgelöst. Ein klein wenig von ihr ist noch zu erkennen, ihr müsst nur genau hin schauen. Warme sandige Erdtöne umhüllen das Abschlussbild.
Ein Ende ohne Worte, still und doch so lebendig, so voller Zuversicht.
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Dieses Buch ist wirklich etwas besonders.
Unglaublich stimmungsvoll, voller tiefer Gefühle die auf einen zukommen, einfangen, gefangen halten und langsam wieder entlassen.
Die Geschichte beginnt recht schwer/ traurig wird dann abenteuerlich, wild, bunt und sehr ereignisreich bevor sie still und ohne Worte aber mit dem starken Gefühl von Hoffnung, Zuversicht und Glück endet.
Die Bilder, die uns auf diese zuweilen sehr unwirkliche, aber wunderschöne und spannende Reise mit nehmen sind einfach grandios. Kunstwerke. Es macht so unglaublich viel Freunde in sie ein zu tauchen, mit Cleo und ihrem Freund diese phantastische Welt zu entdecken und zu erleben. Man wird beim betrachten Teil von ihnen.
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Manch einen wird das Buch befremden, ich habe diese kritischen Stimmen mehrfach erlebt. "Duster, dunkel, deprimierend", "die machen Kindern Angst", "was ist denn das für eine Geschichte? Und dann auch noch ohne Ende!"
Was entgegnet man diesen phantasielosen Menschen?
Ich musste wirklich erst einige Male durchatmen um Antworten zu finden, die meinen Gegenüber nicht verletzten.
Letztendlich muss jeder seien eigenen Zugang zur Geschichte finden, denn das Betrachten von Bilderbüchern ist wie eine Abenteuerreise auf die man sich begibt. Man muss zulassen, dass sie einen entführt. Gibt man ihr nicht die Gelegenheit wird man den wahren Schatz dahinter nicht entdecken.
Mehr als einmal dachte ich mir: "Wo ist eure Phantasie geblieben?" aber auch das sagte ich nicht.
Das Argument, doch die Kinder entscheiden zu lassen zählte für sie nicht, denn diese phantasielosen Menschen meinen Kinder schützen zu müssen.
Graue, trüber Bilder - auch wenn sie später bunt werden- gehören nicht in ihr Bild von einem Kinderbuch. Kitschig, schrill, bunt und laut muss es für sie sein.
Traurig!
Sage ich dazu.
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Sassafras De Bruyn's Bilderbuch ist ein Schatz den es sich lohnt zu entdecken.
Ein sehr besonders Buch mit unglaublich viel Potential um mit Kindern über Gefühle zu reden.
Das scheinbar offene Ende bietet in der Grundschule die Möglichkeit ein eigenes Ende zu schreiben. Im Kindergarten liefert es Gesprächsstoff.
Was gibt es besseres als Möglichkeiten zu finden, das Kinder formulieren, erzählen lernen?
Aber auch zuhause ist es ein wichtiges Buch.
Wie viele Kinder fühlen sich nicht verstanden, wollen ausbrechen. Erfinden ihre eigene Welt.
Wenn sie sehen und miterleben können, dass es anderen auch so geht, wenn Bücher ihre Gefühle widerspiegeln, dann können sie Kraft und Antworten aus den Geschichten ziehen. Hoffnung finden.
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Unsere Lesekinder im Alter zwischen 4 und 9 Jahren waren begeistert von diesem Buch. Auch sie waren, ich berichtet ja schon, zu Beginn etwas befremdet über die trüber Stimmung, de sie einfing. Dies war aber auch nötig um die späteren Abenteuer bewusst mit erleben zu können, - die Kraft des Ausbruchs aus der Welt zu erleben.
Keines der Kinder hatte Angst. Sie waren vielmehr neugierig auf die nächsten Seiten, tauchten ein in die phantastische Welt, gingen begeistert mit, kommentierten zuweilen und fanden ein Ende, auch wenn es nicht da stand.
Wir haben lange über diese Geschichte gesprochen.
Was mich besonders berührte war die Erkenntnis, das sich jedes Kind schon einmal in einer ähnlichen Situation befunden hatte und so sehr gut verstehen konnte wie sich Cleo zu Beginn fühlte.
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