Unsere Lieblingsbücher

Ich pass von oben auf dich auf

 

Bildquelle: Herder Verlag
Ich pass von oben
 auf dich auf
von Martina Schütze
mit Bildern von Dorothèe Böhlke
32 Seiten
1. Aufl. 2021
ISBN: 978-3-451-71637-9
Herder Verlag
15,00€

Über Veränderungen, Krankheit, Abschiednehmen und den Tod
hoffnungsvoll, intensiv, lustig und einfühlsam
für Kinder ab 4 Jahren
Vorab, der Verlag empfiehlt das Buch ab 3 Jahren. Auf Grund der Komplexität (Vielfalt) der Geschichte empfehle ich das Buch in der Regel ab 4 Jahren, auch wenn es über relativ wenig Text verfügt und viel über die Bildsprache transportiert wird. Grundsätzlich ist es aber immer abhängig vom Kind. Es gibt durchaus viele 3-jährige Kinder, die die Geschichte schon vollständig verstehen. Um wirklich alles zu realisieren, zu verstehen und vor allem auch zu verarbeiten bedarf es allerdings einer gewissen emotionalen Reife, die viele 3-jährige in dieser Beziehung noch nicht entwickelt haben. Daher bin ich eh bei einer Empfehlung ab 4 Jahren, natürlich mit der Option ab 3 Jahren. Es kommt einfach auf das einzelne Kind an und auch darauf wie viel es vorgelesen bekommt.

Die Geschichte selbst ist äußerst positiv, oft witzig und teilweise von erfrischender, kindlicher Leichtigkeit oder besser gesagt einem erstaunlichen Pragmatismus.

Selten habe ich eine so wundervolle, leichte Geschichte über den Tod erlebt wie diese. 
Der Tod spielt hier zwar eine Rolle und auch eine tragende Rolle, doch Martina Schütze hat durch den Handlungsverlauf, vom miteinander Erleben, Krankheit, Gesprächen, von langsamer Veränderung bis hin zum Tod und dann darüber hinaus in Kombination mit den lebendigen, oft sehr lustig anzusehenden Bildern, von Dorothee Bühlke einen wunderbaren Weg gefunden eine Geschichte über den Tod zu erzählen, die trotz des traurigen Ereignisses leicht und zuversichtlich ist. Hier erleben wir den Tod als natürlichen Teil unseres Lebens, als Ende eines Lebens, das aber nur hier auf Erden zu Ende ist und im Himmel weitergeht. 
Martin Schütz erzählt die Geschichte von Pablo und seinem Opa Pico, den Pablo oft auch Großkanne nennt, weil er als kleiner Junge statt Großvater immer Großkanne sagte. Und wir kennen es ja, ein solches Wort, das sich auf so lustige Weise einschleicht, behält man gern als individuelles Kosewort bei.
Opa Pico ist ein sehr lebensfroher, jung gebliebener, alter Herr, mit dem man richtig viel Spaß haben kann. Er ist nicht der typische Bilderbuchopa und genau das macht ihn so lustig und spannend für diese Geschichte.
In vielen kleinen Bildsequenzen erleben wir Pablo und seinen Opa Pico beim ausgelassenen Musizieren genauso wie beim gemeinsamen Schachspiel oder gemeinsamen Sitzen im Sessel, wo der Opa Pablo tolle Geschichten erzählt. Die beiden sind sehr eng miteinander und aus der Warte des kleinen Ich-Erzählers wirkt diese Verbundenheit noch intensiver.
Pico erzählt mit wenigen Worten so viel. Jeder Satz spricht hier wirklich Bände, was vor allem auch daran liegt, dass sie von den Bildern ganz intensiv unterstützt werden.
Eines Tages bekommt Pablos Mutter einen Anruf. Pico ist im Krankenhaus. Pico hat Krebs. Während die Mutter sehr traurig ist, spielen für Pablo andere Dinge eine Rolle. Pico durfte mit dem Notfallwagen fahren, das findet er toll. Den Ernst der Lage begreift er natürlich noch nicht, und genauso ist es auch in der Realität. Kinder können noch nicht verstehen was passiert ist oder passieren wird. Sie verbinden Dinge mit ihrer Erfahrungs- und Lebenswelt und in der sind z.B. Notfallwagen faszinierend.  Für Pablo ist es so faszinierend, dass er sich sogar wünscht "Notfaller" zu werden. 
Im Krankenzimmer legt sich Pablo zu Pico und sie spielen mit den Knöpfen der Fernbedienung, mit der man das Bett verstellen kann. Was Krebs ist, versteht Pablo noch nicht. Er versucht es sich vorzustellen, was wiederum durch die Visualisierung in einem lustigen Bild eine Leichtigkeit in die Handlung bringt, die gut tut, ohne lächerlich zu wirken
Irgendwann darf Pico das Krankenhaus wieder verlassen. Er ist nicht mehr gut zu Fuß, doch mit einem Rollator geht es schon. Pico möchte noch einmal nach Paris und den Wunsch erfüllen ihm Pablo und seine Mama. Gemeinsam erleben sie ein letztes Mal ein kleines Abenteuer, danach, so sagt die Mutter wird Pico in den Himmel gehen.
Was in den Himmel gehen, bedeutet versteht Pablo nur so halb, doch dass es mit Sterben und dem Tod verbunden ist, schon. 
Doch bis es so weit ist passieren noch einige. Dazu gehört auch, dass Pablo über den Tod nachdenkt. Ob er auch sterben muss, wenn er krank ist und ob seine Mutter vor ihm sterben wird? Was so hart klingt wird in der Geschichte so einfühlsam erzählt, dass es zwar traurig klingt aber nicht so traurig, dass es ängstigt. 
Was wiederum an der weiteren Handlung und den lebendigen Bildern liegt. Hier erleben die Kinder erneut viel Zweisamkeit zwischen Pablo und Pico. Zwar kann Pico nicht mehr laufen und sitzt im Rollstuhl, aber das hindert die beiden nicht daran Spaß zu haben. Pablo schiebt Pico rasant durch die Gegend und sie liefern sich ein Wettrollen quer durch die Wohnung. Pico im Rollstuhl und Paco mit Picos Rollator. .
Irgendwann hat der Großvater dann keine Kraft mehr aufzustehen. Selbst die Schachfiguren mag er nicht mehr halten. Er ist müde. Liebevoll bereitet er Pablo auf seinen Tod vor. Er erzählt dem Jungen, dass er vom Himmel auf ihn aufpassen wird.
Pablo erzählt uns, dass Pico so gut auf ihn aufpasst, dass ihm wirklich nichts passieren kann. Wenn er mit dem Fahrrad umfallen würde, würde Pico rechtzeitig Gras vom Himmel fallen lassen, damit ihm nichts passiert und wenn ein Einbrechen kommt dann..... . Wieder sind es die Bilder, die diese lustigen Gedanken so verbildlichen, dass man einfach schmunzeln muss. Die Vorstellung allein ist ja schon lustig, es in Bildern zu sehen, vor allem in so zauberhaften, ist noch einmal etwas anders und einfach wundervoll. 
Pico wird immer schwächer, so schwach, dass Pablo ihn lieber schlafen lässt. Fast wirkt es so, als hätte er sich innerlich schon ein Stück von seinem geliebten Opa verabschiedet. Er verbringt jetzt nicht mehr so viel Zeit bei ihm, spielt lieber alleine und macht sich dabei so seine Gedanken. "Bald kommt Pico also in den Himmel. Wie kommt er da hoch? Mit einer Leiter? Ah, mit dem Helikopter. Dann kann er endlich selber fliegen." (Zitat)  
Pablos Auseinandersetzung mit dem Tod sind typisch für kindliches Denken. Es scheint als hätte Picos gute Vorbereitung, Pablo die Angst vor dem Tod genommen. Und es kommt noch interessanter. Als die Mutter Pablo dann erzählt, dass Pico gestorben ist, ist Pablo nicht traurig. Er nimmt es zu Kenntnis und sagt fast beiläufig und trocken:" Juhu, Pico ist im Himmel! Und ich muss los in den Kindergarten."(Zitat)
Ganz so fröhlich geht es dann aber doch erst einmal nicht weiter, denn bei der Beerdigung realisiert Pablo, dass Pico wirklich nicht wieder kommt. Irgendwie hatte er sich das mit dem vom Himmel aus aufpassen anders vorgestellt. Pablo dachte wohl, dass er nur in den Himmel hinaufschauen muss, um seinen Opa zu sehen, doch so sehr er auch schaut, er kann ihn nicht sehen. 
Die Geschichte endet mit dem Leben, denn kurze Zeit später wird Pablo großer Bruder. 

Normalerweise verrate ich nicht so viel von der Handlung, doch angesichts der Komplexität und der außergewöhnlichen Art und Weise, wie hier Bild und Text miteinander wirken und vorsichtig auf den Tod vorbereiten war es mir wichtig dies auch zu vermitteln.
Es gibt wenige Bilderbücher, die so leicht und doch so klar und verständlich mit dem Thema umgehen und wenn dann sind meist Tiere die vermenschlichten Protagonisten. Ein kleiner Ich-Erzähler, der noch dazu so pfiffig ist, ist in diesem Bereich ehr selten.
Besonders schön ist das die Geschichte nicht nur über den Tod erzählt, sondern beim gemeinsamen unbeschwerten Leben und Zeitverbringen beginnt und die Veränderungen mit Krankheit und immer weniger "Können" langsam voranschreiten bis hin zum Tod. Die Beerdigung als Abschluss dieses Prozesses und die Geburt des Bruders, mit dem neues Leben in die Familie Einzug hält ist ein wirklich wundervolles, rundes Gesamtpaket, das der Thematik, dem Verstehen und Verarbeiten unglaublich guttut.

Hier darf und wird beim Vorlesen auch gelacht und gekichert. Genauso, wie es Pico bestimmt geliebt hätte, oder was meint ihr?

Ich kann dieses außergewöhnliche schöne Buch wirklich jedem ans Herz legen. Es ist auch ein tolles Bilderbuch, das Großeltern mit ihren Enkeln lesen können, um mit ihnen über das Thema Tod zu sprechen. 
Die Geschichte von Pico und Pablo zeigt deutlich, wie schön und wichtig eine so liebevolle Vorbereitung auf den Tod sein kann. 
Vielleicht inspiriert sie ja auch es Pico gleich zu tun.

Hier noch die Instabilder:
Weitere Bilderbücher zum Thema Tod findet ihr auf der Literaturliste
Abschied, Tod und Trauer
im Herder Verlag erscheinen unter anderem diese Titel, die ich hier bereits vorgestellt habe. 
Der jeweilige Link führt euch zur Buchvorstellung


Bildquelle: Kerle / Herder Verlag
Wie mag's denn wohl
im Himmel sein?

Von Christian und Fabian Jeremies
32 Seiten
1. Aufl. 2017
Kerle/ Herder Verlag
ISBN: 978-3-451-71353-8
15,-€
https://kinderbuchkiste.blogspot.com/p/wie-mags-denn-wohl-im-himmel-sein_28.html
* ab 5 Jahren Abschied nehmen / Tod
Bildquelle: Herder Verlag
Herr Hüpf lernt Fliegen
von Ole & Paul
Ole Puls
mit Bildern von Paul Trakies
32 Seiten
1. Aufl. 2022
ISBN: 978-3-451-71701-7
Herder Verlag
15,00€