Unsere Lieblingsbücher

In einer stillen Nacht

Bildquelle: Coppenrath Verlag
In einer stillen Nacht
von Annette Langen
mit Bildern von Ute Simon
32 Seiten
1. Aufl. 23. September 2020
ISBN: 978-3-649-62691-6
Coppenrath Verlag
14,00€

Eine wundervolle Weihnachtsgeschichte, 
die viel thematisiert
Flucht, Vertreibung, Armut, Neuanfang, Helfen, Teilen, einem Weihnachtsbaby
 und dem wahren Gedanken von Weihnachten
für Kinder ab 4 Jahren

Dies ist seit langen die intensivste Weihnachtsgeschichte, die ich mit meinen Lesekindern entdecken durfte.
Eine Weihnachtsgeschichte wie sie schöner kaum sein könnte, nach einer wahren Begebenheit, eindrucksvoll und einfühlsam erzählt von der wunderbaren Autorin Annette Langen, die leider all zu oft auf ihre Geschichten vom weltreisenden Felix reduziert wird. Viele weitere tolle Geschichten für Kinder stammen aus ihrer Feder. Alle eint ihre besondere Erzählweise. Ihr gelingt es selbst, wie in dieser Geschichte, schwierige Thematik kindgerecht, einfühlsam und faszinierend so zu vermitteln, das ihre Leser staunen und begreifen.
So erleben wir es eben auch in dieser Weihnachtsgeschichte. Die Ich- Erzählerin erinnert sich an ihre Kindheit. Einer Zeit in der viele Menschen, kein Dach mehr über dem Kopf hatten. Einer Zeit im oder kurz nach dem weiten Weltkrieg vermutlich. Viele Menschen mussten ihre Heimat verlassen, waren auf der Flucht, vertrieben aus der Heimat. Meist hatten sie nur  noch schnell ein paar Habseligkeiten einpacken können, die in einen Koffer passten. Und so beginnt dann auch diese Geschichte, die vielleicht nach dieser Einführung duster klingt aber kein Bisschen duster ist sondern voller warmer weihnachtlicher Stimmung.
„Als ich klein war, passte alles, was wir noch hatten in einen Koffer. Wie viele andere Menschen hatten wir unser Zuhause verloren. Viele Häuser waren zerstört. Auch unseres. Wir fanden Unterschlupf bei Verwandten auf dem Land…“
So wie das kleine Mädchen in der Geschichte ging es vielen. Sie hatte das Glück mit ihrer Mutter zusammen bei der Familie unterzukommen. Viele lebten dort, doch wer immer auch kam wurde aufgenommen.
Als der Großvater eines Tages kurz vor Weihnachten in der Scheune ein junges Paar entdeckt, das der deutschen Sprache nicht mächtig war und sichtlich Angst zu haben schien, zögerte er nicht und nahm die beiden mit ins Haus. Die junge Frau war kurz davor ein Baby zu bekommen. Beide wurden herzlich aufgenommen und obwohl die Familie selbst sehr wenig hatte taten sie alles dafür, das es der Frau gut ging. In der Nacht kam das Kind zur Welt. Mutter und Kind wurden umsorgt. Jeder gab etwas da fand sich ein Babymützchen, warme Socken und ein paar Windeln an. Die junge Mutter bekam sogar eine heiße Suppe mit Brot, was damals wirklich etwas besonderes war. Das kleine Mädchen beobachtete alles ganz genau. Wollte auch etwas geben damit es der Frau gut ging. Sie holte aus ihrem kleinen Köfferchen einen besonderen Schatz hervor und gab ihn der Frau damit sie zu Kräften kam und die Frau gab der Kleinen ihr Baby. Sie schenkte dem Kind großes Vertrauen, ein Zeichen der Dankbarkeit, ein Baby halten zu dürfen und das in dieser Situation war etwas Besonderes, dessen war sich die Kleine sehr bewusst.
Am nächsten Tag war die junge Familie weg. Kissen und Decken lagen säuberlich gefaltet auf der hölzernen Küchenbank. Als das Mädchen die leere Bank erblickte wusste sie kurz nicht ob sie nicht vielleicht alles nur geträumt hatte doch am Kamin fanden sie etwas was die Drei als Geschenk zurück gelassen hatten.
Etwas sehr besonderes, sehr wertvolles.
Und die Mutter der Kleinen sagte:
"Sie haben uns das Wertvollste geschenkt, das sie hatten."
Von dem Tag an wusste das Mädchen wann Weihnachten ist.
"Wenn jemand etwas gibt, obwohl er kaum etwas hat." 
Die Familie hatte ohne zu überlegen die junge Frau und den Mann aufgenommen, ihnen nicht nur Unterkunft gewährt sondern alles getan damit sie es gut hatten auch wenn sie selbst kaum etwas hatten. Auch das Mädchen hatte etwas abgegeben.
Und etwas besonderes dafür bekommen. Das Vertrauen das Baby halten und wärmen zu dürfen.
Das die Frau ihnen dann auch noch etwas sehr wertvolles da lässt ist bestimmt nicht selbstverständlich aber eine Geste, die alle sehr berührt.
Ute Simon fängt die einzelnen Szenen in herrlichen, sehr stimmungsvollen, ausdrucksstarken Bildern ein, die den Kindern ein Gefühl dafür vermitteln, wie es ist nicht viel zu haben und trotzdem glücklich zu sein, weil jeder für jeden da ist. Das Gefühl des Miteinanders und des Teilens kommt hier sehr schön heraus und berührt. 
Neben den farbigen großformatigen Illustrationen bindet die Illustratorin gezeichnete Fotos mit ein, die nicht nur ein Gefühl von "Früher" aufkommen lassen sondern auch fokussierend erzählen.
Für kleine Kinder im Alter zwischen 4 und 8 Jahren, die hier Zielgruppe des Buches sind ist es schwer sich vorzustellen, das es einmal eine Zeit gegeben hat, in der man froh war etwas Anzuziehen und ein Dach über dem Kopf zu haben. Das es heutzutage immer noch Menschen gibt, die nichts haben, das haben sie vielfach durch Berichte im Fernsehen erfahren. Dennoch berührt sie diese Geschichte mehr als das was sie im Fernsehen sehen. Durch die kleine Ich-Erzählerin, ihre Erzählung und die ausdrucksstarken Zeichnungen finden die Kinder einen besseren Zugang zur Thematik. Es ist zwar eine Weihnachtsgeschichte, doch wird klar, dass es eine Geschichte ist, die nicht nur zu Weihnachten tatsächlich passieren könnte.
Wir erleben hier zum einen die Geschichte des kleinen Mädchens und ihrer Mutter und zum anderen die des jungen Paares das die Angst wirklich ins Gesicht geschrieben ist. 
Wir erleben das gegeben wird obwohl man nicht viel hat und wir erleben, das es eine Selbstverständlichkeit sein sollte jemanden aufzunehmen, zu helfen.
Doch was wäre wenn heute ein fremdes Paar an unsere Tür klingeln würde oder Unterschlupf in der Scheune oder Garage suchen würde?
Dies haben wir unsere Kinder gefragt und es wurde klar, die meisten meinten ihre Eltern hätten die Tür nicht auf gemacht oder sofort wieder zugeschlagen.
Ist unsere Welt wirklich so herzlos, so egoistisch? Ist die Angst vor Fremden wirklich so groß?
Ja! Sie ist es oft. Zu oft.
Und deshalb bedarf es Bücher wie diesen, die Anlass zu Gesprächen liefern und eine Geschichte erzählen, die zum Nachdenken anregt aber auch viel Lesefreude schenkt.
Annette Langen und Ute Simon haben ihren Lesern mit diesem wundervollen Bilderbuch ein besonders Geschenk gemacht und so hoffen wir, das die Botschaft nicht nur zu Weihnachten unser Leben bereichert und die Welt vielleicht ein bisschen menschlicher macht.

p.s.
Meine Lesekinder haben ihren Eltern von der Geschichte erzählt und einige den Großeltern, die ihren Enkeln und Ur-Enkeln von genau dieser Zeit erzählen konnten. Die Kinder wiederum berichteten uns später von ihren Familengeschichten.
Einige Großeltern zeigten ihren Enkeln Fotos von früher. 
So ist diese Geschichte auch Auslöser für Gespräche, die Erinnerungen wach werden lassen und Kindern ein Stück Familiengeschichte vermitteln können.
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