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Auf Wiedersehen, Papa

 

Bildquelle: minedition
Auf Wiedersehen, Papa
von Brigitte Weniger
illustriert von Christian Maucler
32 Seiten
1. Aufl. 19. September 2008
ISBN: 978-3-86566-097-8
minedition
12,95€

Einfühlsam erzählt Brigitte Weniger die Geschichte eines kleinen Jungen, dessen Gefühle, auf Grund der Trennung, der Eltern Achterbahn fahren
Erlebt eine leise, emotionale Geschichte in einer Geschichte über die Trennungsproblematik einhergehend mit der Schwierigkeit sich in der neuen Situation zurechtzufinden
für Kinder ab 4 Jahren
Toms Eltern leben getrennt, was dazu führt, dass er mal Zeit mit dem Papa, mal mit der Mama verbringt. Er versteht nicht wieso er nicht weiterhin mit Papa und Mama zusammenleben kann so wie früher.
Als der Vater ihn nach einer gemeinsamen Zeit wieder zurück zur Mutter bringt ist Tom sauer. Er will nicht das sein Papa wieder geht. Wütend schmeißt er sich im Flur auf den Boden. Während die Eltern noch kurz miteinander reden, versteckt sich Tom hinter den Mänteln der Garderobe, was dem Vater nicht entgeht. Als der sich mit einer Umarmung von Tom verabschieden möchte dreht sich Tom trotzig weg also wuschelt der Vater er ihm nur kurz übers Haar.
Auch die Mutter versucht an Tom heranzukommen, doch er schreit sie nur an. Dann läuft er in sein Zimmer und kuschelt sich ins Bett. Es scheint, als sei das Bett für ihn eine Art Schutzhöhle, ein Zufluchtsort. Irgendwann kommt die Mutter und legt ihm seinen Teddy in den Arm.
                                                          
Bis dahin ist die Geschichte recht traurig, was sich auch in der Farbwahl der Illustrationen widerspiegelt.
Doch blättert man nun um wird es hell und fröhlich.
Sicherlich interessiert euch wie aus einer traurigen Stimmung heraus nun Wärme und schöne helle Bilder entstehen können.
Im Grunde ist es ganz einfach.
Tom hält seine Teddy im Arm und plötzlich beginnt dieser ihm eine Geschichte zu erzählen.
Ihr erlebt hier im Buch also zwei Geschichten. Die von Tom und die vom Teddy. Geschickt holt Brigitte Wenninger mit ihrem Erzählstil die traurige Stimmung auf eine andere Ebene, die es gleichzeitig auch ermöglicht Kindern eine zweite Identifizierungs- und Distanzebene aufzubauen.
Teddys Geschichte hat ganz viel von Toms Geschichte, doch Teddys Geschichte ist anders aufgebaut. Er erzählt von einem kleinen Bären und seinem Leben mit seiner Mama. 
Sie machen es sich in ihrer Höhle gemütlich, gehen gemeinsam auf Futtersuche, sie zeigte ihm was essbar ist und was nicht, sie spielten zusammen und haben viel Spaß. Wenn die Mutter arbeiten musste, spielte der Bär allein und wartete. Christian Maucler hat hier eine zauberhafte Bilderwelt in hellen Grüntönen geschaffen, die das Leben der beiden einfängt in denen wir viel Fröhlichkeit und Leichtigkeit erleben dürfen. Am Abend liegen Bärenmutter und Bärenkind ganz gemütlich, eng aneinander gekuschelt in ihrer Bärenhöhle. Man spürt was für ein großartiges Gespann die beiden sind und wie glücklich der kleine Bär mit seiner Mama ist.
Weiter geht es in hellen freundlichen, frischen Grüntönen. Dieses Mal erzählt Toms Teddy von dem kleinen Bären und seinem Papa. Für den kleinen Bären ist es das Allerschönste, wenn der Papa ihn abholt. Auch dieses Mal spüren wir über die Bilder die Freude des kleinen Bären.
                              
Wir erleben, was der Bärenpapa mit seinem Sohn unternimmt. Es sind andere Dinge als die gemeinsamen Erlebnisse mit der Mutter. Der Vater führt ihn dorthin, wo der Kleine mit der Mama nicht hingehen würde. Er lernt andere Tiere und einen anderen Teil des Waldes kennen. Sie fischen gemeinsam und haben soooo viel Spaß. Der kleine Bär fühlt sich so gut und so stark im Beisein seines Papas, der für ihn ohnehin der größte, stärkste und beste Papa der Welt ist.
Doch die schöne gemeinsame Zeit hat auch irgendwann ein Ende. Papabär bringt seinen kleinen Bären zurück zur Bärenmama.
                                         
Und jetzt gibt es die Verbindung zu Tom, denn was macht der kleine Bär in der Geschichte des Teddys? Er wirft sich wütend auf den Boden vor dem Höhleneingang, und während der Eltern miteinander sprechen versteckte er sich. Die Wut des kleinen Bären fängt Christian Maucler ganz fantastisch ein. Hierbei spielt er geschickt mit der Perspektive, die den Fokus unseres Leserblicks ganz automatisch auf das Gesicht des kleinen Bären lenkt und betroffenen Kindern bei Hinsehen geradezu aus dem Herzen spricht. Das Bärengesicht drückt in diesem Moment so viel aus. So viel, was die Kinder genau kennen. Der kleine Bär wird zu eine Art Leidensgenosse genau wie zu Beginn des Buches der kleine Tom.

Und wieder gibt es eine Parallele zu Toms Geschichte. Der kleine Bär wirft sich nicht nur wütend auf den Boden und versteckt sich dann, sondern der Bärenpapa möchte sich auch von seinem kleinen Bären verabschieden. Ihn noch einmal in den Arm nehmen und zum Abschied feste drücken, doch der kleine Bär dreht sich weg, genau wie Tom, und so wuschelt der Bärenpapa seinem Kleinen nur kurz übers Fell, genau wie Toms Papa seinem Sohn nur kurz durch die Haare wuschelte.
Als die Bärenmama ihren kleinen Sohn suchte schriet dieser nur: "Lass mich in Ruhe!" und dann verkricht er sich allein in sein Bett. Später legt die Bärenmama dem Kleinen sein Moospüppchen in den Arm.
Ab dem Moment, wo der Bärenpapa seinen Sohn zur Mutter zurückbringt, ist die Geschichte des kleinen Bären immer in der Verbindung zu Toms Geschichte. Doch dann wird sie wieder eigenständig und vermittelt Tom ganz wichtige Erklärungen und Gedanken.
Der kleine Bär spricht mit seinem Moospüppchen, was der Mutter nicht entgeht. Als er wissen will, warum der Papa immer wieder geht und nicht dableibt, erklärt ihm die Mutter ganz behutsam und liebevoll, aber auch ehrlich von ihrer Liebe zum Papa, die irgendwann nicht mehr da war. Sie stritten sich nur noch.
Und dann kommt etwas, was sehr naheliegend ist. Er fragt sich, wieso man sich nicht vertragen kann. Wenn man sich streitet, kann man sich auch wieder vertragen. Im Kinderalltag passiert, das ganz häufig und Streit gehört ja auch irgendwie zu Leben dazu, auch wenn es nicht toll ist. Auch hier findet die Bärenmama erklärende Worte, die betroffenen Lesern, genauso wie dem kleinen Bären plausibel erscheinen und somit verstehen lassen. Gleichzeitig wirft die Erklärung aber auch eine ganz unglaublich wichtige Frage auf. Wenn man sich liebhat, dann aber nur noch streitet und sich deshalb trennt, wie sieht das dann mit der Liebe der Mutter zu ihrem kleinen Bärenkind aus? Kann es etwas geben, dass auch sie trennen wird? Was wenn sie sich "entlieben" und streiten. Ist der Bär dann allein? Trennt sich die Mutter dann auch von dem kleinen Bären?
Wieder findet die Bärenmama ganz wunderbare, herzerwärmende Worte mit denen sie ihrem Kleinen die Besonderheit der Elternliebe, der Liebe zwischen Mama (aber auch Papa) und Kind erklärt.
Die Erklärungen der Bärenmama lassen den kleinen Bären ruhig werden. Er hat verstanden und ist nicht mehr wütend. Und er nimmt sich ganz fest vor seinen Papa beim nächsten Mal richtig zu verabschieden. Mit Auf Widersehen und einer festen Umarmung.

Damit endet dann die Teddy-Geschichte und wir sind, auch in den Bildern, zurück in Toms Kinderzimmer. Tom hat Teddy und seiner Geschichte vom kleinen Bären sehr genau zugehört. Nun ist er sehr müde. Das auch er verstanden hat wie das mit den Eltern und der Liebe zu ihm ist erleben wir erst einmal über die letzten Sätze der Geschichte in der Tom Teddy bittet ihn daran zu erinnern, dass er seinem Vater beim nächsten Mal etwas ganz Wichtiges sagen muss.
Damit ist die Geschichte zu Ende und trotzdem ist sie noch nicht ganz zu Ende, denn wir werden mit einem Bild aus dem Buch herausgeführt, das sowohl inhaltlich als auch farblich zeigt, dass alles wieder gut ist.

Viele betroffene Kinder finden gerade dieses aus dem Buch herausführende Bild ganz toll. Sie beschreiben die Wirkung sehr individuell, aber zusammenfassend und analysierend kann man sagen, dass sie sich stärker, gestärkt und sehr hoffnungsvoll fühlen. Ein Junge von 9 Jahren sagte mit einem Grinsen: "Mir ist ein Licht aufgegangen." Auch wenn diese flapsige Äußerung vielleicht wieder von etwas Unsicherheit oder einer emotionalen Nähe zur eigenen Geschichte geprägt ist, in der er sich selbst noch nicht eingestehen möchte, dass die Geschichte von Tom und dem kleinen Bären, ihn wirklich berührt hat, spürt man das sie wirklich angekommen ist und etwas in ihm nachdenken lässt.

"Auf Wiedersehen, Papa" ist eine sehr emotionale Geschichte, die genau das aufgreift, was Kinder in ähnlicher Lage fühlen und denken. Lesen wir ihnen die Geschichte vor ist das im Grunde so, als würde Teddy Tom die Geschichte vom kleinen Bären erzählen. Nur das dann noch die vorlesende Ebene hinzukommt in der schon zwei Geschichten eng miteinander verwoben sind. Das Vorlesen ermöglicht dann in ein Gespräch zu kommen, das vergleichbar mit dem Gespräch zwischen Bärenmama und Bärenkind ist, nur das Kinder hier schon angeregt durch die Geschichte und Bilder, eine etwas andere emotionale Ausgangsposition für ein Gespräch entwickelt haben.

Immer wieder bekomme ich die Frage gestellt, ob man ein Buch zu einem Problemthema mit einem Kind nachbesprechen sollte und wenn ja wann. Die Antwort ist so einfach und trotzdem komplex und wird durch Brigitte Wenningers Geschichte im Grunde schon beantwortet.
Tom schläft nach Teddys Geschichte ein. Seine letzten Worte vor dem Einschlafen zeigen, dass er verstanden hat. Das er oky ist.

Wir Erwachsene, die Kinder in schwierigen Situationen begleiten möchten sollten das Kinde sehr genau beobachten, hinfühlen und dann entscheiden. Man spürt, ob ein Kind Redebedarf hat oder nicht. Und wenn ein Kind dann zur Tagesordnung übergeht oder einschläft, ist das völlig oky. Denkt einfach selbst einmal darüber nach, wie es ist, wenn man etwas erlebt oder gesagt bekommen hat woran man zu knabbern hat. Manchmal möchte man dann einfach für sich sein und manchmal mit anderen darüber sprechen.
Jeder ist anders, jeder verarbeitet anders. Und alles ist oky, solange es nicht zusätzlich belastet.
Das Bilderbuch mit seiner wundervollen Geschichte schafft Nähe und lässt gleichzeitig genug Freiraum, um betroffenen Kindern die Möglichkeit zu geben zu entscheiden wie sehr sie die Geschichte an sich heranlassen und zu ihrer eigenen machen.
Durch die ausdrucksstarken Illustrationen mit einer gezielten Farbwahl finden selbst jüngere Kinder ab 3-4 Jahren schon einen Zugang auf verschiedenen Ebenen. Hier können sie von außen etwas Erleben und Erklärungen und Lösungsansätze für ihr eigenes Problem, ihre eigene Situation, ihre eigenen Gedanken und Ängste finden.

Zum Schluss noch ein kleiner Denkanstoß.
Ich höre von Erwachsenen oft: "Oh ist das Titelbild/ das Cover traurig, dass kann ich meinem Kind / das kann ich Kindern nicht zeigen."
Genau solche Geschichten, in denen sich Kinder wiederfinden und mit ihren eigenen Problemen und Ängsten andocken können sind enorm wichtig und wertvoll.
Und auch wenn das Coverbild ein wenig traurig aussieht und man vielleicht aus Angst, dass es das Kind verstören könnte, lieber nicht zu dem Buch greift, schaut es euch doch erst einmal genauer an.
Oft spielen uns unsere eigenen Gefühle und Interpretationen einen Streich. Nur weil es uns zu trübe erscheint, muss es dem Kind nicht auch trübe erscheinen. Vielleicht ist das Titelbild ja auch etwas, was in dem Moment genau ihre Gefühlswelt widerspiegelt und sie deshalb neugierig auf die Geschichte sind.

 Hier noch das Insta-Bild