Unsere Lieblingsbücher

Anna mag Oma und Oma mag Äpfel

 

Bildquelle: Bohem press
Anna mag Oma und 
Oma mag Äpfel
von Katrin Hofer Weber
mit Bildern von Tatjana Mai-Wyss
40 Seiten
1. Aufl. 2022
ISBN 978-3-85581-586-9
Bohem Press
15,00€

Ein einfühlsames, warmherziges Bilderbuch 
zum Thema Demenz
und auch etwas 
über den Tod
für Kinder ab 4 Jahren
Leider gibt es immer noch viel zu wenig Bilderbücher zum Thema Demenz, obwohl es immer mehr Familien gibt, in denen das Vergessen eine große Rolle spielt. Umso schöner, wenn es dann doch einmal ein neues Bilderbuch gibt und wenn es dann auch noch so liebevoll und warmherzig erzählt und illustriert ist wie dieses dann ist, es ein echtes Geschenk.
Anna liebt ihre Oma Obst sehr. 
Früher lebte ihre Oma in einem kleinen Haus mit einem schönen Garten, in dem mehrere Apfelbäume standen. Das Haus stand im Obstweg und so bekam die Oma den Namen Oma Obst. Der Name half Anna ihre beiden Omas zu unterscheiden.
Oma Obst lebt jetzt in einem Seniorenwohnheim doch Anna und ihre Familie besuchen sie so oft es möglich ist. Für Anna ist vieles anders geworden seit Oma Obst dort wohnt. Sie vermisst den Garten, den Apfelbaum, auf den sie immer geklettert ist und die gemütliche Kuchenzeit mit ihrer fröhlichen Oma im Garten.
Wenn Anna jetzt zu Oma Obst ins Wohnheim kommt, dann sitzt die Oma oft am Tisch oder guckt teilnahmslos aus dem Fenster. Oma Obst spricht nicht mehr so viel wie früher und ist auch nicht mehr so fröhlich. Manchmal erzählt sie etwas, was Anna nicht versteht, und manchmal beginnt sie einfach ein Lied zu summen und hört einfach auf mit Anna zu reden. Einmal schaut die Oma in eine Zeitung. Das Bild eines Mannes hat es ihr angetan. Sie sieht in dem Mann jemanden den sie kennt. Erinnerungen werden wach, doch mit dem Namen kann Anna nichts anfangen. Zuhause fragt die Kleine ihren Vater, wer der Mann in der Zeitung denn sei und ihr Vater erklärt ihr, dass der Mann auf dem Foto Oma Obst an jemanden erinnert hat, der aber schon vor einiger Zeit gestorben ist. Der Mann auf dem Foto war nicht Karli, wie Oma ihn nannte.
Anna hatte noch keine richtigen Berührungsmomente mit dem Tod und möchte wissen, wo Karli denn ist. Was passiert mit den Toten?
Was Annas Papa antwortet, mag für den erwachsenen Leser etwas ungeschickt formuliert sein, ist aber in dieser Geschichte ein wunderbarer Aufhänger um Kindern mehr über die Vorstellung, was nach dem Tod ist zu vermitteln.
Er antwortet: " Vielleicht im Himmel."
Klar das Anna sofort zurückfragt was "Vielleicht?" bedeutet.
Einfühlsam, aber auch sehr ehrlich sagt er: "Das weiß niemand so genau. Er ist wohl dort, wo ich denke, dass er ist."
Das Anna das nicht versteht kann man sich denken. Sie hakt nach und so erzählt ihr der Vater von dem, was die Menschen glauben, was mit Toten geschieht. Dass es Menschen wie ihn gibt, die daran glauben, dass die Toten im Himmel weiterleben, dass es Menschen gibt, die glauben, dass die Toten...... 
Dieser kleine Exkurs hat zwar nichts mit der Demenz zu tun, ist aber wunderbar in die Geschichte über das Thema eingeflochten und zeigt im Grunde auch das, was wir als Lebensweg bezeichnen. In Oma Obst Fall ist es erst einmal "nur" die Demenz und das Alter. Irgendwann wird aber auch der Tod eine Rolle spielen. Wenn es Anlässe wie Annas Frage gibt ist es schön, wenn man wie Annas Papa reagiert und dem Kind etwas über den Tod erzählt. Hier geschieht es zwanglos, fast schon nebenbei, aber auch das bleibt in den Köpfen der Kinder.
Vermutlich auch weil Anna es traurig findet, dass die Oma an jemanden denkt, der schon tot ist, beschließt sie Oma Obst eine Freude zu machen. Und was gibt es da Schöneres als ein selbst gemaltes Bild von ihrem alten Garten mit dem wundervollen Apfelbaum.
Doch als sie der Oma beim nächsten Besuch voller Vorfreude das Bild zeigt bleibt diese teilnahmslos. Sie reagiert gar nicht auf die Zeichnung.
Anna ist traurig und wütend zu gleich. Sie versteht nicht, dass der Oma das Bild nicht gefällt. Das es gar nicht an ihrem Bild liegt, sondern das die Oma nicht mit ihren Gedanken bei ihr ist versteht Anna noch nicht. Wie auch, denn bislang wurde ihr vermutlich noch nicht erklärt, wieso die Oma nicht mehr allein in ihrem Haus leben konnte, wieso sie jetzt im Heim ist. 
Anna durchlebt eine schwierige Zeit, in der die Wut auf die Oma, ihre Enttäuschung über die Reaktion der Oma, so überhandnimmt, dass ihr auch das Essen nicht schmeckt. Noch einmal möchte sie die Oma nicht besuchen. Natürlich entgeht den Eltern Annas Traurigkeit nicht. Behutsam setzten sie sich zu der Kleinen und erklären ihr einfühlsam und klar verständlich, dass die Oma krank ist. Dass es keine Medizin gibt und das Demenz nicht heilbar ist.
Und wieder kommt das Thema Tod ins Spiel, denn wenn jemand so krank ist, dass es keine Medizin dafür gibt, dann sieht es für ein Kind und in diesem Fall für Anna so aus als müsse die Oma bald sterben. Unheilbar krank = sterben ist ein ganz natürlicher Gedankengang, den die Eltern aber relativieren, in dem sie Anna erklären, dass die Oma mit Sicherheit irgendwann sterben wird, aber die Demenz nicht bedeutet das sie in nächster Zeit stirbt.
Anna versteht, dass die Oma immer mehr vergessen wird, dass sie sich erst einmal mehr an Dinge von früher erinnern wird und vielleicht irgendwann auch daran nicht mehr.
Um trotzdem mit ihr in Kontakt zu treten hat Anna eine tolle Idee.
Was das ist, verrate ich euch nicht, nur so viel, Anna schafft es mit dieser Idee die Oma zu erreichen und für eine Weile scheint es fast als sei Oma Obst ganz klar. Und Anna, Anna ist glücklich, dass sie ihre Oma glücklich machen und erreichen konnte.
 
Annas Geschichte erklärt Kindern sehr viel. 
Durch die warmen, liebevoll gezeichneten Illustrationen und die ausdrucksstarke Mimik und Gestik können die kleinen Leser wunderbar nachempfinden, wie Anna sich fühlt. Die Wut und Enttäuschung, die Traurigkeit aber auch das Wohlgefühl und die Freude sind wunderbar herausgearbeitet und spürbar. Betroffene Kinder finden sich in Anna vielleicht sogar wieder. 
So kann dieses zauberhafte Bilderbuch nicht nur eine Hilfestellung sein, um Kindern das Thema Demenz zu vermitteln, sondern auch betroffenen Kindern eine Hilfestellung bei ihrer Trauerarbeit sein, um wieder herauszufinden aus der Traurigkeit, die Wut zu vertreiben und auch zu inspirieren sich einmal Gedanken zu machen, wie man den geliebten Dementen erreichen könnte.

Im Anhang der Geschichte gibt es noch Informationen für Erwachsene.
Auch wenn die Informationen an sich sehr gut sind, finde ich sie hier etwas fehl am Platz, denn es geht ausschließlich um die Demenz. 
Was Demenz ist, wie sie sich äußert etc. das kann man zwar auf 2 Buchseiten anreißen und auch erste Informationen liefern, doch hätte ich mir bei einem Bilderbuch mehr Informationen gewünscht, wie Eltern mit ihren Kindern über das Thema sprechen können. Die Verbindung Kind -Demenz fehlt hier völlig. Als Erwachsener hole ich mir in der Regel keine Informationen über ein Bilderbuch und als Betroffener benötige ich wesentlich mehr und tiefergehendere Informationen, wobei zu sagen ist, dass das, was im Anhang von Frau Prof. Dr. Agnes Flöel Direktorin der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Greifswald aufgeführt wird, schon sehr fundiert, intensiv und vielfältig ist. 
Aber wie gesagt, in einem Bilderbuch hätte ich mir persönlich hier einen Bezug zum Kind gewünscht.

Auf euch wartet ein warmherziges Bilderbuch voller Emotionen und einfach zauberhafter Illustrationen. Ein schönes Bilderbuch nicht nur zum Thema Demenz, sondern auch zum Thema Tod, das man wunderbar mit Kindern lesen kann, um beide Themen einmal anzusprechen.
In dem sich aber auch Kinder wiederfinden können, die Kontakt, mit Demenzpatienten haben.


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