Unsere Lieblingsbücher

Die Trauer-Flummis


Bildquelle: Lebensweichen Verlag
Die Trauer-Flummis
von Helene Düperthal
mit Bildern von Manfred Tophoven
40 Seiten
1. Aufl. 2018
ISBN: 978-3-945262269/
Lebensweichen Verlag
12,00€
Ein Buch zum Thema 
Tod und weit aus mehr
Ein Buch zum Thema Gefühle, innere Auseinandersetzung, Abschied nehmen
für Kinder ab 4 Jahren

Dieses Buch begleitet mich nun schon einige Monate und es vergeht kein Tag an dem ich es nicht an meinem inneren Auge vorbei zieht oder ich jemandem davon erzähle. Bei der Suche nach Büchern für eine Themenliste Gefühle stieß ich auf die "Trauer-Flummis". Für mich ist das Buch zum Thema Gefühle schlecht hin. Müsste ich unter all den vielen Titeln die ich mittlerweile zusammengetragen habe, nur eins heraussuchen, dann würde ich ohne zu zögern dieses Buch wählen. Scheint es auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick ein Buch im Bereich Tod zu sein entpuppt es sich wie ich finde, sehr schnell als ein Buch über die Vielfalt der Gefühle. Dabei werden so viele intensive Gefühle und innere Auseinandersetzung mit ihnen thematisiert, das ich einfach fasziniert immer weiter gelesen haben und völlig begeistert von der Klarheit der Geschichte, der Sätze und ihrer Botschaften war. Freilich, es ist ein Buch für Kinder ab 4 Jahre und sollte daher für sie verständlich sein, so sollte man sich nicht über diese Klarheit wundern. Doch wenn ich dieses Buch mit anderen gleicher Intention vergleiche wird schnell klar, dass dieses hier etwas besonderes ist.
Bevor ich etwas über den Inhalt erzähle möchte ich jedoch noch etwas los werden. Auch wenn es ein Kinderbuch ist empfehle ich es auch Erwachsenen, denn es hat den Schlüssel zum Herzen, den man in seiner Trauer oft nicht findet. Dabei muss es nicht um die Verarbeitung eines Todes gehen. Wann immer man mit sich hadert, traurig ist, einen Abschied zu verarbeiten hat, nicht mehr weiter weiß oder den Sinn des Lebens in Frage stellt können die "Trauer-Flummis" wirklich helfen.
Worum geht es nun in diesem Buch?
Es ist die Geschichte zweier Geschwister, die ihre Mutter verloren haben. Im Grunde ist es die Geschichte eines kleinen Mädchens denn die Autorin nimmt uns mit in die Gefühlswelt der Kleinen. Die innere Auseinandersetzung die so unglaublich vielschichtig ist und genau deshalb für so viele Situationen im Leben Hilfestellungen gibt.
Wir sehen die Geschwister auf dem Boden sitzen. Der große Bruder mit seinen langen Beinen, mit dem Oberkörper an die Wand gelehnt, Paula seine kleine Schwester hockt neben ihm. Manfred Tophoven ist es wunderbar gelungen die Kinder zu zeichnen. Mimik und Gestik verdeutlichen nicht nur die Hilflosigkeit sondern sprechen den Betrachter direkt an. Wir sehen die beiden, fühlen uns vielleicht auch etwas hilflos, gern würden wir ihnen helfen, doch wie? Wir sind nur Beobachter des Geschehens können mit den Protagonisten nicht in Kontakt treten und dennoch denken wir darüber nach. Schnell wird klar, wir sind mitten in der Geschichte, sie hat uns gefangen und je mehr wir erfahren , je mehr verstehen wir, verbinden eigene Erfahrungen und nicht selten gibt es Aha-Momente und wir werden nachdenklich. Das stellen nicht nicht nur wir Erwachsenen fest sondern auch unsere Lesekinder, die gleich das erste Bild gefühlvoll und empathisch interpretieren und kommentieren. Die erzählende Geschichte gibt lange keine Antwort auf die Frage was passiert ist. Wieso die beiden dort sitzen doch genau das möchten die Kinder wissen stellen von alle Vermutungen an und sind somit gleich auch gedanklich in der Geschichte angekommen. Die Neugier ist geweckt. Wir hören von Gedanken und Gefühlen, die spazieren gehen, ständig unterwegs sind, die rennen, kriechen, springen und noch so viel mehr können. Die wie Flummis kreuz und quer, hoch und runter titschen. Vorstellungen die Kinder sehr gut verstehen und nachvollziehen können. Jedes unserer Lesekinder im Alter zwischen 4,5 und 13 Jahren konnte auf seine eigene Art etwas dazu sagen, was deutlich macht, das die Autorin versteht zu erzählen, das ihre Botschaften trotz der Komplexität verstanden werden. Die Gefühle mit Flummis zu vergleichen ist absolut genial, besser kann man es nicht verbildlichen. Je mehr wir in die Geschichte eintauchen, je mehr lernen wir Paula kennen und erfahren was passiert ist. Zuerst hören wir nur von einer Lücke, die plötzlich da ist. Das "Sie" einfach weg ist. Das der Platz auf dem Sofa, auf dem "Sie" so gern gekuschelt hat leer ist.Erinnerungen. Erinnerungen an kleine Gesten, an Gerüche an Situationen die man gemeinsam erlebt hat. Dann sehen wir ein Bild das viel erklärt. Umhüllt von hellblauen Wolken sehen wir eine Frau, die sich zu Paula hinunter beugt und ihr ein Eis gibt. Plötzlich wird allen Lesekinder klar, es ist die Mutter die fehlt und sofort verbinden sie das Fehlen mit Tod. Die Mutter ist gestorben. 
Doch nach den schönen Erinnerungen kommen bei Paula traurige Gedanken auf. Schuldgefühle breiten sich aus. "Wenn ich ihr mehr geholfen hätte, wenn ich öfter aufgeräumt hätte, wenn ich nicht mit ihr gestritten hätte......". Selbstvorwürfe die im weiteren Verlauf in Wut gegenüber die Mutter wechseln. Hat sie doch versprochen......, sie wollte doch mit mir.......
"Sie darf mich nicht allein lassen!"
Nach so viel Tief  wird es wieder leichter. Wir sehen Paula mit einer Freundin in Mitten vieler bunter Luftballons tanzen. Sie freut sich auf das Wochenende. 
Nicht so schön findet sie dagegen die Beerdigung. Fremde Menschen, die sie umarmen möchten. Hier fühlt sich Paula nicht wohl. Doch dann  sehen und hören wir wie es Paula besser geht. Sie lacht weil ihr bewusst wird, das es richtig ist wenn sie an sich selbst denkt. Das tut was sie möchte, was ihr gut tut. Das kann mal weilen sein, mal lachen und wenn sie erzählen möchte dann erzählt sie erinnert sich und lässt die Bilder der Erinnerung zu.  "erinnern tut gut". Wie gut auch das beschreibt Helene Düperthal wieder wunderbar nachempfindbar anschaulich.
Und dann kommt Paulas Resümee. Sie steht zu sich und erlaubt sich quasi selbst ihre Gefühle. Die Flummis um sie herum füllt sie und ihre Erkenntnis ist das besondere, das eindrucksvollste des ganzen Buches, das Kinder wie Erwachsene viel mit auf den Weg gibt.
"Wenn ich traurig bin , bin ich eben traurig. das darf ich!"
"Wenn ich.........., das darf ich!"
"Wenn ich ..... dann........"
"Es sind meine Gefühle und ICH bin ICH"
Eine wundervolle, sehr ausdrucksstarke, gefühlvolle Geschichte die einem nicht nur viel mit auf den Weg gibt sondern auch mitfühlen lässt und zum nachdenken anregt. Jeder erlebt diese Geschichte etwas anders. Für jeden sind andere Elemente der Geschichte mehr oder weniger intensiv und gewichtig. Auf jeden Fall kommt man gestärkt und leicht aus ihr wieder heraus. "So als wenn ein Knoten geplatzt ist fühlt sich Paula" sagte die 8 jährige Jana und wir verstehen gut was sie damit meint. 
Auch wenn die Geschichte von Paula und ihrem Bruder endet ist das Buch noch nicht zu Ende. Helene Düperthal richtet das Wort mit "Hallo, du da!" an ihre Leser. Dabei geht sie noch einmal kurz auf die Geschichte ein um dann ihren Lesern ganz persönlich noch einiges mit auf den Weg zu geben. Es sind Vorschläge, Ideen, Gedanken wie man mit Situationen umgehen kann. Sie findet die richtigen Worte um ihre jungen Leser anzusprechen und ihnen das Gefühl zu geben, das sie für sie da ist. "Das ist so als würde sie mich kennen und mit mir sprechen" sagt Leon. Ein besseres Kompliment gibt es wohl kaum, oder?
Und wer wissen will wer Helene Düperthal ist und wie sie aussieht der wird sich über die letzten Seiten im Buch freuen.
Ein Buch, das einmalig schön ist!
Das man ein so schwieriges Thema so wunderbar veranschaulichen und Hilfestellungen geben kann hätte ich nicht für Möglich gehalten. Das ein Kinderbuch auch Erwachsenen so viel geben kann erlebt man hier so ganz nebenbei.
Wir haben das Buch mit unterschiedlichen Kindern gelesen. Kinder ohne thematische Vorbelastung und Kinder einer Trauergruppe. Die Gespräche über das Buch verliefen dementsprechend sehr unterschiedlich. 
Für mich ist es sehr wichtig Kinder so früh wie möglich auch an das Thema Tod und Abschied heranzuführen. Dies kann man mit diesem Buch wunderbar. Doch mit ihm kann man so viel mehr machen. Paulas hat gelernt ihre Gefühle egal ob positiv oder negativ zu akzeptieren. Sie gehören alle zu ihr und sind alle oky. Sie ist oky so wie sie ist. Egal ob sie traurig ist, ob sie weint, oder ob sie unbeschwert glücklich ist alles ist richtig und gut. Immer und das heißt auch in Zeiten der Trauer. Wenn die Familie traurig ist darf ich, dürfen alle trotzdem lachen. Und so ist das Buch in erster Linie ein Buch über die unterschiedlichsten Gefühle mit denen wir uns im Leben immer wieder auseinander setzten müssen. Ein Buch zur Ich-Stärkung.
In der Trauergruppe verbinden die Kinder die Geschichte selbstverständlich intensiver weil sie unmittelbar betroffen sind. Sie nehmen aber auch viel mehr direkt davon mit. Viele der Kinder die schon lesen können haben das Buch mit nach Hause genommen. Wenn sie fragten ob sie es mitnehmen dürfen war immer deutlich zu spüren, dass sie die Geschichte so ganz für sich und bei sich erleben wollten. Ein Junge sagte später:"Ich hatte das Gefühl das ist mein Schatz und meine Medizin. Wenn es mir nicht gut geht kann ich das Buch aufschlagen und lesen und wenn ich es gelesen habe kann ich durchatmen und es fühlt sich leicht an." 
Das Buch gibt Halt das wird immer wieder deutlich.
Wir malen oft nach dem Vorlesen noch große bunte Flummis in die die Kinder auch Szenen hinein zeichnen können die ihnen gerade in den Sinn kommen. 
Dieses Buch sollte in keinem Kindergarten fehlen und selbstverständlich auch in allen Einrichtungen mit Kindern.
Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, das Helene Dürpthal noch einige andere wundervolle Bücher geschrieben hat. Diese findet man auf ihrer Homepage und in der Übersicht des Lebensweichenverlags .

Hier nur drei der Titel, die ich hier auch noch vorstellen werde:




https://www.lebensweichen-verlag.de/produkte/die_trauer-flummis/