Bildquelle: Coppenrath Verlag
Für Opa
scheint jetzt immer die
Sonne
von Katja Reider
mit Bildern von Marlin Hörl
32 Seiten
1. Aufl. 01. Juli 2022
ISBN: 978-3-649-63484-3
Coppenrath Verlag
16,00€
Abschied, Tod und Trauer
aber auch und vor allem das gemeinsam Erlebte
gehören zum Leben dazu
eine wundervolle, Mut machende, tröstende Geschichte
für Kinder ab 4 Jahren
So traurig es ist, das Abschiednehmen, die Konfrontation mit dem Tod trifft irgendwann jeden. Kinder wie Erwachsene. Meist werden Bücher zum Thema Tod gelesen, wenn es einen aktuellen Anlass gibt. Ich kann jeden nur ermutigen genau solche Geschichten, wie die von Mia und ihrem Opa, die ich gleich vorstellen werde nicht erst dann vorzulesen, wenn es einen Anlass gibt. Wir sollten mit den Kindern auch ohne Grund über den Tod sprechen und das können wir wunderbar mit Hilfe von Geschichten, von Bilderbüchern.Katja Reider ist bekannt für ihre feinfühligen, kindgerechten Geschichten. Sie schafft es Kindern auch etwas über schwierige Themen zu erzählen, etwas zu vermitteln und gleichzeitig das Gefühl der Hoffnung, des Verstanden Fühlens und auch ein Stück weit ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit zu vermitteln, dass so wichtig ist, wenn es darum geht mit über etwas zu sprechen, das traurig stimmt.
In diesem Fall gelingt ihr das ganz wunderbar, weil sie nicht mit dem Tod, sondern dem Leben beginnt.
Sie erzählt von vielen tollen Begebenheiten die Mia und ihr Großvater zusammen erleben. Von ihrem Alltag, von dem was Mia und ihren Opa verbindet, welche Leidenschaften sie teilen, was Mia alles tolles von ihrem Opa lernt. Die beiden sind, das spürt man nicht nur über die erzählende Geschichte, sondern vor allem auch über die wundervollen Illustrationen sehr deutlich, ein wirklich gutes Team.
Sie gehen gemeinsam in den Garten, wo Mia alles über Pflanzen lernt und bald schon einen genauso grünen Daumen entwickelt, wie der Großvater ihn hat. Sie lieben es stundenlang im Wasser zu verbringen, sie spielen gerne Mensch-ärgere-dich-nicht und lieben Apfeltorte mit Streuseln.
Eines Tages, es ist Herbst geworden sitzen sie gemeinsam auf ihrer Gartenbank und blicken die Beete, die von herunterfallendem Laub bedeckt werden.
Mia ist schon aufgefallen, dass es dem Opa nicht mehr so leicht fällt sich zu bücken, dass er sich öfter ausruht, doch als er ihr sagt, dass er in ein Seniorenheim zieht, ist die Kleine entsetzt. Opa ohne seinen Garten, das kann sie sich überhaupt nicht vorstellen.
Mia besucht ihren Opa so oft es geht in seinem neuen Zuhause. Dann bringt Mia ihm Blumen aus dem Garten mit und sie spielen sie Mensch-ärgere-dich-nicht und manchmal gehen sie auch für einen kleinen Spaziergang nach draußen.
Nach einem dieser Spaziergänge entdeckt Mia in der Halle des Seniorenheims ein aufgeschlagenes Büchlein und Kerzen stehen daneben.
Die Leiterin der Senioreneinrichtung erklärt ihr, dass das ein Erinnerungsbuch ist. Immer dann, wenn ein Mensch gestorben ist, können die Bewohner dort etwas hereinschreiben und sich so von dem Verstorbenen verabschieden. Das Buch bekommen später die Angehörigen. Mia möchte von ihrem Opa wissen, ob er auch schon etwas in das Buch geschrieben hat und ob er traurig war, dass die Nachbarin, für die das Buch da lag, gestorben ist.
Danach ist das Thema aber auch schon wieder anderen wichtigen Dingen gewichen.
Mit der Zeit bemerkt Mia, dass der geliebte Opa immer seltsamer wird. Er vergisst viel und dann kommt er ins Krankenhaus. Mia besucht ihn, ist furchtbar traurig und möchte nur eins, dass er bald wieder gesund ist, damit er die Sonnenblumen sehen kann, die gerade beginnen zu blühen und die er doch so liebt. Doch es kommt anders.
Eines Morgens sitzt ihre Mutter bei ihr auf der Bettkante und erzählt ihr, dass der Opa in der Nacht ganz friedlich für immer eingeschlafen ist.
Mia begreift, dass sie ihren Opa nie wieder sehen wird.
Katja Reiders Geschichte könnte nun zu Ende sein, doch sie geht weiter, weiter wie das Leben. Wir erfahren von der Beerdigung, dass viele Menschen kommen, man zusammensitzt, sich Geschichten erzählt, das auch gelacht wird.
Mia möchte wissen, ob der Opa nun im Himmel ist und bekommt auf ihre Frage eine einfühlsame ehrliche Antwort. Ihre Mutter erklärt ihr, dass niemand so genau weiß, was nach dem Tod kommt, aber vielen Menschen daran glauben, dass sie im Himmel sind. Aber dass es viel wichtiger ist, dass der Opa immer bei ihnen sein wird. In ihren Herzen, in ihren Erinnerungen. Mia lernt, das Traurigsein zum Abschiednehmen dazu gehört und das ihr Opa über das Erinnern und die Gespräche über ihn immer bei ihr sein wird.
Das ganze Buch lebt von den wundervollen Illustrationen, die selbst in der Trauer noch Geborgenheit und Wärme vermitteln. Malin Hörl hat es geschafft dem Tod den Schrecken zu nehmen. Alles ist leicht, aber nicht zu leicht. Mias Traurigkeit ist deutlich zu spüren, genauso wie die der Eltern, aber der Zusammenhalt der Familie, die gemeinsamen Erlebnisse mit dem Opa sind es, die dieses Buch bestimmen und ganz behutsam zum Thema Tod hinführen.
Noch dazu wartet das Buch mit einer wundervollen gestalterischen Idee auf. Gleich zu Beginn werden wir von einem kleinen Büchlein im Buch überrascht. "Für Opa von Mia" steht darauf und darin sind Fotos von Mia und ihrem Opa begleitet von einigen kleinen Kinderzeichnungen am Rande. Was es mit dem Büchlein auf sich hat, ist erst einmal unklar. Es ist einfach ein kleines selbstgebasteltes Buch von Mia für ihren Opa, so wie es vermutlich einige ältere Kinder schon einmal in ähnlicher Form als Geschenk gebastelt haben.
Rückblickend erkennen die Kinder nach dem Vorlesen der Geschichte das es auch ein Erinnerungsbuch ist.
Besonders schön zu erleben ist die extreme Natürlichkeit in den Bildern. Nichts wirkt bedrohlich oder steif. Und durch das zweite Hauptthema, Garten und Sonnenblumen strahlen die Illustrationen immer auch eine besondere Wärme aus. Das der Trauerkaffe im Garten stattfindet, dass es mehr aussieht wie ein gemütlicher, lustiger Kaffeeklatsch, dass die Eltern zuhause in Strümpfen herumlaufen und im Garten sogar barfuß, das sind so kleine Elemente, die ebenfalls auffallen und eine Gemütlichkeit ausstrahlen, die der Geschichte und dem Thema unglaublich guttun.
In vielen Lesestunden mit Betroffenen und nicht Betroffenen ist eines klar kommuniziert worden. Katja Reiders Geschichte zum Thema Tod ist ein Buch über das Leben, das den Tod beinhaltet. Wie sie ihre Leser erst mit ganz viel Liebe, Wärme und wundervollen Erlebnissen empfängt und über das gemeinsame Leben /Erleben von Mia und ihrem Opa erzählt bevor sie ganz langsam und sehr behutsam über das Älterwerden, das nicht mehr so fit sein, hin zum Vergesslich werden erzählt und so wirklich sehr feinfühlig und sensibel dem Abschied den Weg bereitet ist einfach fantastisch. Selbst Krankenhaus und Trauer und die Verabschiedung im Familien- und Freundeskreis bei der Trauerfeier im Garten machen keine Angst, sondern vermittelt, wie es ist traurig zu sein aber Tod und Abschied zum Leben dazugehörend.
Ich persönlich empfinde es als großes Geschenk Kindern, wie Erwachsenen diese Geschichte vorlesen zu dürfen denn sie zeigt nicht nur Kindern einen Weg den Tod anzunehmen, sondern gibt Erwachsenen eine Möglichkeit Kindern das Thema näher zu bringen, wo ihnen vielleicht die Worte fehlen. Aber vielmehr als das, was natürlich auch andere Bilderbücher über den Tod versuchen zu vermitteln, ist es die besonders natürliche und extrem einfühlsame Art mit der Katja Reider erzählt und in Kombination mit den absolut wundervollen Illustrationen diese Natürlichkeit transportiert, die einfach guttut, genau wie es unglaublich guttut zu erleben, wie die kleine Familie füreinander da ist, sich gegenseitig tröstet. Wer einmal eine trauernde Familie mit kleinen Kindern beobachtet hat, der weiß, dass das nicht unbedingt ein selbstverständliches Bild ist. Oftmals werden Kinder außen vorgelassen, man versucht den Tod (aus den unterschiedlichsten Gründen) von ihnen fernzuhalten.
Hier wird Mia völlig eingebunden.
Was mir extrem gut gefallen hat und auch einer der Gründe ist, wieso ich das Buch Erwachsenen so ans Herz lege, ist die Trauerfeier im Garten. Der Garten, den der Opa so sehr liebte. Hier sitzen alle zusammen, erzählen Geschichten, erinnern sich an den Großvater und es wird gelacht. Es sieht aus wie ein Nachbarschaftsfest, ein fröhliches Fest unter Freunden. Diese lockere Art finden wir leider auch noch viel zu selten.
Sind wir mal ehrlich, gerade Beerdigungen sind in unserer Gesellschaft meist eine recht förmliche Veranstaltung, die so gestaltet wird, wie wir meinen, dass es die anderen von uns erwarten. In vielen anderen Kulturen ist das ganz anders.
Trotz des traurigen Themas kann man hier wirklich sagen, es ist ein wundervolles Bilderbuch mit einer sehr warmherzigen, liebevollen Grundstimmung, das einfach schön zu lesen und vorzulesen ist.