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Als Mama nur noch traurig war


Bild: Coppenrath Verlag
Als Mama nur noch traurig war
Wenn ein Elternteil an Depression erkrankt
eine Geschichte von Anja Möbest
mit Bildern von Barbara Korthues
32 Seiten
1. Aufl. 2017
Coppenrath Verlag
ISBN: 978-3-649-62021-1
14,95€


Thema Eltern mit Depression


Depression, ein wahnsinnig schwieriges Thema.
Es Kindern zu vermitteln ist noch schwerer.
"Als Mama nur noch traurig war" schafft es auf sehr eindrucksvolle Weise Kindern zu erklären, was Depressionen sind und wie sie sich äußern.
Besonders wichtig hier der Aspekt, den Kindern verständlich zu machen, das sie keine Schuld an der "Traurigkeit" haben.
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Die Geschichte erzählt von den Anfängen der Depression der Mutter, die Änderung ihrer Verhaltensweisen, die Auswirkungen auf den Alltag, die Situation von Vater und Sohn, über einen großen Knall zwischen Mutter und Vater, der eine Wende darstellt, da die Mutter nun versteht, das sie Hilfe braucht, bis hin zu Besuchen beim Psychotherapeuten.  Gefühlvoll wird hier auf Verlustängste aber auch Scham- und Schuldgefühle des Kindes eingegangen, die sich oftmals die Schuld an der Krankheit geben. Die Geschichte endet mit einem Lichtblick, der aufzeigt, dass es einen Weg aus der Depression gibt aber auch das es ein Weg in kleinen Schritten ist.
Wenn man die inhaltliche Aufzählung verfolgt kommt es einem sehr viel vor . Das in einem Buch von gerade mal 32 Seiten darzustellen scheint kaum möglich, doch Anja Möbest ist dies gelungen. Unterstützt durch sehr ausdrucksstarken Bildern von Barbara Korthues gelingt es ein Gefühl und Verständnis für diese Problematik zu bekommen.
Das Buch ist bestimmt ein sehr hilfreiches Mittel betroffenen, und auch nicht betroffenen, Kindern zu erklären, wie sich ein depressiver Mensch verhält, wieso das so ist und welche Möglichkeiten es aus der Depression gibt.
Im Anschluss an die Geschichte gibt es noch einige Praxistipps der Diplom-Psychologin und Kinder- und Jugenlichenpsychotherapeutin Ina Knocks.
Sie erzählt zunächst etwas Allgemeines über Depression gibt dann aber auch Tipps,
"Wahrheit sagen"
"Keine Tabus"
"Sichere Bezugspersonen"
"Freundschaften pflegen"
und
"Hilfe suchen und annehmen"
Darüber hinaus findet man Adressen von Ansprechpartnern, die helfen können sowie einen Buchtipp.
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Ich habe dieses Buch viele Male in der Praxis eingesetzt bevor ich es hier vorgestellt habe.
Mir war es wichtig genau zu sehen, wie es auf die Kinder wirkt, wie sie es annehmen und verarbeiten.
Diese Eindrücke werde ich später noch erwähnen.
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Nun erst einmal zur
Geschichte
Das Cover ist vielleicht etwas ungewöhnlich. Ein Monster das die Mutter "gefangen" hält, davor der kleine Jan mit einer Blume für die geliebte Mama.
Es spiegelt genau das wieder was Depression ausmacht. Jemand der gefangen ist, hilflos sich der Situation ergibt und jemand der sich bemüht zu helfen.
Das Bild macht keine Angst.
Der kleine Jan mit der Blume ist zwar viel kleiner als das schwarze Monster doch seine Ausstrahlung wirkt viel größer und visualisiert hiermit eine hoffnungsvolle Stimmung. Ohne ihn würde das Bild ängstigen oder deprimieren.
"Wie ein mutiger Ritter, der gegen das Monster kämpfen will" sagte der kleine Robbin, ohne zu wissen was in dem Buch noch zu sehen ist.
Genau diese Assoziation scheint gewollt denn öffnet man das Buch sehen wir schwarze und graue Monster im unteren Bereich und oben, quasi in der Luft ein Pferd mit einem Ritter und hinten sitzt die Mutter. Der Ritter hat die Mutter befreit.
Jan ist fünf Jahre alt und führt ein ganz normales Leben. Vater, Mutter, Kind und Freunde. Doch dann wird alles anders, denn Jans Mama wird immer seltsamer. Sie sieht immer traurig aus, schläft viel und es scheint, als hätte sie gar kein Interesse mehr an etwas.
Wenn Jan Besuch  zum spielen bekommt  stört sie das. Schickt die Freunde weg oder schimpft. Eine Gute Nacht Geschichte gibt es schon länger nicht mehr.
Jans Stimmung schwankt zwischen, Traurigkeit, Wut und Enttäuschung.
Jan überlegt ob die Mutter ihn vielleicht nicht mehr lieb hat. Überlegt was er angestellt hat, aber so richtig fällt ihm nichts ein.
Als sich die Oma zum Besuch anmeldet und die Mutter beginnt aufzuräumen kommt es zu einer besonderen Situation im Buch. Sie ist mit dem Aufräumen absolut überfordert, schimpft und "rastet aus". Der Vater versucht sie zu beruhigen und Jan überlegt wie er sich besser verhalten könnte.
An einem anderen Tag vergisst sie  den Schokoladenkuchen für den Kindergarten zu backen.
Sie entschuldigt sich bei Jan, nimmt ihn sogar in den Arm doch so richtig gut kann Jan das nicht finden.
Als dann in einer weiteren Situation ein Streit  zwischen Vater und Mutter ausbricht, und der Vater daraufhin das Haus verlässt ist Jan sehr verängstigt.
Nun ist Jan mit seiner Mutter allein. Sofort kommen Bilder in ihm hoch, Berichte von anderen Kindern deren Eltern getrennt sind. Um so froher ist er, als der Vater wieder zurück kehrt.
Der Beginn einer Wende, denn es wird auch der Mutter klar, dass sie Hilfe braucht.
Jan bekommt ein Gespräch mit, in dem der Vater zur Mutter sagt, sie soll zum "Ritter" gehen. Was ein Ritter mit Mama zu tun hat ist Jan völlig unklar, doch es klärt sich auf. Herr Ritter ist ein Psychotherapeut
Herr Ritter kümmert sich von nun an um die Mutter und irgendwann darf auch Jan mit. Herr Ritter ist ein älterer, sehr empathischer Mann, der für die Seele zuständig ist.
Er erklärt Jan, dass die Mutter krank ist. Die Seele ein Loch hat und sich Grummelgrame in die Seele eingeschlichen haben.

Grummelgrame nisten sich ein und erzählen die ganze Zeit böse Sachen. Das man z.B. dumm ist, oder dick, oder hässlich, oder zu nichts nutze. Wenn man das immer hört ,hört man irgendwann die schönen Dinge nicht mehr, wird immer trauriger, glaubt an das was die Grummelgrams erzählen und will nur noch schlafen. Traurigkeit macht schwer und müde. Manchmal so müde, dass man gar nicht mehr mitbekommt was um einen rum passiert. Man will einfach nur noch seine Ruhe haben.
Das versteht Jan. Wer möchte schon ständig beschimpft werden.
Aber Herr Ritter weiß noch mehr. Die Grummelgrams sind nicht nur sehr gemein, sie haben auch Brillen, die sie den Menschen aufsetzten und dadurch sieht alles ganz grau und hässlich aus. Wie schön und bunt die Welt ist sieht man einfach nicht mehr, dabei machen doch gerade die bunten Farben das Leben so fröhlich.
Und wenn man dann nur noch alles grau und hässlich sieht, selbst immer traurig ist und müde dann nennt man das Depression.
Eine schlimme Krankheit, die man aber heilen kann. Man muss versuchen die Grummelgrams wieder aus dem Körper aus der Seele zu schmeißen.
Herr Ritter weiß auch schon wie es gehen könnte.
Ein Zauberspruch kann hilfreich sein. Davon gehen die Grummels zwar nicht sofort weg, aber Stück für Stück werden es weniger.
Jan ist alt genug zu wissen, dass Zaubersprüche nur Phantasie sind und es so etwas nicht wirklich gibt. Doch Herr Ritter macht es vor.
Er fragt:" Was können Sie besser als alle anderen?"
Die Mutter weiß keine Antwort, doch als Jan hilfreich einspringt und sagt :"Schokoladenkuchen", da fällt es ihr wieder ein und sie fängt an zu lächeln.
Und jedes Mal wenn die Mutter lächelt sprüht sie damit bunte Farbe auf die Grummelgrams, die Farben überhaupt nicht mögen und Reißaus nehmen.
Herr Ritter wird noch eine ganze Weile helfen die Grummelgrams zu vertreiben doch Jan erkennt das sie auf einem guten Weg ist.
Als sie draußen im Park sind geht es der Mutter sogar so gut, dass sie Jan auf ein Eis einlädt. Ja mehr noch, sie nimmt ihn auf den Arm und sagt ihm wie lieb sie ihn hat, und zwar immer, auch wenn sie krank und traurig ist.
Das kann Jan verstehen.
Zuhause hat er eine wunderbare Idee.
Der malt lauter schöne Dinge auf Bilder. Bilder mit Blumen, mit der Familie, im Urlaub u.s.w.
Der Vater findet die Idee so toll, dass er sie überall in der Wohnung hin hängt. Viele, viele bunte Bilder, die Mama zum Lachen bringen und so die Grummelgrams bestimmt bald ganz vertreiben.
Mit jedem Lächeln einer weniger.
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Ein Buch ohne Happy End aber mit einer äußerst positiven Prognose .
Genau das ist wichtig, denn Depression auf anhieb zu heilen gelingt nicht.
Es macht überhaupt keinen Sinn Kindern dies vorzugaukeln.
Die Geschichte zeigt deutlich, dass es einen Weg aus der Depression gibt, dieser aber lang ist und auch, dass man dem Kranken immer wieder hilfreich zur Seite stehen muss.
Das es Geduld, Verständnis und Mut auf beiden Seiten erfordert.
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Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist gerade kleinen Kindern zu erklären, wieso sich ein Elternteil so komisch verhält. Kinder lieben Harmonie und Rituale. Sie sind auf die Stärke der Eltern angewiesen um sich selbst gut entwickeln zu können. Sie haben gleichzeitig eine unglaublich sensibel Antenne dafür, wenn es den Eltern schlecht geht. Dann suchen sie nach den Gründen bei sich selbst, erinnern sich womöglich an Situationen, in denen sie vielleicht nicht so nett waren, sehen dies als Auslöser für das ungewohnte, oft auch ablehnende und desinteressierte Verhalten des Elternteils.
Häufig entwickelt sich aus der Depression eines Elternteils eine Kettenreaktion, die in einem Teufelskreis  endet.
Der Ehepartner bemüht sich vermehrt um den Partner, wenn es glücklich läuft auch um das Kind. Das ist dann so belastend für den "auffangenden" Elternteil, dass es zu einer Überforderung kommt und nicht selten zur Trennung.
Dann gibt es wiederum die Fälle, in denen sich die Aufmerksamkeit des Ehepartners auf den anderen verstärkt und das Kind außen vor steht.
Beides ist gleichermaßen schlimm und hat immer weitreichende Folgen.
Nur mit rechtzeitiger, geschulter , professioneller Hilfe ist es möglich diesen Teufelskreis erst gar nicht entstehen zu lassen bzw. zu durchbrechen.
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Besonders schön finde ich in dieser Geschichte die Einbindung des Psychotherapeuten, der sich zwar in erster Linie der Mutter widmet aber den Sohn mit einbezieht.
Gerade diese Einbindung ist wichtig für die Kinder.
Ihnen das Gefühl zu geben wichtig zu sein, helfen zu können und nicht schuld zu sein, stärkt .
Leider machen dies nicht alle Therapeuten.
Wenn der Therapeut nicht mit einbindet  sollte man unbedingt einen Kinder-und Jugendpsychotherapeuten oder eine Einrichtung der Erziehungshilfe zu Rate ziehen. Die haben häufig sogar Kindergruppen in denen sich Kinder mit an Depression erkrankten Eltern treffen und austauschen können.
Einen Therapeuten zu finden ist schon schwierig genug. Daher empfehle ich immer in erster Linie darauf zu achten, dass der Patient mit dem Therapeuten gut klar kommt. Das ist zunächst einmal das Wichtigste.
Bezieht er die Familie mit ein ist dies ideal. Macht er es nicht von allein kann man zunächst nachfragen. Sollte es dann nicht so sein bekommt man gerade für Kinder von unterschiedlichen Seiten, die auch im Anhang erwähnt werden, Hilfestellungen. Wichtig ist aber für den "nicht" betroffenen Elternteil, sich selbst nicht zu vergessen. Man kann immer soviel, Liebe, Hilfe und Kraft geben, wie man selbst bekommt. Es muss nicht immer professionelle Hilfe sein. Gute Freunde, Familie, Geistliche oder auch Selbsthilfegruppen, sowie online Hilfe von verschiedenen Einrichtungen können einem durch die schwere Zeit führen und hilfreich zur Seite stehen.
Dem Kranken hilft es nicht wenn der "Helfer" sich überfordert.
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Die Grummelgrams sind eine sehr gute Art Kindern das Thema Depression anschaulich zu machen. Durch die Visualisierung im Bild wird es noch leichter zu begreifen.
In Kindergeschichten möchte man in der Regel das Kinder noch eigene Phantasien entwickeln können. Hier ist es einmal etwas anders. Hier illustriert man etwas, liebevoll und anschaulich damit man sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild machen kann. So ist es nicht mehr etwas fiktives sondern durchaus reales.
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Fazit:
Ein absolut gelungenes Buch, sowohl im Text als auch im Bild.
Einfühlsam, authentisch und anschaulich.
Es bleibt zu wünschen, dass möglichst viele Kindergärten, Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dieses Buch entdecken.
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Was unsere Lesekinder sagten:

" Grummelgrams hat doch jeder Mal. Ich bin auch mal traurig und dann fühl ich mich so schwer. Wenn Mama mich dann kitzelt oder Papa mit mir Fußball spielen geht ist alles wider gut."
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"Ich kenn das, als ich in der Schule immer geärgert wurde wollte ich auch nicht mehr zur Schule war immer traurig. Dann wollte ich morgens gar nicht mehr aufstehen. Es hat sich angefühlt wie Grippe. Wenn Mama dann gesagt hat ich darf zuhause bleiben ging es mir wieder gut und wenn dann einer gefragt hat wieso ich nicht in der Schule war ging es mir wieder schlecht. Dann bin ich in den Ferien gar nicht mehr raus gegangen um keinen zu begegnen. Aber dann kam ein Freund und hat mit mir im Haus gespielt. Am nächsten Tag hat er noch zwei Freunde mitgebracht und irgendwann habe ich gemerkt das die mich ja mögen und das es dann auch egal ist was andere denken. Und dann ging es mir besser. Vielleicht waren das bei mir ja ganz kleine Grummelgrams die ohne meine Freunde größer geworden wären."
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Diese und viele ähnliche Äußerungen gab es von unseren Lesekindern.
Man hat gemerkt, jeder hatte entweder von sich selbst oder von Familienmitgliedern Erfahrungen mit der Thematik. Sie waren froh jetzt einen Namen, einen "Schuldigen" zu erkennen.
Depression ist nur ein Wort.
Ein Grummelgram ist schon vom Wort irgendwie kindgemäßer, verständlicher.
Zu wissen wie sie aussehen und was sie machen, nimmt viel Angst.
Angst vor dem Unbekannten, Nichtssagendem. Einfach ein  Wort, das Kinder nicht einordnen können.
Die Antwort ist das Grummelgram.
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Die Grummelgrams, die hässliche Worte sagen, einen niederdrücken und einem Brillen aufsetzten, die die Welt grau und hässlich erscheinen lassen, die sich mit Liebe und Lächeln, mit glücklich sein und Zuversicht, mit Farbe im Leben ,die die Freude bringt vertreiben lassen.