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Die lange Weile

Bildquelle: Tulipan Verlag
Die lange Weile
von Bettina Obrecht
illustriert von Julie Völk
32 Seiten
1. Aufl. Juli 2024
ISBN 978-3-86429-615-4
Tulipan Verlag
16,00

Auf euch wartet eine überraschende, fantasievolle und beeindruckende
philosophische Geschichte über die
 "lange Weile"
und wie sie ganz kurz wurde
für Kinder ab 4 Jahren
Wer kennt sie nicht, die lange Weile.
Doch mit diesem außergewöhnlichen Bilderbuch bekommt sie nicht nur ein Gesicht, sondern lässt uns auch nachdenklich werden. Ich bin mir sicher, dass jeder klein wie groß die "lange Weile" nach dieser Geschichte in einem ganz anderen Licht betrachtet.
Emil hat keine Lust auf nichts. Auf gar nichts.
Obwohl sein Zimmer voller toller Spielsachen ist und er auch viele Bücher hat, in dessen Welten er eintauchen könnte, sitzt er auf seinem Bett und wartet darauf, das etwas passiert.
Doch es passiert nichts.
Gar nichts, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Emil sich auch gar nicht vorstellen kann, das etwas passieren könnte.
Es gibt solche Momente, sicher kennst du sie auch.
Doch dann klopfte plötzlich etwas an sein Fenster. Ein Etwas mit einer sehr spitzen Nase. Emil öffnet das Fenster ein Stück und das Etwas mit der spitzen Nase schlängelt sich hindurch. 
Und damit ist Emils lange Weile, die er unbewusst gespürt hat, im Grunde auch schon vorbei, nur das bemerkt er gar nicht.
Das Wesen mit der spitzen Nase stellt sich als "Weile" vor. "Ich bin die Weile"....... "ich bin die sehr lange Weile" (Zitat) sagt das seeeeehr lange Wesen mit der spitzen Nase und schlängelt sich durch Emils Zimmer, um sich kurz darauf niederzulassen. 
Emil fragt: "Bist du gekommen, weil du mit mir spielen willst?"(Zitat)
Doch zu Emils Überraschung will die sehr lange Weile nicht mit ihm spielen. Sie will ihm auch nicht vorlesen oder eine Geschichte erzählen. Wie auch. Sie kann weder lesen noch kennt sie eine Geschichte. Emil versteht die Weile überhaupt nicht. Gut, dass sie nicht lesen kann und keine Geschichte kennt, dass vielleicht noch, doch das die Weile sich auch keine Geschichte ausdenken kann, versteht Emil nicht.
"Das ist einfach", erklärt Emil und beginnt zu erklären, wie man das macht. Er holt sein Plüschkrokodil und eine Puppe und...
Ihr ahnt es wohl schon, Emils "Vormachen", wie man eine Geschichte erfindet und erzählt wird zu einer fantasievollen, kreativen Aktivität, die ein immer größeres und lebendigeres Ausmaß annimmt. Da entsteht aus Kissen und Kisten ein Schloss, "die Hunde und Tiger dürfen auch einziehen..."(Zitat)  und mit jedem Moment, in dem Emil mehr in seine Fantasiewelt eintaucht und sie weiterbaut, wird die lange Weile mit der spitzen Nase und der schlechten Laune kleiner, bis sie sich recht ungehalten verabschiedet und auf gleichem Weg, wie sie gekommen ist, auch wieder verschwindet, was Emil allerdings nur beiläufig zur Kenntnis nimmt, denn er ist viel zu beschäftigt, um dem seltsamen Wesen weitere Beachtung zu schenken.
Je fantasievoller Emils Spiel wird, je kleiner wird die lange Weile, was ihr natürlich gar nicht gefällt. Sie möchte, dass Emil keinen Spaß hat. Sie versteckt sich sogar unter dem Bett, doch das alles hilft nicht. Emil ist so in sein Spiel vertieft, dass er nur nebenbei zu Kenntnis nimmt, dass die lange Weile sich aus dem Staub macht.

Bettina Obrecht hat es auf ganz wundervolle Weise geschafft eine fantasievolle, herrlich unaufgeregte, aufregende Geschichte über ein Gefühl zu erzählen, dass jeder irgendwie kennt.
Wir alle können nachfühlen, wie Emil sich zu Beginn fühlt. Umso spannender und auch amüsanter ist es dann zu beobachten, wie Emil sich mit diesem seltsamen Wesen der langen Weile auseinandersetzt, die mehr als unsympathisch herüberkommt. Sie hat zu nichts Lust, lässt sich zu nichts bewegen und ist recht ungehalten über Emils immer größer werdende fantasievolle Aktivitätslust.
Es ist so grandios, wie Bettina Obrecht dieses Gefühl "lange Weile" quasi personifiziert und zu einer Figur macht, die Julie Völk in ihren Bildern sichtbar, lebendig und "real" werden lässt. 
Wir kennen die Funktionsweise Gefühle in Bilderbüchern als Figuren erscheinen lassen zum Beispiel von Geschichten über Wut und Traurigkeit. Je intensiver das Gefühl, je größer ist das Wesen und mit abnehmenden Gefühl wird auch das Wesen kleiner und verschwindet mit unter irgendwann ganz wie hier die lange Weile.
Kindern zeigt die Geschichte, dass es okay ist, so zu fühlen, dass man sich davon aber nicht einschüchtern lassen sollte und der Weg aus dem dummen Gefühl manchmal ganz unbewusst, manchmal bewusst wieder verschwindet. 
Es ist sehr amüsant zu beobachten, wie Emil die Lustlosigkeit der langen Weile echauffiert und wie er versucht, die lange Weile zum "Spielen" zu bewegen und dabei gar nicht bemerkt, dass sein lange Weile Gefühl verschwindet.
Auf euch wartet ein "echt cooles Buch"(O-Ton eines 6-Jähigen).
Dem schließe ich mich hier einfach mal an.
Es ist ein absoluter Lesespaß.

Keine Lust auf nichts? Kennst du das Gefühl?
Hast du einen Namen für diesen Zustand?
Meine Tante sagte dazu "lurig" und ich weiß noch ziemlich genau, wie ich dieses Gefühl das erste Mal intensiv und bewusst gespürt habe. Ich hatte keine Lust auf nichts, wusste nichts mit mir anzufangen und saß einfach nur draußen auf meiner Lieblingsbank und starrte Löcher in die Luft.
Ich ging sogar noch weiter und antwortete auf die Frage meiner Tante, was ich denken würde mit "nichts" und sie sagte: "Man kann nicht nichts denken. Selbst wenn du glaubst, du denkst nichts, denkst du, ohne es zu bemerken."  Und ohne es zu bemerken, fing ich an, darüber nachzudenken. Die Gedanken wurden immer präsenter und intensiver und das "lurige" Gefühl verschwand.
Eigentlich ist das nicht viel anders wie bei Emil.
Sammelt doch mal Situationen, in denen ihr ähnlich wie Emil gefühlt habt und sprecht darüber. Ihr werdet erstaunt sein, welche AHA Erlebnisse es geben wird, denn meist ist man sich gar nicht bewusst, wie es dazu kam, dass man aus dem Zustand wieder hinausgekommen ist. Durch das Erzählen und bewusste Erinnern entdeckt man viel.
Viel Spaß!

Mehr zum Buch erfährst du auch auf der Seite des Verlags. Der Link führt hin.