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Jessi, die Raubhäsin

Bildquelle: Coppenrath Verlag
Jessi, die Raubhäsin
von Kai Lüftner
illustriert von Wiebke Rauers
40 Seiten
1. Aufl. 01. Juli 2023
ISBN: 978-3649643357
Coppenrath Verlag
15,00€
Auf euch wartet ein absolut 
fantastisches, sehr starkes Bilderbuch, 
voller Kraft, verborgener Wildheit, Anderssein, (nicht-)Freundschaft und ganz viel mehr
supertoll, frech, selbstbewusst und mitreißend gereimt
ein mutiges Bilderbuch, jenseits des Mainstreams
Für alle ich Bilder und Reime lieben ab 3 Jahren
Vorab
Sicher werden einige beim Anblick des Covers denken:
"Das ist doch nichts für die Kleine!"
Ist es doch!
Wieso erfahrt ihr später.

Also lest bitte erst die Buchvorstellung und denkt daran, was Kinder begeistert ist manchmal nicht das, was Erwachsene begeistert. Und auch wenn Kail Lüftner und Wiebke Rauers ganz gewiss keine Altersgrenze (nach oben) im Kopf hatten, sie erzählen für Kinder. Sie gehen einen Weg, der noch nicht so viel bespielt wird, doch Kinder lieben Jessi die Raubhäsin, weil sie genau so ist wie sie ist. Frech und wild auf den ersten Blick, doch das ist eben nur die halbe Wahrheit.
Kai Lüftner ist ein Meister des Reimens, ein Meister der Poesie.
Wer den gebürtigen Berliner, (der nach Bornholm ausgewandert ist um sich dort auch in vielen naturverbundenen Dingen, wie Permakultur etc. zu üben) kennt, der weiß um seinen typischen Berliner Akzent, der nicht sofort darauf schließen lässt, dass er so genial mit Wörtern, mit Sprache jonglieren und spielen kann. Wer seine Musik und seine Bilderbuchgeschichten kennt, der ahnt, es wird auch dieses Mal absolut grandios. Im Gegensatz zu seinen anderen Bilderbüchern, konnte er sich hier sprachlich noch viel mehr austoben, denn der Coppenrath Verlag hat sich darauf eingelassen, ihn eine Bilderbuchgeschichte erzählen zu lassen, die textlastiger ist. Aber keine Sorge es geht nicht zu Lasten der Bilder, die sind wie immer im Übermaß vorhanden.

Ihr erlebt ein Feuerwerk an Reimen, die euch durch die Geschichte führen und dabei sowohl Spannung als auch Abenteuer und Schmunzelmomente erleben lassen, denn Jessi Raubhäsin ist anders, als alles, was man sonst in Bilderbüchern erleben kann, was natürlich auch in den Bildern zum Ausdruck kommt. Wiebke Rauers hat sich hier wieder einmal selbst übertroffen. Ihre Charaktere sind ja immer besonders, doch mit Jessi ist es noch einmal anders. Schon das Cover zeigt es.
Jessi Raubhäsin ist eigenwillig, mutig, frech, unerschrocken, eine bewusste Einzelgängerin, irgendwie eine Art Robin Hood, eine Häsin, die nicht geliebt werden will (oder vielleicht doch?)
Doch bevor wir Jessi Raubhäsin und ihr abenteuerliches, spannendes Leben ein wenig begleiten dürfen, lernen wir sie zu Beginn erst einmal etwas anders kennen.

Jessi Raubhäsin ist ein knuffiges, kleines Hasenbaby.
So richtig niedlich und zum Knuddeln.
Einsam sitzt sie in ihrem Käfig, kennt nichts und niemand anderes und sie fragt sich, was es noch da draußen gibt und eigentlich fragt sie sich auch, wer da draußen wohl auf sie warten könnte.
Es hat den Anschein, als suche sie nach Freunden, doch was wir dann erleben, ist alles andere als Kontaktsuche.
Wir schlagen die Seite um und sehen einen Hasen, der gar nichts mehr von dem süßen kleinen Häschen hat. Ist das Jessi? Was ist passiert?
Das, was wir da sehen, ist ein grimmig dreinschauendes, zerzaustes Wesen. "Zum Fürchten schööööön!, sagen viele Kinder und schmunzeln mehr über Jessis Abbild, als dass sie Angst haben.
Was in der Zeit zwischen Baby und "Jetzt" passiert ist wissen und erfahren wir nicht.
Es heißt schlicht "Schnitt-"
und dann ist es so wie es ist.
Jessi ist älter geworden.

"Schnitt- was knackst da in den Büschen? ........
.... könnte das da Jessi sein?
Ohr geknickt, ein Zahn gebrochen,
wild geworden.......
.....ungekämmter Pelz.
Niemand mag's, Jessi gefällt's
"
(Zitatauszug)

"SCHNITT" Kai Lüftner hat hier ein Absolut perfektes Stilmittel für diese Geschichte gewählt, in der es schließlich nicht um ein Hasenbaby geht, sondern um Jessi, die Raubhäsin im Hier und Jetzt. Und im Hier und Jetzt ist sie zum Fürchten. Alle haben vor ihre Angst. Das alle Angst vor ihr haben gefällt ihr. Niemand soll ihr zu nahekommen, niemand wird sie in Gefahr bringen.
Doch das ist noch längst nicht alles.
Jessi hilft jedem, der Hilfe braucht.
Sie rettet und freut sich, Angreifer in die Flucht zu schlagen.
So pflegt sie ihr Image, der gefährlichen Raubhäsin, die ihre Jäger jagt und dabei ist es völlig egal ob es ein tierischer oder menschlicher Jäger ist.
"Ich bin heute, ich bin hier,
niemals wieder Beutetier......
" (Zitat)
Die Worte lassen tief blicken.
Ein Hase in freier Wildbahn ist Feinden ausgesetzt, klar, dass Jessi nicht gejagt werden will, klar auch, dass es so sein würde, hätte sie sich durch ihren Mut und ihre Entschlossenheit nicht zur Wehr gesetzt und so ihr Image der Raubhäsin aufgebaut.

Alle fürchten Jessi. Doch Jessi gibt sich nicht damit zufrieden, dass alle Angst vor ihr haben und ihr lieber aus dem Weg gehen, anstatt sie anzugreifen. Sie hilft auch anderen Tieren, die in Gefahr sind. So überleben ein Eichelhäher dank Jessis beherztem Eingriff den Angriff eines Fuchses, Eine Maus einer Eule und ein Meerschwein einer Schlange. Ja und mit der Rettung des Meerschweins beginnt dann auch der absolut lustigste Teil der Geschichte, der gleichzeitig eine Wendung in ihrem Leben bringt, doch zu viel werde ich davon nicht verraten, es gibt Dinge, die muss man selbst erleben.
Nur so viel das Meerschwein ist so glücklich über die Rettung und vor allem die Bekanntschaft mit Jessi gemacht zu haben, dass es sich kurzerhand in Wehr-Schwein umbenennt, um sich Jessi anzuschließen. Künftig will das Wehr-Schwein wie Jessi Schwachen helfen. Jessi Raubhäsin ist das allerdings absolut zu wieder. Sie will nichts und niemandem um sich haben. Sie will als einsame, gefürchtete Raubhäsin ihr Leben fristen. Nur da hat sie die Rechnung ohne ihren größten Fan gemacht. Das Wehr-Schwein ist sehr penetrant und aufdringlich. Selbst als Jessi das Wehr-Schwein mit fürchterlich grimmiger Miene, wütend anschreit und auffordert zu verschwinden, stört das, das Wehr-Schwein nicht. Wenn ihr nun an ein Happy End denkt, liegt ihr nicht ganz so falsch, doch bis es so weit ist, passiert noch ganz viel, sehr erstaunliches, sehr viel Gefährliches.
Jessi Raubhäsin und das Wehr-Schwein sind zwei absolut geniale Bilderbuchfiguren, die Kinder in jeder Hinsicht begeistern. Mutig, frech und wild wie Jessi möchten auch sie gerne sein. Und das kleine Meerschwein, dass zum Wehr-Schwein wird und nicht müde wird Jessis Freundschaft zu gewinnen ist hier der perfekte Gegenpart. Die großen "niedlichen" Kulleraugen, die so typisch für Wiebke Raues Figuren sind, verwandeln sich auch beim Wehr-Schwein dann und wann. Sie können durchaus grimmig dreinschauen, genau wie Jessis fürchterlichen Gesichtsausdrücke, die durchaus weichen können. Und so sehen wir sie am Ende sogar lachen.
Wiebke Rauers schafft es immer wieder mit ihrem besonderen Illustrationsstil Mimik und Gestik so sprechen zu lassen, dass es keiner weiteren Wörter mehr bedarf . Sie lassen uns schmunzeln, fangen aber auch fantastisch die Gefühle ein und lassen den Leser mitfühlen.

Was ist nun besser.

Gefürchtet und einsam oder glücklich gemeinsam?
Oder gibt es etwas dazwischen?
Was auch immer es sein wird, ihr werdet es erleben, wenn ihr in diese spannende, charaktervolle, ausdrucksstarke Geschichte, voller Energie, Dynamik eintaucht und Jessi Raubhäsin begleitet.
Kai Lüftners Reime ziehen euch mit ihrer Dynamik und Intensität so genial durch die Handlung, dass man sich bei jedem Umblättern gern auf etwas Neues, unerwartetes einlässt.
Auch die fantastische Symbiose von Bild und Text spielt bei allem eine ganz entscheidende Rolle.
Das Kai Lüftner und Wiebke ein kongeniales Dreamteam im Geschichten erzählen sind wissen wir ja bereits von anderen Bilderbuchgeschichten, doch hier haben sich beide in jeder Hinsicht selbst übertroffen.
Auf emotionaler Ebene werden hier sehr viele verschiedene Aspekte angesprochen und beleuchtet.
Ich finde, eine Geschichte muss nicht immer pädagogische Botschaften haben. Man kann ein Bilderbuch doch einfach um der Geschichte Willen lieben dürfen. Man muss nicht ständig schauen, was gibt es für Botschaften, was will die Geschichte sagen.
Bei diesem Bilderbuch bin ich mir ziemlich sicher, dass es Kai Lüftner und Wiebke Rauers in erster Linie darum ging, eine tolle Geschichte zu erzählen, die Kinder mitnimmt und begeistert.
Und dennoch gibt es hier wirklich viel, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen. Das Thema Einsamkeit, was Einsamkeit mit einem macht und wie schwer es ist aus dieser Einsamkeit wieder herauszukommen und Nähe zuzulassen ist dabei wohl der intensivste und wichtigste Punkt.
Jessi war ausgezogen, um Freunde zu finden, ist dann durch das Leben und die schlechten Erfahrungen, die sie gemacht hat zu einem Wesen geworden, dass sich nichts, aber auch wirklich gar nichts gefallen lässt. Sie ist sich selbst genug. So kann sie auch nicht verletzt werden.
Das alle sie fürchten macht sie einsam und scheinbar glücklich. Sie kennt es ja auch gar nicht anders.
Erst durch das Wehr-Schwein, dass sich ihr regelrecht aufdrängt und sich nicht abweisen lässt, dass mit ihr auf die Nerven geht, dass immer wieder und wieder da ist, lernt Jessi, dass es noch etwas anderes gibt. Das es etwas gibt, das schön ist ganz ohne Gefahr.
Vertrauen aufbauen ist nicht leicht, erst recht nicht nach schlechten Erfahrungen.
Was Jessi für Erfahrungen, insbesondere schlechte Erfahrungen zwischen dem Abhauen aus dem Käfig und unserem Kennenlernen der Raubhäsin passiert ist wissen wir nicht.
Auch das ist besonders an dieser genialen Geschichte.
Kai Lüftner lässt seinen Leser*innen gaaaanz viel Raum für eigene Geschichten, eigene Fantasien, die beim ersten Lesen der Geschichte erst einmal in den Hintergrund treten, denn da sind wir im Hier und Jetzt des ersten Vorlesens, des ersten Kontaktes mit der Geschichte, die so spannend ist, dass wir sie einfach aufsaugen möchten.
Doch nach der Geschichte ist dann vor der Geschichte, denn nach der Geschichte wird uns erst so richtig bewusst, dass zu Beginn etwas fehlte. Dass wir nicht wissen, was Jessi zur Raubhäsin werden ließ.

Jüngere Kinder ab 3 Jahren werden noch nicht so viel darüber nachdenken, doch etwas Älteren fällt es auf und sie beginnen geprägt um Handlungsverlauf, den sie kennen, eigene Geschichten für diese "fehlende" Zeit zu kreieren. Ihre Fantasie läuft auf Volldampf und auch das könnten wir pädagogisch nutzen.
Kinder Geschichten erzählen lassen = Sprachförderung
Kinder Geschichten erzählen lassen = Förderung der bewussten Wahrnehmung
Kinder Geschichten erzählen lassen = fördert diverse Denkprozesse
Wir können Kinder auch anregen ihre Geschichte in Bildern zu erzählen. Wir können Grundschulkinder anleiten ihre eigene Geschichte in Wort und Bild zu gestalten.
Wir können mit ihnen über das Reimen, die Dynamik und Ausdrucksstärke von Reimen sprechen.
Wir können.......
Wir können so viel, aber müssen wird das auch?

Ich finde es ist toll eine so inspirierende Geschichte mit Kindern erleben zu dürfen.
Ich finde aber auch, eine Geschichte darf einfach eine Geschichte sein.
Unterhaltsam, spannend, mitreißend, witzig, einfach um sich in einer Geschichte zu verlieren und rauszugehen und zu sagen, "...das war aber eine tolle Geschichte!" Und genau das ist es eine geniale, supertolle Geschichte. Lesespaß pur!
Wir haben Jessi so sehr ins Herz geschlossen, dass wir ganz doll hoffen, Jessi und Wehr-Schwein noch etwas weiter begleiten zu dürfen.

Hier noch die 
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