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Franz-Ferdinand will tanzen



Bildquelle: NordSüd Verlag
Franz-Ferdinand will tanzen
von Marcus Pfister
32 Seiten
1. Aufl. 24.September 2021
ISBN: 978-3-314-10575-3
NordSüd Verlag
15,00€
Eine amüsante, beeindruckende Geschichte mit deutlich erkennbarer Ironie und viel Witz
 über Selbstbewusstsein, Mut, 
über sich hinaus Wachsen,
über Toleranz und Intoleranz, 
über Körpergefühl
und vor allem über den Müll in unseren Weltmeeren
für Kinder ab 4 Jahren
Es ist schon unglaublich, was eine einzige Geschichte für enorm wichtige Themen aufgreift und dabei auch noch sehr witzig erzählt. Marcus Pfisters Geschichten z.B. vom "Regenbogenfisch" kennt jeder. Lange war es um einen der bekanntesten schweizer Bilderbuchkünstler ruhiger gewesen. Jetzt ist er mit einem sehr beeindruckendem Buch zurück, von dem ich mir wünschen würde, das es viel Beachtung findet. Es ist eine dieser Geschichten, die für Kinder geschrieben sind und Erwachsene genauso ( ja, vielleicht zuweilen sogar noch mehr) berührt.
Marcus Pfister, erzählt die Geschichte von Walross Franz-Ferdinand, der bereits 42 Jahre alt ist und stolze eintausendzweihundert Kilogramm auf die Waage bringt als sich völlig unerwartet verändert. Franz-Ferdinand lebt an der Ostküste Grönlands, einem Teil der Welt, wo es stets kalt ist und sich rings um diesen Flecken Erde nur Wasser befindet. Und auch wenn wir dort Wale, Walrösser und Seehunde vermuten, hat sich genau hier hin, in der Geschichte, eine Gruppe Flamingos verirrt, die normalerweise um diese Jahreszeit in Afrika ihr Zuhause gefunden hätten. Wieso es die Flamingos ausgerechnet in diese kalte Gegend verschlagen hat, darüber spekuliert der Erzähler und führt gleich einmal das Wort "Klimawandel" mit ein. Es sind nicht irgendwelche Flamingos, die sich in Ostgrönland niedergelassen haben, es ist die berühmte Flamingo-Ballettschule unter der Leitung von Madame Flamängo, die hier, bedingt durch die eisigen Klimaverhältnisse, einen ganz neuen Tanzstil geprägt hat, denn lange dürfen die kleinen Füße nicht auf der frostigen Tanzfläche verweilen sonst würden sie anfrieren, und das wäre fatal. Franz-Ferdinand ist fasziniert von dem anmutigen Tanz und obwohl er ansonsten jede Form von Bewegung hasst, hat er große Freude daran, die Flamingos zu beobachten. Mehr noch, je länger er ihnen aus der Ferne zuschaut, je größer wird sein Wunsch es auch einmal mit dem Tanzen zu probieren. Zugegeben, ein sehr ungewöhnlicher Wunsch für ein so stattliches Walross, doch das stört Franz-Ferdinand dann irgendwann gar nicht mehr. Heimlich und gut versteckt vor den anderen Walrössern beginnt er zu üben. Sein größter Wunsch ist es von nun an, einmal mit den Flamingos zu tanzen, in ihre Schule gehen zu dürfen.
Und tatsächlich, nach hartem und fleißigem Üben traut er sich Madame Flamängo anzusprechen. Sehr höflich und wortgewandt trägt er sein Anliegen vor. Diese ist sehr verwundert, doch bewundert auch den Mut des behäbigen Koloss und lässt es auf einen Versuch ankommen, wenn Franz-Ferdinand sich bereit erklärt nicht nackt mitzutanzen.
So macht sich das Walross auf den Weg zum nächsten Plastikmüllteppich um sich nach etwas Geeignetem umzusehen. Und tatsächlich wird er recht schnell fündig. Während der Erzähler genauer auf den Abfall eingeht bastelt sich Franz-Ferdinand ganz kreativ aus etwas Müll ein Tutu und kehrt guter Dinge zur Probestunde in die Flamingoschule zurück. Man mag es kaum glauben, das harte, intensive, geheime Training hat sich gelohnt. Das Walross begeistert Madam Flamängo mit seinen Tanzkünsten. Die zierliche Ballettlehrerin ist sofort schockverliebt und so darf Franz-Ferdinand fortan am Unterricht  teilnehmen.
Das wiederum passt nicht allen, besonders einige Eltern der kleinen Flamingomädchen, störten sich an dem ungewöhnlichen, neuem Tanzschüler. So etwas konnten und wollten sie nicht akzeptieren. Und so haben wir in der Geschichte gleich ein neues Kapitel aufgeschlagen, das das heißt Intoleranz und Angst vor Fremden. Leider geht die Sache für Madame Flamängo und Franz-Ferdinand diesbezüglich nicht gut aus, denn sie müssen die Schule verlassen. Bewundernswert ist dabei die Haltung der Tanzlehrerin, die zu ihrem außergewöhnlichem Schüler steht. Der ein oder andere wird jetzt sagen, wo die Liebe hinfällt. Wie auch immer, Madame Flamängo ist arbeitslos, ihr Lebenswerk, ihre ganze Leidenschaft, ihre Arbeit ist in Frage gestellt, was sie sehr traurig macht. Doch das Walross hat eine Idee. Eine ungewöhnliche, ganz außergewöhnliche Idee. Er will eine Walross-Balettschule gründen. Doch ob das so einfach sein wird, seine Walross-Gemeinde davon zu überzeugen sich zu bewegen. Ihnen seine Leidenschaft fürs Tanzen auch zu vermitteln und zum Mitmachen zu bewegen, wo Tanzen doch an den Kräften zehrt und das ein oder andere Pfund Fett schmelzen lassen wird, wo Walrösser doch eigentlich so stolz auf ihre Kilos sind? Genug Müll um daraus Tutus für alle zu machen wäre ja vorhanden.
Die Antwort auf diese Frage gibt es im Buch. Nur soviel sei verraten. Madame Flamängo, die mit Vornamen Amèlie heißt und Franz-Ferdinand sind das schönste und außergewöhnlichste Paar, das man sich vorstellen kann, und das stört hier niemanden. Also doch, wo die Liebe hinfällt und da wäre doch schwubs noch etwas, was man thematisieren könnte. Ungleiche Paare, die zeigen das jeder, jeden lieben darf.
Was für eine herrliche Geschichte, die sich Marcus Pfister da für seine Leser ausgedacht hat. Und was für ein toller Erzählstil, mit dem er uns so ganz nebenbei, so unglaublich viel vermittelt und Gedankenanstöße liefert. Und erst die zauberhaften Illustrationen, die das Geschehen einfangen und die Geschichte so zum Leben erwecken! Diese wundervollen, sanften Blautöne in Kombination mit dem Grau der Walrosse und dem Lachston der Flamingos, einfach grandios.
Grandios wie das ganze Buch, das es schafft einen vom ersten Moment an in den Bann zu ziehen, um eine Geschichte zu erzählen, die einerseits auf die Umweltproblematik hinweist und andererseits noch so viel mehr zu bieten hat. Eine Geschichte von Mut, Selbstbewusstsein, einer ungewöhnlichen Liebe, von Intoleranz und Toleranz (denn die Walrösser sind da wesentlich offener, als die Flamingos), von einem Traum, der wahr wird, weil Franz-Ferdinand alles dafür tut, das sein Traum wahr werden kann, von einem männlichen Wesen im Tutu, und eben vom Plastikmüll der unsere Meere verschmutzt und letztendlich unser aller Leben schädigt.
Es ist eine Geschichte, die fasziniert, begeistert und zum Nachdenken anregt. Eine Geschichte, die jeder gelesen haben sollte, die schon jetzt unsere Herzen erobert hat und hoffentlich noch viele erobern wird!