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Omas Abschied

 

Bildquelle: Herder Verlag
Omas Abschied
von Klaus Engbring
illustriert von Yvonne Hoppe-Engbring
32 Seiten
1. Aufl. 2020
ISBN: 978-3-451-71578-5
Herder Verlag
15,00€

Auf euch wartet ein zauberhaftes Bilderbuch zum Thema 
Abschiednehmen, Tod und Erinnerungen
für Kinder ab 3 Jahren


Neulich bin ich von einer Leserin gefragt worden ob es oky ist, wenn sie ein Bilderbuch zum Thema Tod mit "Ach wie süß!" kommentiert. Und sofort viel mir dieses Bilderbuch ein, dass sich ebenfalls der Thematik widmet und bei dem ich beim Zuklappen genau das gedacht habe.
Ja, es ist oky ein Bilderbuch zum Thema Tod richtig schön zu finden. Es ist mehr als OKY. Es ist das Schönste und Beste wenn ein Buch so zu einem traurigen Thema so eine positive Wirkung auf einen hat. Der Tod selber ist vielleicht (je nach Situation) erst einmal traurig. Und es tut sicherlich auch weh jemanden zu vermissen, wenn man aber an den Abschied und die Toten mit einem Lächeln oder sogar bereiten Grinsen denkt dann ist genau das passiert, was wünschenswert ist. Dann hat man den Tod positiv in sein Leben gelassen und genau das ist es was man jedem nur wünschen kann, und das ist auch genau das, was wir Kindern vermitteln sollten. Der Tod gehört zum Leben dazu, wenn jemand nicht mehr unmittelbar bei uns ist, ist das ungewohnt und stimmt erst einmal traurig, aber der Tod ist nicht das Ende unserer Beziehung zu dem Menschen, der gegangen ist.
Klaus Engbring und Yvonne Hoppe-Engbring haben es geschafft eine Geschichte mit und über den Tod zu erzählen, die so wundervoll, ja sogar witzig ist, dass man sie gerne vorliest und die Kindern wirklich Freunde machen wird, auch wenn es um ein erst einmal trauriges Thema geht.
Sie erzählen in Wort und Bild gleich auf mehreren Ebenen vom Tod. Eigentlich sind es nicht sie die erzählen, sie lassen ihre kleine Protagonistin als Ich-Erzählerin erzählen und schaffen durch die  wundervolle Erzählweise der Kleinen eine so bezaubernde Grundstimmung, dass man gar nicht wirklich traurig werden kann.
Sie erzählt uns von ihrer Oma, die bis zum Schluss richtig fit war. Sie ist sich sicher, an Altersschwäche ist ihre Oma bestimmt nicht gestorben.
Sie hat ihre Ausflüge und Besuche mit dem Rad gemacht und sich an der Natur erfreut. Sie war geistig so fit, dass sie die schwierigsten Rätsel lösen konnte und wusste immer tolle Geschichten zu erzählen..
Manchmal hat sie mit offenen Augen geträumt. Die Kleine ist sich sicher, dass sie dann bestimmt an ihren Theo (ihren Mann) gedacht hat, der schon im Himmel ist. Was sie genau gedacht hat wissen wir nicht, doch was die Kleine für Vorstellungen von Opa Theos Leben im Himmel hat, das erfahren wir schon und das ist mehr als amüsant. Ich möchte hier gar nicht zu viel verraten, aber es ist wirklich zauberhaft was und wie sie davon erzählt. Und ja, es geht um den Abschied der Oma, aber der hängt in dieser Geschichte ganz unmittelbar mit den Erinnerungen an den Opa zusammen, denn das die Oma jetzt gegangen ist liegt daran, so stellt es sich die Kleine vor, dass der Opa so wundervolle Arbeit im Himmel macht, dass der liebe Gott ihn gefragt ob er nicht auch einmal etwas für Theo tun könne.
Und als Theo dann etwas traurig geguckt hat, hat der liebe Gott gewusst womit er Theo eine Freude machen kann. Er hat hat bei der Oma eine Tür aufgemacht. Jetzt könnte man meinen, das er das gemacht hat damit Theo zu seiner Frau blicken und sie wenigsten sehen könnte, dem ist aber nicht so. Die Oma wunderte sich von da an. Irgendwie zog es in ihrer Wohnung, doch so sehr sie auch guckte woher dies kam, sie konnte es nicht finden. Die Oma war nun öfter müde, saß mehr im Sessel und dann eines Tages hat sie die offene Tür entdeckt.
Ein Licht wies ihr den Weg. Das Mädchen erzählt ganz zauberhaft von der Neugier der Oma, die letztendlich siegte und sie veranlasst durch die Tür durch zu gehen anstatt die Tür vor ihr einfach zu schließen.
Zum Abschluss der Geschichte sehen wir die Kleine im Sessel sitzend ein Fotoalbum ansehen und auf dem Boden steht eine Kiste mit Fotos. 
Sie lächelt über das ganze Gesicht und schaut kurz etwas aus dem Fenster.
"Vermutlich guckt sie zum Himmel und stellt sich gerade vor wie ihre Oma und ihr Opa auf den Wolken tanzen", sagte ein Kind bei der Vorlesestunde.

Die so zauberhafte Geschichte regt an sie weiter zu spinnen. Sie regt an sie weiterzuerzählen und sie regt an selbst eine solche Geschichte zu erzählen nur mit den Menschen, an die man selbst gerade denkt.
Was meint ihr machen euere Verstorbenen gerade da oben im Himmel?
Das kleine Mädchen liefert mit ihrer Geschichte die perfekte Vorlage und stimmt uns Zuhörer so sehr versöhnlich mit dem Tod, der nun gar nicht mehr so endgültig zu sein scheint.

Die Oma und auch Opa Theo sind mit dem Heißluftballon in den Himmel aufgestiegen und leben nun wieder zusammen. Gibt es ein schöneres Ende?
Klaus Engbring hat einen ganz wundervollen Weg gefunden Kindern zu helfen sich mit dem Thema Tod auseinanderzusetzten. Mit seiner Geschichte hilft er Kindern beim Prozess des Abschiednehmens und gibt ihnen Hoffnung und Zuversicht. Gleichzeitig lässt er den Glauben mit einfließen in dem er seine Protagonistin vom lieben Gott erzählen lässt, trotzdem ist das Buch nicht in der religiösen Schiene verankert sondern  weltoffen mit dem Fokus auf die Erinnerungen und Vorstellungen der Kleinen. Die Erinnerungen ziehen sich durch die ganze Geschichte. Die Erinnerungen an die Oma genauso wie an den Opa und durch die leichte Erzählweise des Mädchens ist spürbar, dass es schöne Erinnerungen sind, das es Spaß macht sich zu erinnern. Wehmut und Traurigkeit schwingt hier zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise mit. Vielmehr hat man das Gefühl, das sich die Kleine für ihre Oma und ihren Opa freut. Der Opa hatte genauso viel Sehnsucht nach seiner Frau wie die Oma nach Theo.
Das die beiden jetzt wieder zusammen sind ist ein Happy End, auch wenn hier auf Erden noch Menschen sind, die sie vermissen.
Wer meint, es sei nicht realistisch, dass Kinder so gleichmütig und empathisch reagieren, und ihre Wünsche hinten anstellen, dem sei gesagt, dass erleben wir immer wieder. In dieser Geschichte freut sich die Ich-Erzählerin für ihre Großeltern und das kommt auch genau so rüber,  im Alltag erleben wir z.B. wie Kinder sagen: " Ich bin zwar traurig, aber bin auch glücklich weil der Opa/ die Oma etc. jetzt keine Schmerzen mehr hat, weil er/sie* jetzt bei ..... ist." 
Die Geschichte ist also sehr realistisch und nachvollziehbar.
Das Positive sehen ist hier ein Aspekt, der herausgestellt wird, tröstet und Mut macht.

Yvonne Hoppe- Engbring begleitet die Geschichte mit wundervollen fokussierenden Illustrationen, die lebendig, ausdrucksstark und auch mal sehr witzig anzusehen sind. Mit wenig aber gezieltem Einsatz von Farbe lenkt sie die Blicke des Betrachters bewusst auf das Geschehen. Was dabei auffällt sind sie die netten Gesichter. Weiße Gesichter mit geröteten Wangen, die durch den farblichen Kontrast (auch in Bezug auf den Hintergrund) sofort ins Auge stechen und eine positive Stimmung vermitteln. Mimik und Gestik sind hier wichtige Stimmungsbilder und Transporteure, die beim Leser in diesem Fall, sehr positive Gefühle aufkommen lassen. Die rote Wangen strahlen eine Zufriedenheit aus, die der Geschichte unglaublich gut tun und bespielhaft für die Leichtigkeit und Freunde innerhalb des gesamten Handlungsverlaufes sind.
Es macht Spaß den Bildern zu folgen. Besonders die Bilder aus dem Himmel, wo wir den Opa den Straßenverkehr regeln sehen macht den meisten Kindern extrem viel Spaß. "So witzig!" hört man die Kleinen kommentieren und genauso ist es. Verstärkt wird dieses Gefühl auch durch die humorvolle Erzählweise des Mädchens.

Was mir persönlich besonders gut gefällt ist die Inspiration, die von der Geschichte ausgeht.  Zum einen werden die Kinder inspiriert die Geschichte weiter zu erzählen und zum anderen ihre eigene Erinnerungsgeschichte zu erfinden.

In Trauergruppen kann man mit Kindern im Kindergartenalter wunderbar ins Gespräch kommen und sie erzählen lassen, man kann ausgehend vom Abschlussbild des Buches vielleicht auch eine Erinnerungskiste basteln und man kann Kinder im Grundschulalter sogar anregen eine eigene Geschichte zu schreiben. Die Auseinandersetzung mit dem Tod, inspiriert durch diese Geschichte kann so einen wichtigen Beitrag zur Trauerarbeit und Trauerbewältigung leisten und macht obendrein noch Spaß.

So habt ihr hier eine Geschichte zum Thema Tod, die vielfältig ist und einfach Spaß macht, auch wenn manche Leute nicht gern Spaß und Freude mit dem Tod in Verbindung bringen, was in anderen Kulturen durchaus auch anders ist.
Mehr zum Buch erfahrt ihr auch auf der Seite des Herder Verlags, der Link führt euch hin

p.s. Ich habe neulich eine Buchbesprechung zu diesem Buch gelesen in der kritisiert wurde, das hier Trost und Erklärungen fehlen.
Meine erste Reaktion war, dass ich dachte es muss sich hierbei um ein anderes Buch handeln, denn die Geschichte ist so angelegt, dass es keinerlei Anlass dafür gibt Trost oder Erklärungen einfließen zu lassen. Die Geschichte wird von der kleinen Protagonistin erzählt. Im weitesten Sinne ist es eine Erinnerungsgeschichte. Sie erinnert sich an ihre Oma und ihren Opa. Trauer oder Traurigkeit ist nicht zu spüren, daher bedarf es auch nicht des Trostes und zu erklären gibt es auch nichts, denn das was das Mädchen erzählt ist ihre eigene Geschichte beeinflusst von ihrer Fantasie, die gleichzeitig ihre Erklärung für den Tod der Oma beinhaltet. Die Oma ist zum Opa gegangen, damit der nicht mehr so allein ist/ weil sie sich gegenseitig vermisst haben.

Ich finde es sehr interessant wie unterschiedlich Geschichten wahrgenommen werden können.
Aus der Praxis heraus kann ich sagen, die Kinder, die das Buch erlebt haben waren alle sehr begeistert und für viele ist es ein echtes Lieblingsbuch geworden.

Zum Abschluss hier noch die Insta Bilder