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Ich trau mich / Ich trau mich nicht!


Bildquelle: Ellermann Verlag
Ich trau mich / Ich trau mich nicht!
von Andrea Schütze
mit Bildern von Steffie Becker
52 Seiten
1. Aufl. 08.Januar 2022
ISBN: 978-3-7514-0053-4
Ellermann Verlag
15,00€
Ein Wendebilderbuch
über Angst und Mut 
und das Nein sagen sehr mutig ist
für Kinder ab 4 Jahren
Es gibt Kinder, die haben vor alles und jedem Angst und trauen sich selbst nicht zu. Es gibt aber auch die Kinder, die scheinbar keinerlei Angst haben. Die richtige Draufgänger sind. Genau so zwei Charaktere lernen wir in diesem Wendebilderbuch kennen, in dessen Mitte beide Figuren aufeinander treffen und gute Freunde werden, die sich gegenseitig unterstützen.
Mit welcher Geschichte würdet ihr beginnen? Mit der von Tiger Jonte, der nicht mutig zu sein scheint oder mit Olivia, dem kleinen Orang-Utan Mädchen, die wild und ausgelassen die Welt entdeckt und keine Gefahren kennt.
Egal mit welcher ihr beginnt, ihr erlebt zwei wundervolle, sehr einfühlsam erzählte Geschichten, in denen sich Kinder auf die ein oder andere Art wiederfinden können.
Jonte zieht mit seiner Mutter durch den Dschungel, auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Ständig hört er Geräusche die ihm Angst machen und überall wittert er Gefahren. Als die Mutter endlich ein schönes Plätzchen gefunden hat, ist Jonte wenig begeistert. Auch hier hat er Angst vor allem. Seine Mutter versucht ihn zu animieren die Welt zu entdecken, doch Jonte bleibt lieber dicht bei ihr. Es ist nicht so, das er keine Freunde haben möchte, er traut sich nur nicht auf andere zuzugehen. Sein Selbstwertgefühl, sein Zutrauen, in sich ist ganz schwach ausgeprägt. Als er eines Tages einige Tierkinder beim Spielen beobachtet wäre das die Gelegenheit Freundschaften zu schließen, doch er traut sich auch dieses Mal nicht aus seiner Deckung. 
"Was sollen die mit einem Freund, die haben doch schon welche"  denkt er und geht wieder. Doch dann geschieht ganz unverhofft etwas, was ihm eigentlich wieder Angst machen sollte, nur dieses Mal ist es anders. Beim Baden trifft er auf Roko, das Krokodil. Dieses Mal läuft er nicht davon. Beginnt ein Gespräch und ist selbst erstaunt über seinen Mut. Roko bietet ihm an sein Freund zu sein, stellt aber eine Bedingung. Jonte soll eine Mutprobe bestehen. Wieder reagiert Jonte anders als erwartet. Er überlegt es sich und freut sich irgendwie schon darauf einen Freund gefunden zu haben.
Zur gleichen Zeit turnt Orang-Utan-Mädchen Olivia waghalsig durch den Dschungel. Kein Baum ist ihr zu hoch, kein Abenteuer zu gefährlich. Sie macht viel, was Affen eigentlich nicht machen, oder machen sollten und hält damit ihre Familie ganz schön auf Trapp. Bei einem ihrer Spiele trifft sie auf Roko und auch wenn sie immer das Abenteuer sucht und die Begegnung mit einem Krokodil irgendwie ein Abenteuer ist, ist sie dieses Mal etwas verhaltener. Sie ist sich nicht sicher ob sie Roko mag. Auch ihr bietet Roko die Freundschaft an und auch sie soll erst eine Mutprobe bestehen. Nun sollte man meinen das ist genau das was die abenteuerlustige Kleine liebt. Doch irgendwie fühlt sich das mit der Mutprobe nicht richtig an.
Sowohl Olivia, als auch Jonte kommen trotz Bedenken zu der Verabredung mit dem Krokodil und bekommen ihre Aufgaben. Es sind gemeine Aufgaben, aber das ahnte der Leser sicher schon. Jontes Aufgabe wäre für Olivia ein Kinderspiel und Olivas Aufgabe ein Klax für Jonte. Doch dann geschieht etwas, womit Roko schon gerechnet hat. Es ertönt lautes "NEIN!" durch den Dchungel. Weder Jonte noch Olivia sind so dumm sich auf Rokos gemeines Spiel einzulassen und finden so zueinander. Olivia möchte von Jonte wissen wieso er "NEIN!" gerufen hat und erfährt, das ihn wieder einmal sein Mut verlassen hat und er sich nicht getraut hat. Das sieht Olivia allerdings ganz anders. Sie findet es sehr mutig von Jonte, dass er "NEIN!" gesagt hat. So hat Jonte das noch gar nicht gesehen, aber Olivia hat Recht. Und das ist der Beginn einer Freundschaft, die echt ist, in der jeder Verständnis für den anderen hat, in der jeder den anderen unterstützt, hilft und trägt. Das ist eine echte Freundschaft. Ja, so ist das in einer echten Freundschaft.
Diese lebendige Geschichte bestehend aus zwei Geschichten, die im späteren Handlungsverlauf zueinander finden werden und viel über die ausdrucksstarken, farbigen, detailreichen wunderschönen Zeichnungen transportiert werden, die eigentliche Botschaft, das Geschehen und die Gefühlswelt können in ihrer Gesamtheit jedoch nur durch die erzählende Geschichte erfasst werden. Daher ist die Geschichte in ihrer Komplexität  erst für Kinder ab 4 Jahren+ geeignet. Sie ist nicht nur sehr vielschichtig und inhaltsreich, sondern geht auch ins Detail, was durchaus gut ist, damit die Kinder die innere Auseinandersetzung der beiden Protagonisten nachvollziehen und somit verstehen können. Andererseits ist die Geschichte, die ja eigentlich aus zwei Geschichten besteht für eine Geschichte sehr lang und intensiv. Wenn man sich die Mühe macht, die Geschichte einmal vor dem Vorlesen zu lesen und sich mit den einzelnen Elementen der Geschichte beschäftigt ist es möglich sie den Kindern frei zu erzählen und damit den Handlungsverlauf zu verkürzen. Dann kann man die Geschichte auch schon mit jüngeren Kindern anschauen. Vor allem weil die Bildsprache sehr ausdrucksstark ist und die Gefühle über Mimik und Gestik wunderbar herausgearbeitet wurden.
Jede Geschichte ist für sich gesehen eine intensive Geschichte, in der Kinder oftmals mit ihren eigenen Erfahrungen andocken können. Auf jeden Fall werden sie verstehen in welchem Dilemma sich Jonte aber zuweilen auch Olivia befinden. Jonte der ängstliche Schüchterne, der vor allem und jedem Angst hat und sich nichts zutraut, der Angst hat Kontakte zu schließen bzw. sich nicht traut auf andere zuzugehen wird in den Kindern viele Gleichgesinnte finden. Seine Ängste und sorgen werden wunderbar beschrieben, so dass man mit ihm mitfühlen bzw. sich gut in ihn hineinversetzten kann. Auch Olivia verkörpert Eigenschaften in denen sich Kinder wiederfinden. Was hier jedoch für die, die sich nicht trauen, wichtig ist, ist zu sehen, das es nicht unbedingt besser ist so ganz wagemutig zu sein. Gleichzeitig macht Jontes Geschichte Mut, denn sie zeigt, das man oft mutiger ist als man denkt. Gerade Kinder, die sich nichts zutrauen erkennen gar nicht ihr Potential. Vielleicht hilft ihnen Jontes Geschichte dabei einmal über eigene Stärken, die jeder hat, nachzudenken.
Auch Olivias Geschichte transportiert viel Verstecktes. Bei aller Lebhaftigkeit und Abenteuerlust ist sie durchaus in der Lage zu reflektieren und Situationen einzuschätzen auch wenn ihre Umgebung das nicht ganz so sieht. Das sie sich nicht geradewegs ins Mutprobenabenteuer stürzt und auf ihr Gefühl hört beweist das sehr anschaulich. Beide Geschichten berichten immer wieder von Gefühlen und so lernen die Kindern innerhalb des Ganzen auch die unterschiedlichsten Gefühle kennen.
Neben den beiden Handlungssträngen gibt es dann auch noch den gemeinsamen Teil in dem die Kinder viel über Freundschaft und gegenseitige Unterstützung erfahren.
Durch die durchdachte Gestaltung des Buches mit seinen mittig ausklappbaren Buchseiten wird hier auch optisch eine wunderbare Verbindung hergestellt,
So entwickelt sich hier nach und nach eine Geschichte, die Kindern Mut macht und sie indirekt stärkt.
p.s. Einen kleinen Kritikpunkt hätte ich aber dann doch.
Es gibt hier sehr viel Text, der im Verhältnis zu anderen Bilderbuchtexten, sehr klein gedruckt ist um das Bild-Text-Verhältnis zu gewährleisten. Das macht das Vorlesen für müde Erwachsenenaugen etwas schwieriger. Hinzu kommt, das man Bilderbücher oftmals mit etwas schummriger Beleuchtung vorliest. Hier ist eine kleine Schrift ebenfalls schwieriger zu lesen. Wenn die Schrift dann noch auf recht dunklem Untergrund gedruckt ist, wie z.B. bei Nacht-Illustrationen, dann wird das Lesen noch schwieriger, was einfach schade ist.

Hier bekommt ihr einen richtig tollen Einblick ins Buch
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