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Mein Elefant ist traurig

Bildquelle: cbj Random House
Mein Elefant ist traurig
ein bärenstarkes Buch für weniger gute Tage
von Melinda Szymanik
mit Bilderb non Vasanti Unka
32 Seiten
1. Aufl. 28. September 2022
ISBN: 978-3-570-18012-9
Cbj Random House
14,00€
Auf euch wartet eine intensive,
 sehr wichtige aber
 auch amüsante Geschichte 
zum Thema Traurigkeit
für Kinder ab 4 Jahren
Vermutlich kennt jeder erwachsene es, dieses Gefühl, das auf der Brust, vielleicht sogar den Magen, Bauch und Rücken drückt. Dieses Gefühl, das entweder einen Grund hat, den wir kennen, oder einfach plötzlich da ist und uns in eine tiefe Traurigkeit versetzt. Die weh tut, die lähmt, die einen nur noch die Decke über den Kopf ziehen lassen möchte, ohne dass das wir wissen, was eigentlich hinter diesem Gefühl steckt. Es ist einfach da.
Nur das, was wir Erwachsenen kennen, mit dem wir vielleicht sogar gelernt haben umzugehen kann auch Kinder heimsuchen.

In diesem wirklich wundervollen Bilderbuch lässt die Autorin Melinda Szymanik ihren kleinen Ich-Erzähler genau von so einem Gefühl erzählen.

Eines Morgens wacht er mit diesem bedrückenden Gefühl auf der Brust auf.  Er beschreibt es so: "ein blauer Elefant saß auf meiner Brust."
Er erzählt davon, wie schwer es ihm gefallen ist aufzustehen, zu sprechen und Luft zu bekommen. Über die Bilder sehen wir den Elefanten, der ihn fest umklammert auf dem Rücken sitzt. Das der kleine Kerl mit dem Elefanten auf dem Rücken überhaupt stehen kann ist ein Wunder. Wir können förmlich mit-nachempfinden wie schwer es sein muss.
Der Elefant stellt sich vor. Er heißt Blau. Der Junge bittet Blau aufzustehen, doch der denkt gar nicht dran. "Ich will nicht aufstehen, Ich sitze hier gut." sagt er und dabei ist es ihm anscheinende völlig egal, dass er den Jungen fast erdrückt. 
Die kleinen Leser erkennen schnell, dass der Elefant nur eine Verbildlichung ist. Dass der Junge so traurig ist als würde ein Elefant auf ihm drauf sitzen, doch so zu erleben, was Traurigkeit ist und wie stark und erdrückend sie ist tut Kinder in der Traurigkeitsphase gut zu sehen. Sie fühlen sich verstanden und über die Bilder kann jeder der es nicht versteht begreifen, was so Druck für ein Gefühl ist. Wir reden oft davon, dass eine Geschichte, über Worte erzählt, denen eine Stimme gibt, die sich nicht ausdrücken können. Man gibt denen eine Stimme, die es selbst nicht schaffen zu formulieren was in einem vorgeht. In diesem Fall sind es die Verbildlichungen, die dem Gefühl Sichtbarkeit geben. 
Der Elefant ist extrem gut gewählt und kommt bei den Kindern gut an.

Blau macht es sich gemütlich, was nichts anderes bedeutet, dass die Traurigkeit nicht so schnell verschwindet und das Leben des kleinen Ich-Erzählers sehr schwer macht.
Das wiederum bemerken auch die Eltern, die ihrem Kind natürlich helfen möchten. Ratschläge wie: "vielleicht müsstest du fröhlicher sein, oder...."
gibt es zwar, aber irgendwie ist klar, dass das auch nicht wirklich zielführend ist. Jeder in der Familie hat eine Idee, auch die Geschwister. Der Vater telefoniert mit einem Elefanten-Experten und die Mutter wälzt Bücher, der Ich-Erzähler bekommt Leckereien angeboten, doch selbst auf Schokolade und Co hat er keinen Hunger.
Der Vater meint, etwas Bewegung an der frischen Luft könnte helfen, doch mit einem Elefanten auf dem Rücken ist das ein wirklich schwieriges Unterfangen. Doch irgendwie spürt, der Junge, das es vielleicht einen Versuch wert ist. Immer zuhause herumsitzen ist auch nicht toll. Doch wie kann er Blau davon überzeugen von ihm runterzuklettern? Er fragt ihn ob er Lust hat mitzukommen. Und tatsächlich schafft es Blau seine Umklammerung etwas zu lösen. Nicht ganz, er klammert sich immer noch an den Jungen, doch seine Beine stehen auf dem Boden und laufen mit, was es für den Jungen viel leichter macht. 
Der Spaziergang hat Blau so viel Freude gemacht, dass er gleich am nächsten Tag wieder etwas raus gehen möchte. Dieses Mal hat Blau nir noch einen Arm auf der Schulter des Jungen und als die Familie an einem der nächsten Tage ein Picknick im Park machen möchte kommt Blau mit und traut sich allein die Gegend zu erkunden.
Blau kaut Gras und genießt die frische Luft. Er scheint sich wohlzufühlen. Und dann geschieht etwas wunderbares. Blau verändert seine Farbe erst ein kleines Bisschen, dann immer mehr.
Und was stellt der Ich-Erzähler fest?
Er stellt fest, dass er sich: "schon lange nicht mehr so leicht gefühlt" hat. 
Und Blau wird rosa, weil er fröhlich ist.
Seit dieser Zeit lebt Blau bei dem Jungen und beide versuchen alles, damit Blau fröhlich ist. 
"Manchmal hat er noch traurige Gedanken"... aber.....
Ach, schaut selbst was Blau noch alles kann.

Gefühle sind eine komplizierte Sache.
Manche machen glücklich, andere belasten, sind schwer und sogar erdrückend. Das wird in der Geschichte des Ich- Erzählers und "seinem" Elefanten Blau sehr deutlich. 
Mit viel Humor, der über die kecken Schilderungen des Ich-Erzählers transportiert wird, gibt die Autorin dem Gefühl der Traurigkeit eine Stimme. Unterstützt wird sie dabei von den ausdruckstarken Bildern, die eine ganz wichtige Rolle in der Vermittlung des Gefühls der tiefen Traurigkeit spielen. Die Bilder sind es, die den Leser das Ausmaß des Drucks vor Augen führen. Gleichzeitig strahlen sie aber auch eine tiefe Verbundenheit aus. Gerade in den letzten Zeichnungen wird deutlich wie sehr der Protagonist und Blau eine Einheit sind. Im Laufe der letzten Sequenzen wird die Traurigkeit, die vom Blau verkörpert wird zum Freund zum liebgewordenen Begleiter und ist keine Last mehr. Blau ist da, aber neben dem Jungen oder in seiner Nähe.

Ihr erlebt eine warmherzige, sehr einfühlsame Geschichte, die Gefühle besser verstehen lassen und Kindern, die gerade in solch einer Traurigkeit verharren Mut machen kann. Sie sehen, dass es anderen auch so geht, sie fühlen sich verstanden, finden sich in der Geschichte wieder und trauen sich vielleicht, ermutigt vom Ich- Erzähler, einen Schritt hinauszugehen. 

Vielleicht kennt das ein oder andere Kind ja auch ein Kind, dass sich seltsam verhält. Das traurig aussieht oder sich zurückgezogen hat. Vielleicht haben die Kinder es sogar als seltsam abgestempelt und vielleicht finden sie mit dieser Geschichte Verständnis für das merkwürdige Verhalten.
Bücher über die Traurigkeit müssen nicht schwer sein und selbst drücken. Drückende Gefühle brauchen gerade solche Geschichten.

Es ist ein wichtiges Bilderbuch, dass in keiner Einrichtung fehlen sollte, aber auch eine Bereicherung für jede heimische Kinderbuchkiste ist, denn die Erzählung des Ich-Erzählers ist bei aller drückender Gefühle auch irgendwie zum Schmunzeln und herzerfrischend.  


Hier zum Schluss noch die Instagrambilder