Unsere Lieblingsbücher

Wir packen das und sagen was

 

Bildquelle: Carlsen Verlag
Wir packen das und sagen was
Bestärkende Vorlesegeschichten
Von Regina Feldmann und Judyta Smykowski
Illustriert von Christiane Fürtges
96 Seiten
ISBN:  978-3-551-52299-3
1. Aufl. Mai 2024
Carlsen Verlag
14,00€
Bestärkende Vorlesegeschichten und integrierte Impulsfragen bilden das Herzstück dieses Buches, das unterschiedliche Kinder und Gefühle vorstellt
ganz nah an der Erlebnis- und Gefühlswelt der zuhörenden Kinder sprechen die Kinder über ihren Gefühle und ganz wichtig auch ihre Grenzen.
Auf euch wartet ein inspirierendes und wertvolles Buch mit vielen Gesprächsanlässen und Infokästen für Erwachsene
sowohl für Zuhause als auch in Einrichtungen
für Kinder ab 4 Jahren 

Im Leben von Kindern passieren tagtäglich Dinge, die sie auf die ein oder andere Weise beschäftigen.
Für dieses Buch haben  Regina Feldmann und Judyta Smykowski ein tolles Konzept erarbeitet. Im Morgenkreis lassen sie Kinde der Gummibärengruppe zu Wort kommen, die von ihren Erlebnissen berichten, die sie beschäftigen. Es sind Ereignisse und Erlebnisse, die jedes Kind in ähnlicher Form erleben könnte und vermutlich schon erlebt hat. Die Geschichten bieten Gesprächsanlässe, die von den Kindern ausgehen, es gibt aber zusätzlich noch das Element der Sprechblase, in der Erzieher Kai gezielt Fragen an die Kinder richtet und so anregt, über eine Situation in Zusammenhang mit der Geschichte nachzudenken und zu reflektieren. 
               
Diese Reflektion kann den Kindern dabei helfen, sich über die eigene Gefühle in ähnlichen Situationen bewusst zu werden.
Neben der Geschichte und Kais Fragen gibt es den Baustein des Infokastens für Erwachsene, der unter Begleitung von Kinder-Psychotherapeut*innen erstellte Hilfestellungen bereithält.
Wichtig zu wissen ist, dass sowohl Kais Fragen, als auch in Hilfestellungen für Erwachsene unabhängig von der Vorlesegeschichte stehen, auch wenn sie integriert sind.
Konkret heißt das, ihr könnt die Geschichten auch einfach so vorlesen. Wie ihr die zusätzlichen beiden Bausteine nutzt, bleibt euch überlassen.
Lest ihr im pädagogischen Bereich vor, habt ihr mitunter vermutlich so viel Erfahrungen, um mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, dass ihr die Angebote nicht unbedingt braucht. Trotzdem möchte ich euch diese Ergänzungen ans Herz legen, denn oft wird man betriebsblind und bekommt durch das Konzept neuen Input.
Für angehende Erzieher*innen ist das Buch eine tolle Spielwiese, um gezielt zu arbeiten und neue Erfahrungen zu machen. Durch Kais Fragen lernen sie ganz nebenbei die Art und Weise kennen, wie man Kinder mit gezielten Fragen zum Reflektieren anregt und so an Themen heranführt, mit denen sie sich auseinandersetzten sollten.
Neben den drei Bausteinen gibt es zum Abschluss noch einige Adressen, von Beratungsstellen, die professionelle Hilfe anbieten, sollte sich in Gesprächen mit Kindern (mit einem Kind) herausstellen, das ein Kind in einer Situation war / oder ist und Hilfe benötigt.

Nach so viel pädagogischen und konzeptionellen Informationen möchte ich natürlich auch auf die Geschichten und Themenbereiche eingehen, die hier zu finden sind.
Es gibt 9 Geschichten mit Titeln wie z.B. "Ab auf den Jahrmarkt", "Das Buch vom kleinen Faultier", "Schwimmen macht hungrig" oder auch "Ausflug in den Zoo".
Alles beginnt mit einem Bild auf dem wir Kinder zusammen mit Erzieher Kai im Morgenkreis sehen.
Es ist der erste Tag nach den Osterferien. Er fragt die Kinder, ob sie viele Ostereier gefunden haben, und möchte von Alia wissen, ob sie ein schönes Zuckerfest hatte. Alle Kinder sind noch irgendwie müde, und keines scheint etwas erzählen wollen. Ein typischer Montagmorgen. Doch gerade als Kai selbst etwas erzählen möchte, um somit einen Anfang zu gestalten, meldet sich Vi und erzählt, dass sie auf dem Jahrmarkt war, wo es "megalustig" war.
Vi erzählt, dass sie mit ihrer Patentante verabredet war, was sie schon im Vorfeld sehr gefreut hat, weil sie noch nie zuvor einen Ausflug mit ihr gemacht hatte. Es ist sehr lustig zu hören, wie Vi die unmittelbare Vorfreude beschreibt. "Allein beim Gedanken daran geht in meinem Bauch eine Party ab".(Zitat)
Doch als die Tante dann in der Tür steht, ist Vi erst einmal etwas erstaunt, konsterniert, befremdet, wie auch immer man es nennen möchte, denn ihre Tante sieht anders aus, als sie sie in Erinnerung hatte. Die Tante hingegen ist verwundert, dass Vi ihrer herzlichen Aufforderung sie doch erst einmal zu drücken nicht so fröhlich nachkommt. Schon während Vi das erzählt, fragt ein Kind , was Vi denn in der Situation gemacht hat. Eindrucksvoll und sehr schön nachvollziehbar erklärt Vi, was sie gemacht hat und wie sie sich gefühlt hat. 
Und Kai wirft den zuhörenden Lesekindern die Frage zu:
"Kannst du dir vorstellen, warum Vi sich unwohl gefühlt hat?" (Zitat)
In der Geschichte geht es mit Vis Erlebnissen auf dem Jahrmarkt weiter, was für die Kinder spannend und belustigend ist.
Im Anschluss an die Geschichte, die mit dem Übergang zur nächsten Geschichte eines anderen Kindes endet, gibt es noch den Infokasten für Erwachsene, in dem das Thema Körperkontakt zu anderen Personen aufgegriffen wird. Hier wird der Rat gegeben, die Kinder darin zu bestärken auf ihr Bauchgefühl zu hören und nur Nähe zu geben, wenn man es möchte.  Das es zu jeder Zeit "NEIN!" sagen kann und sich dafür auch nicht rechtfertigen muss. "Jeder Mensch hat ein eigenes Gefühl für Nähe und Distanz:" (Zitat) 
Anhand der ersten Geschichte, die ich exemplarisch etwas ausführlicher vorgestellt habe, wird das Konzept des Buches hoffentlich greifbar.
Geht es in der ersten Geschichte um körperliche Nähe bei Begrüßungen im Allgemeinen, was natürlich stellvertretend auch für verschiedene Begrüßungs- und Verabschiedungsituationen und auch das Küsschen für Oma, Opa, Tante etc. gilt, geht wird in den weiteren Geschichten, um einen Geburtstag der anders verläuft als geplant, was superlustig klingt, doch auch hier ist eine problematische Geschichte integriert, die viele Kinder mit dunkler Hautfarbe und Haaren bestimmt kennen. Eine fremde Frau wuschelt einmal über den Kopf des Kindes, um zu sehen, wie sich die Haare des Kindes anfühlen. 
Es gibt eine Geschichte über einen Vater-Sohn Konflikt, indem es um das Thema Zähneputzen geht. Eine Geschichte in der es um ein Kind im Rollstuhl geht und um ungebetene Hilfe, bei der es darum geht, wie man sich als Nicht-Rollifahrer richtig verhält.
In einer Geschichte geht es um einen Jungen, der eine dunkle Brille tragen muss, da seine Augen empfindlich sind und der immer wieder der gleichen Frage von Fremden ausgesetzt ist. Diese Geschichte steht stellvertretend für den Umgang mit Behinderungen und das man sie, nicht als Makel sehen sollte, sondern als selbstverständlicher Teil des Menschen.
Eine weitere Geschichte greift ein Thema auf, mit dem Kinder eigentlich täglich konfrontiert werden. Den Kindern wird von den Erwachsenen viel zu wenig zugetraut. Die Erwachsenen neigen dazu vorschnell einzugreifen anstatt die Kinder einfach einmal tüfteln zu lassen bzw. eigene Erfahrungen zu machen und Lösungen zu finden.
Ein wichtiges Thema wird in der Geschichte "Schwimmen macht hungrig" aufgegriffen, denn da geht es um eine Situation, die gar nicht geht. Alia ist mit ihrem großen Bruder im Schwimmbad. Als Alia allein auf die Toilette geht, und in der Kabine ihren Badeanzug herunterzieht, wird sie von 2 Kindern, einem Jungen und einem Mädchen beobachtet, die über den Kabinenrand der Toilette schauen und sich über Alia lustig machen. Hier geht es um Grenzüberschreitungen, Privatsphäre und Respekt.
Dann gibt es nicht eine Geschichte zum Thema "richtig" und "nicht richtig" zuhören und  eine zum Thema jemand an die Hand nehmen, was wieder ein klein wenig den Kreis zur ersten Geschichte schließt.
Jede Geschichte hat einen Kern, der ein Problem beleuchtet. Doch es ist nur der Kern, Drum herum ist es mal sehr lustig, mal spannend, aufregend oder auch kunterbunt. Was ich damit sagen möchte ist, dass es keine schweren Geschichten sind, sondern das es durchaus lockere lustige Begebenheiten sind, in die eine Situation eingebettet ist, über die man sprechen sollte. Dadurch, dass auch die Kinder im Morgenkreis innerhalb der Geschichte Fragen an das erzählende Kind stellen, gibt es noch einen zusätzlichen Input, um später im Gespräch mit den Kindern das Thema ausführlich zu besprechen.
Die Geschichten sind ganz nah an der Lebenswelt der Kinder, in viele können sich die Kinder sofort hineinversetzten, in andere, gerade wenn es um Handicaps geht, müssen sich die Kinder auch einmal etwas hineinfühlen. Durch das vielfältige Konzept werden die Kinder aber wunderbar herangeführt und lernen so auch, wie man sich richtig verhält.
Was mir besonders gut gefällt ist mit wieviel Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen Kinder  in die Thematiken eingeführt werden und spielerisch lernen ihre eigenen Grenzen zu erkennen, gerade auch in Bezug auf körperliche Nähe, und hingeführt werden das es wichtig ist diese Grenzen dem Gegenüber auch deutlich zu zeigen, zu benennen. Dabei müssen sie gar nicht viel erklären. 
Und eines gefällt mir auch sehr gut, auf das ich nur ungern eingehe, denn eigentlich ist es traurig es erwähnen zu müssen, weil es eigentlich selbstverständlich sein sollte. Es ist schön die Vielfalt auch in Bezug auf die Hautfarben der Kinder zu sehen. Die Bilder spiegeln das Leben in all ihrer Vielfalt wunderschön wieder.
Jeder nimmt hier bei jeder Geschichte etwas für sich mit heraus und die Unterhaltung und die Schmunzelmomente kommen auch nicht zu kurz. 


Zum Abschluss noch ein paar Insta-Bilder