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Simon, das Baby und der Herr Alzheimer

Bildquelle: CatMint Verlag
Simon, das Baby 
und der Herr Alzheimer
von Melanie Ruhrmann-Petri
illustriert von Bibi Hecher
32 Seiten
1. Aufl. 30. Oktober 2023
ISBN: 978-3903282131
CatMint Verlag
24,00€
Auf euch wartet eine zauberhafte Geschichte zum Thema Alzheimer, das bei aller Leichtigkeit trotzdem kindgerecht die Auswirkungen von Demenz vermittelt
für Kinder ab 4 Jahren

Kindern das Thema Alzheimer / Demenz erklären ist mithilfe von (Bilde-)Büchern gar nicht so schwer, denn die meisten sind sehr anschaulich in dem, was sie erzählen und verfügen darüber hinaus auch noch über Bilder, die alles nahbarer machen.
Leider gibt es auf dem deutschen Buchmarkt (im Gegensatz zu dem englischsprachigen) noch recht wenig Titel, wobei man feststellt, dass es laaaangsam mehr werden.
Ein sehr schönes  Bilderbuch ist "Simon, das Baby und der Herr Alzheimer" von Melanie Ruhrmann-Petri mit Illustrationen von Bibi Hecher.
Der fünfjährige Simon lebt mit seiner Mama, seinem Papa, seiner kleinen Schwester und seinem Opa zusammen. Simon gefällt es richtig gut, dass sein Opa immer für ihn da ist, die beiden sind einfach die besten Freunde und haben viel Spaß miteinander. Seit seine kleine Schwester auf der Welt ist, genießt Simon diese Zweisamkeit noch mehr.
Doch mit der Zeit wird der Opa immer müder, muss sogar einen Mittagsschlaf machen. Eigentlich dachte Simon, Mittagsschlaf ist nur etwas für Babys und kleine Kinder, aber wenn der Opa das braucht, dann legt sich Simon liebevoll dazu.
Aber die Müdigkeit ist nicht alles, was Simon seltsam vorkommt. Sein Opa wird zunehmend schusseliger. Einmal hat er den Weg vom Bäcker nach Hause nicht mehr gefunden, und einmal hat er seine Hausschuhe im Kühlschrank deponiert. Als Simons kleine Schwester die Schuhe im Fernsehschrank versteckt hat, haben alle gelacht, doch bei Opas Schuhen im Kühlschrank fand das niemand lustig.
Simons Mama hat ihm erklärt, dass der Opa eine Krankheit hat, die Alzheimer heißt und die macht, dass der Opa Dinge vergisst und sogar verlernt, und es kann sogar passieren, dass er Simons Namen vergisst, 
"Simon stellt sich die Krankheit als einen älteren Herrn vor, der dem Opa Sachen aus dem Gehirn klaut. Blöder, Herr Alzheimer!" (Zitat) 
Mit der Zeit werden die Dinge, die der Opa macht, immer verrückter, oft benimmt er sich wie Simons kleine Schwester. Und immer wieder muss Simon erleben, dass über Lenis Verhalten geschmunzelt wird, nur über das Verhalten des Opas nicht. Die Mutter erklärt ihm, dass sich der Kopf des Opas besser an Dinge erinnern kann, die schon länger her sind und er in Gedanken immer jünger wird. Aber nicht alles, was durch Herrn Alzheimer passiert, ist schlecht. Opa tanzt jetzt ganz ausgelassen und singt toll. Simon und seine kleine Schwester tanzen gern ausgelassen mit ihm mit und finden es toll, dass Opa so viel Spaß hat und sein Gesicht dabei ganz jung aussieht. 
So wechseln sich schöne Momente und weniger schöne immer wieder ab. Als Simons Eltern wieder beide arbeiten gehen, wird der Opa tagsüber in einer Tagesstätte für ältere Menschen untergebracht, wo er mit vielen anderen älteren Menschen zusammen ist. Es ist eigentlich wie ein Kindergarten für Senioren.....
Melanie Ruhrmann-Petrie hat feinfühlig viele typische Dinge über das Verhalten und das Leben mit einem Alzheimer-Angehörigen in ihrer Geschichte untergebracht. Das sie dabei die kleine Leni, die vom Baby zum Kleinkind wird und sich weiterentwickelt als Verhaltensgegenspieler zum Großvater nutzt, der quasi eine Rückentwicklung durchläuft, ist genial, denn diese Vergleiche können Kinder nicht nur gut verstehen, sondern es entsteht dadurch auch eine Leichtigkeit, die guttut, auch wenn die Vorfälle, über die wir schmunzeln müssen, in der Realität gerade für Erwachsene meist nicht zum Schmunzeln sind. Hier geht es aber darum Kindern das Thema Alzheimer zu vermitteln. 
Besonders schön herausgearbeitet ist das Wechselspiel von fröhlichen und nervigen, traurigen Momenten und dem, wie Simon darauf reagiert.  Durch die Personifizierung in Form des Herrn Alzheimer ist es nicht der Opa, der Simon enttäuscht, sondern die Schuld des Herrn Alzheimer, den Bibi Hecher visuell als Dieb in herrlichem Gauner-Outfit, real werden lässt.
Herrn Alzheimer ist im Laufe der Geschichte immer öfter mit von der Partie. Da sitzt er im Kühlschrank, als der Opa seine Schuhe in den Kühlschrank stellt, läuft schnell davon als de Opa die...... oder hält sich auch schon mal die Ohren zu, als der Opa schreit. Besonders ungehalten sieht er aus, wenn Simon Spaß mit dem Opa hat oder es Simon gelingt, den Opa zu beruhigen oder zu trösten. Zuweilen scheint es, als wenn der Gauner nur glücklich ist, wenn er den Opa beeinflussen kann. Seine Mimik und Gestik spricht Bände. Schurkenhaft mit diebischer Freude, wenn Simons Opa sich wieder alzheimermäßig verhält und total frustriert, wenn  Simon ihn überlistet, spielt diese Figur eine ganz wesentliche Rolle, auch wenn man ihn erst auf den zweiten Blick entdeckt. Die Kinder bekommen sehr schnell mit, dass Herr Alzheimer der heimliche Hauptakteur ist und gehen bei jeder Seite, die sie aufblättern, sofort auf die Suche nach dem Gedankendieb.
Es geht nicht darum, ein Feindbild aufzubauen, es geht lediglich darum kindgerecht zu erklären, wie sich Alzheimer-Patienten verhalten. Herr Alzheimer bewirkt ja auch nicht nur Schlechtes (zumindest in den Augen eines Kindes), doch es ist nun mal so, dass er liebe Angehörige (hier den Opa) immer mehr in seinen Bann zieht und von einem selbst entfremdet.
Durch Simons kindliche, meist unbeschwerte Umgangsweise mit seinem Opa und die Kreativität, mit der er immer wieder zu ihm durchdringt, indem er Herrn Alzheimer ein wenig überlistet, entsteht eine Warmherzigkeit und Leichtigkeit, die dem Handlungsverlauf guttut und so eine Geschichte erleben lässt, die trotz des traurigen Themas wunderbar Verständnis für das Verhalten von Alzheimer-Kranken vermittelt und gleichzeitig Lesespaß erleben lässt.
Das Buch wird für Kinder ab 3 Jahren empfohlen, was angesichts der wundervollen farbigen Illustrationen mit einer tollen Bildsprache durchaus zu verstehen ist. Da die Geschichte aber doch über relativ viel Text und inhaltliche Botschaften verfügt, empfehle ich es im Allgemeinen für Kinder ab 4 Jahren, da dann die Aufnahmefähigkeit in der Regel größer ist und die Geschichte in ihrer Komplexheit auch verstanden wird, was nicht heißt, dass es nicht auch schon Dreijährige gibt, die lange genug die Aufmerksamkeit halten können und auch verstehen, worum es hier genau geht. Genauso wird es auch Vierjährige geben, die bei der Textmenge (an einem Stück vorgelesen) vielleicht zum Ende hin Aufmerksamkeitsprobleme haben.
Die Erfahrung Zeit, dass ein Vorleseeinstieg ab 4 Jahren jedoch das ist, was wir empfehlen können.