Unsere Lieblingsbücher

Mama und das schwarze Loch


Bildquelle: Tyrolia Verlag
Mama & das schwarze Loch
von Leonora Leitl
26 Seiten
Tyrolia Verlag
ISBN: 978-3-7022-3436-2
2014
14,95€ 
 
 
Thema Elternteil  mit Depressionen
Alleinerziehende mit Depressionen
für Kinder ab 5 Jahren
 
 
Bevor ich in das Buch und die Thematik einsteige möchte ich kurz darauf hinweisen, dass die Altersempfehlung des Verlages bei 4 Jahren liegt.
Aufgrund meiner Praxiserfahrung in den letzten Wochen setzte ich diese aber auf 5 Jahre hoch wobei es nur ein Richtwert ist. Man sollte immer das Kinde im Auge halten, mit dem man das Buch betrachtet.
Kinder in ähnlichen Situationen, die die Geschichte aus eigener Erfahrung heraus verstehen können durchaus erst 4 Jahre alt sein.
Kinder ohne den Hintergrund wird es mit 4 Jahren allerdings schwer fallen alles zu begreifen.
 
Nun aber zum Buch.
Ein wichtiges Buch in der heutigen Zeit denn sowohl die Anzahl der Menschen, die an "Burn Out" und Depressionen leidet , als auch die Zahl der Alleinerziehenden, steigt stetig.
Leonora Leitl kennen vielleicht vieler schon mit ihren Büchern, "Willi Virus"- Aus dem Leben eines Schnupffenvirus oder auch von "Susi Schimmel"- Vom Verfaulen und Vergammeln.
Sachthemen leicht verständlich in eine Geschichte einzubinden und mit wundervoll, ausdrucksstarken, intensiven Bildern zu begleiten, ist ihre Passion.
Ihre Bücher preisgekrönt und auch dieses hier einfach fantastisch.
Gleich zu Beginn im Vorsatz sieht es grau und trostlos aus. Irgendwie verwaist.
Blättern wir weiter herrscht heillosen Chaos. Ein Durcheinander  wo man nur hin schaut.
Die eigentliche Geschichte jedoch beginnt recht bunt.
Wir bekommen Adele, Lotte und Mizzi vorgestellt- Adele, die Mutter, Lotti ihre Tochter und Mizzi, Lottis Oma.
Lottis Papa gibt es nicht mehr. Er ist schon vor ein paar Jahren mit einer anderen Frau weggegangen. Na ja, ein Bild von ihm hängt noch  an der Wand. Unsere größeren Lesekinder fanden es unrealistisch. "Keine Frau würde ein Bild an der Wand hängen lassen von dem Mann der sie verlassen hat", sagte Phillip 7 Jahre.
Nun, vermutlich trifft das in den meisten Fällen auch zu. Hier ist es nun mal eben anders.
Lottis Mama hat einen stressigen Job. Sie ist Werbegrafikerin. Ein Beruf, der auch schon ohne Kind unglaublich anstrengend ist weil man ständig neue Ideen haben muss und Abgabetermine der Kreativität nicht gerade förderlich.
Bei Adele kommt noch hinzu, dass sie ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter gerecht werden muss. Einkaufen, Essen kochen, Wäsche Waschen, Putzen und mit Lotti die Hausaufgaben machen sind wohl nur einige der Dinge, die so täglich zu erledigen sind.
Eindrucksvoll hält Leonora Leitl in einem sehr dynamischen Bild all das für uns fest und wir bekommen schon ein klein wenig Hektik und Unruhe allein beim betrachten des Bildes. Was die Mutter so alles leisten muss ist enorm.
Klar, dass sie am Abend nur noch müde auf ihren Sessel fällt und einschläft, auch wenn sie eigentlich noch Fernsehen wollte.
Auch klar, dass sie nicht immer alles schafft abzuarbeiten. 
Jeder kennt das, auch die Kinder. Doch während die Kinder es gelassen nehmen fühlen sich die meisten Erwachsenen schlecht wenn sie nicht das geschafft haben, was sie meinen erledigt haben zu müssen.
Das ständige Überforderung nicht gut gehen kann.
Und so kommt es bei Adele eines Tages zum "Burn Out". Das Wort nehme ich jetzt mal. Leonora Leitel findet eine andere sehr passende Beschreibung, die zwar etwas überzogen wirkt aber den Kindern schnell verständlich ist. Sie erzählt uns, dass Adele, während sie am Herd steht und kocht, einen Anruf von einem Kunden bekommt und gleichzeitig fängt ihre Frisur Feuer. Sie brennt ab.
Das berühmte Fass läuft mit diesem Anruf über. Keine Sorge das dazu gehörige Bild zeigt Adele beim Kochen, mit dem Handy in der Hand und um den Kopf eine Rauchwolke mit kleinen roten Flammenzungen. Es wirkt nicht bedrohlich. Anders der Text der ja recht drastisch von a abbrennen wie ein Streichholz spricht.
Die Kleineren verstehen diese Metapher nicht größere schon.
Auf der nächsten Seite sehen wir wie Adele kopfüber in das schwarze Loch gezogen wird und mit ihr all die unerledigten Dinge wie Geschirr oder Bügeleisen.  Lotti und Oma Mizzi sehen fassungslos zu.
Da liegt Adele nun in dem schwarzen Loch. Zusammengekauert in Embryonalhaltung um ihren Kopf raucht es immer noch. Die züngelnden Flammen wirken etwas größer wie zuvor.
 Alles ist schwarz und Grau nur Lottos bunte Beine mit den Ringelstrümpfen und Mizzi rote Schuhe die außen stehen sind bunt. Wobei auch die Suppe im Topf und Adeles eigene Schuhe sind ebenfalls rot, wenn auch blasser.
Adeles Kopf raucht immer noch. Lottis und Mizzis Versuche das Feuer zu löschen ist erfolglos. Adele scheint nichts mehr um sie herum wahrzunehmen.
Lotti und ihre Oma überlegen was man tun könnte.
Ein farbiges Bild visualisiert ihre Überlegungen. Könnte die neue "Feuersalamander-Salbe helfen? Oder..... .
Nun erwartet uns ein fast fröhliches, buntes Bild. Lotti hat eine Idee. In der Stadt ist ein Zirkus. Dort gibt es einen Feuerschlucker. Der kennt sich bestimmt mit Bränden.
Während fast alles bunt, hell und fröhlich wirkt sehen wir unten rechts im Bild ganz klein das graue, qualmende Haus.
Im Zirkus geht es lustig zu. Lotti fühlt sich gleich willkommen und Fernando, der Feuerschlucker weiß auch gleich  was zu tun ist.
Adele muss nicht gelöscht sondern neu angezündet werden.
Ihr Licht ist erloschen, ausgebrannt, raucht nur noch. Das Feuer in ihr muss wieder entfacht werden.
Das klingt so einfach und auch in der Geschichte sieht es einfach aus. Fernando geht zu Adele und gibt ihr etwas von seinem Feuer. Adele guckt freundlich, vielleicht ist es auch ein Lächeln. Ihr herz zeichnet die Bilderbuchkünstlerin nun wundervoll rot. Die Flammen, die aus Fernandos Mund sprühen entfachen tatsächlich Adeles Herz und um das schwarze Loch liegt nun eine rote Hülle.
Und damit Adeles Feuer nicht wieder erlischt kommt Fernando seither einmal in der Woche mit den anderen Leuten vom Zirkus vorbei und hilft wo Hilfe benötigt wird.
Ein lustiges Bild führt uns aus der Geschichte. Fernando spuckt Feuer, eine Seiltänzerin tanzt auf der Wäscheleine und hängt dabei die Wäsche auf, Oma Mizzi kehrt den Boden, Lotti bügelt, der Elefant sauft, der Katzer fegt, der Clown jongliert mit dem Geschirr und der starke Gewichtheber trägt das rote Sofa auf dem Adele völlig entspannt ein Buch liest.
Doch das ist nicht das letzte Bild, denn hier geht es ja nicht nur um Adele. Auch Lotti hatte ihr Päckchen zu tragen. Um so schöner, das die Geschichte nun mit einem harmonischen Bild der beiden im Sessel endet und noch etwas sehen wir, aber das verrate ich hier noch nicht.
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Ein beeindruckendes Buch, das sich im großen und ganzen mit der Mutter beschäftigt.
Das Lotti plötzlich sehr erwachsen sein muss um ihrer Mutter zu helfen wird nur am Rande deutlich, da auch noch Mizzi helfend zur Seite steht.
Unsere Kinder fragten sich, im Gespräch nach der Lesung, wie es wohl ausgesehen hätte wenn es die Oma nicht gegeben hätte? Auch wenn Mizzi "nur" da ist und selbst nicht direkt hilft ist trotzdem jemand an Lottis Seite.
Nicht jedes Kind von Alleinerziehenden hat eine Oma. Oftmals sind sogar noch kleine Geschwister da, die von der großen Schwester oder dem großen Bruder mit versorgt werden müssen.
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Es gibt viel, sehr viel zu besprechen.
Schön dass es dieses Buch gibt, das uns in die Thematik hineinführt, sehr viel durch die wundervollen Bilder und kreativen Gedanken der Autorin, vermittelt und auch zeigt wie das Lebensfeuer wieder entfacht werden kann.
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Für Erwachsene ist dieses Buch ebenfalls sehr wertvoll.
Die Geschichte zeigt deutlich wes passiert´, wenn man sich ständig selbst unter Druck setzt, sich von anderen drängen lässt und sich dabei fast aufgibt.
Gut wenn man Hilfe bekommt, aber auch wenn man keine tatkräftigen Helfer hat kann man viel für sich selbst tun. Einfach mal Fünf gerade sein lassen. Ist hier schon viel wert.
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Ältere Kinder ab etwa 6-7 Jahren realisieren schnell, dass die Geschichte in Metaphern erzählt wird. Sie sehen, die versteckten Botschaften.
Der Feuerschlucker ist nur ein Sinnbild dafür, dass Lotti hinaus geht um sich Hilfe zu suchen.
Gerade diese Botschaft ist sehr wichtig.
Die Kinder müssen realisieren, dass es gut ist Hilfe zu holen. Oftmals trauen sich Kinder dies nicht. Werden von den Erwachsenen auch noch dazu angehalten nichts nach außen zu tragen.
Ob diese Botschaft bei Kindern von 4 Jahren jedoch ankommt wage ich zu bezweifeln.
Meiner Erfahrung nach nicht.
Unsere Lesekinder waren zwischen 4 und 12 Jahren alt und man merkte deutlich wie mit zunehmendem Alter das Thema besser realisiert und auch im Nachgespräch reflektiert betrachtet wurde.
Es ist mit Sicherheit auch ein tolles Buch für die Therapie, für Selbsthilfegruppen und Erzieher, die ein betroffenes Kind in der Einrichtung haben.
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