Bildquelle: Knesebeck Verlag
Theo liebt es bunt
von Samuel Langley-Swain
und Ryan Sonderegger
übersetzt von Ursula C. Sturm
36 Seiten
1. Aufl. 2020
ISBN: 978-3-95728-425-9
Knesebeck Verlag
13,00€
Eine Geschichte vom Anderssein, Vielfalt, Ausgrenzung und Toleranz
für Kinder ab 3 Jahren
Vorab!
Normalerweise verrate ich ungern alles von der Geschichte, und eine Rezension sollte nicht zur Nacherzählung werden doch in diesem Fall mache ich hier ganz bewusst eine Ausnahme.
Wieso erfahr ihr später
Theo liebt es bunt!
Wieso auch nicht?
Bunt ist doch toll!
Leider sehen das die Wiesel in dieser wundervollen Geschichte ganz anders. Ein Wiesel das sich anzieht, das ist schon sehr gewöhnungsbedürftig. Ein Wiesel das sich so anzieht wie Theo, das geht jedoch gar nicht. Theo zog sich für sein Leben gern die unterschiedlichsten Sachen an. Mal flippig, mal stilvoll, mal schrill. Die Bandbreite seiner Kleiderkiste ließ keine Wünsche übrig.
Nur gefiel das den anderen grau-braunen Wieseln überhaupt nicht. Sie hatten die Nase voll. In einer abendlichen Versammlung beschossen sie, das für ein Wiesel das so auffällt kein Platz im Wieselwald ist. Sie gingen sogar noch weiter. Am nächsten Tag versammelten sie sich in eine Art Protestmarsch mit Schildern bewaffnet und forderten Theo auf die Kleidung auszuziehen. Ein Wiesel trägt keine Kleidung. Das traf den kleinen Kerl so sehr, das er traurig nach Hause lief, seine schöne bunte Kleidung auszog und sich seinem Vater anvertraute. Dieser tröstete seinen kleinen, besonderen, Sohn sehr liebevoll. Dennoch nahm Theo kurze Zeit später all seine schöne Kleidung und stopfte sie in eine Kiste. Wenn er sie nicht mehr tragen durfte wollte er sie auch nicht mehr sehen.
Doch ist das eine Lösung?
Nein!
Und das sieht auch Theos Papa so, der nicht nur traurig darüber ist, das sein Sohn so traurig ist sondern der ihn auch ermutigt und stärkt so zu sein wie er ist. Das er wunderbar ist und sich das Leben nicht von den Miesmachern schwer machen lassen soll.
Gemeinsam suchten sie die schönsten Sachen heraus in die Theo schlüpfte und damit allen zeigte, das er sich nichts aus den Anfeindungen machte. Ganz schön mutig aber genau richtig, fanden meine Lesekinder und man merkte deutlich wie sie in ihrer Körperhaltung mit Theo zusammen den anderen Wieseln entgegentraten. Einige von ihnen schimpften sogar mit der Wieselmeute, die nun noch aufgebrachter war.
Gerade als die Wiesel Theo wieder in die Mangel nehmen wollten fuhr ein bunter Haufen Hermeline vorbei. Alle bekleidet wie Theo. Sie fanden ihn so schick, das sie ihn einluden mit ihnen zu reisen. So verabschiedete sich Theo von seinem Vater und zog mit den Hermelinen in die Welt .
Wer nun meint, die Geschichte ist zu Ende, der irrt denn es dauerte nicht lange da erkannten die Wiesel, das ihr Leben ohne Theo gar nicht mehr so schön war. Seine bunte Vielfalt fehlte ihnen, mehr noch machte sie so schwermütig, das alles um sie herum noch dunkler und trister wirkte. So dunkel, das selbst die Blumen welkten.
Theo allerdings ging es gut. Aus der Ferne ließ er die feindseligen Wiesel wissen, das es ihm gut ginge und er ihnen verzeihen würde. Er konnte ja nicht ahnen, dass die ihm schon gar nicht mehr so negativ gegenüber standen. Die Briefe des Kleinen beschämte die Wiesel so sehr, das sie zu Theos Vater gingen um sich zu entschuldigen.
Mehr noch, sie schauten sich die Kleidung an, die Theo zurück gelassen hatte und ob ihr es glaubt oder nicht plötzlich fanden auch sie daran Gefallen sich anzuziehen.
Im Wieselwald wurde es bunt und fröhlich. Miesepetrig war nun niemand mehr. Und Theo?
Der kehrte natürlich zurück zu seinem Vater und dem Ort, der seine Heimat war. Wo er jetzt so sein durfte wie er war, wie er sein wollte.
In einer Zeit in der Intoleranz und Ausgrenzung wieder größer wird sind Geschichten wie die von Theo besonders wichtig.
Mit erschrecken stellen wir in letzter Zeit fest, das die Zeiten in denen das Leben bunt sein konnte zu vergehen scheint.
Gut Anfeindungen und Ausgrenzung gab es immer und wird es auch immer wieder geben. Für mehr Vielfalt, Diversität und Anderssein zu kämpfen ist immer ein Thema, denn noch längst nicht ist es in den Köpfen vieler angekommen, das genau das unser Leben reich und bunt macht. Wenn wir aber erleben, das das was erreicht wurde plötzlich in Gefahr ist, das wieder mehr Intoleranz herrscht dann ist es an der Zeit rechtzeitig dem entgehen zu wirken damit das was wir bislang erreicht haben nicht verloren geht.
Die Geschichte von Theo zeigt deutlich wie Ausgrenzung und Intoleranz funktioniert und was es es bewirkt. Sie zeigt aber auch, das es zwar Mut bedarf sich dem entgegen zu stellen, das es sich aber auch lohnt sich nicht verbiegen zu lassen.
Theo mag sich anziehen. Er mag es auch mal bunt und extravagant. Was die Wiesel stört ist in erster Linie nicht das Extravagante sondern einfach die Tatsache, das da jemand anders ist als die anderen. Als die Mehrheit. Sie möchten, das alle gleich sind. Wer nicht so ist wird nicht akzeptiert. Wir können sagen, dass es doch völlig egal ist wie Theo aussieht, denn damit tut er ja niemandem weh, er stört niemanden, er ist einfach nur angezogen. Ja! Und dennoch ist genau dieses "einfach nur angezogen zu sein" schon das Problem. Traurig finden meine kleinen Les.kinder ( Kindergartenkinder) und können die Reaktion der Wiesel nicht verstehen. Die älteren Kinder ( 3-4 Klasse Grundschule) reagieren da schon wieder etwas anders. Da gibt es die Stimmen die sagen man sollte sich anpassen, man muss nicht auffallen. Theo ist es selbst endschuld wenn er mit seinem Äußerem provoziert.
Was ist passiert zwischen Kindergarten und Grundschulzeit. Werden die Kindergartenkinder, die es heute traurig finden in ein paar Jahren auch eine andere Meinung haben?
Vielleicht.
Vielleicht können wir aber mit Geschichten wie der von Theo und den Gesprächen hierüber etwas in den Köpfen festigen, das keine Änderung der Meinung hervorruft. Das deutlich macht, das Diversität, Anderssein, Vielfalt unser Leben bereichern.
In den Gesprächen mit den Grundschulkindern stellte sich meist heraus, das sie im Grunde nicht ihre eigene Meinung in das Gespräch mit eingebracht haben sondern die Meinung ihrer Eltern oder auch Großeltern. Es ist so weil die es sagen. Wir können also sagen, sie haben sich angepasst, die Meinung der Eltern unreflektiert übernommen. Wohin gegen die Kindergartenkinder noch unbedarfter, unbefangener, emotionaler und somit auch ehrlicher waren.
Eine besondere Rolle in Theos Entwicklung spielt der Vater. Er tröstet seinen Sohn nicht nur sondern ermuntert ihn so zu sein wie er es möchte. Er stärkt ihn in dem er 100% hinter Theo steht und ihn liebevoll in seinem Sein begleitet und letztendlich auch bereit ist ihn los zu lassen damit Theo seinen Weg gehen kann um eigene Erfahrungen zu machen.
Hätte Theo einen anderen Vater gehabt, der auch einer der anderen Wiesel gewesen wäre. Der vielleicht nichts gegen Theos Anziehen gehabt hätte aber nicht gewollt hätte das man über seinen Sohn und somit auch über ihn redet, er hätte Theo vermutlich verboten sich anzuziehen. Er hätte sich der Mehrheit gebeugt und seinen Sohn damit seine Individualität genommen.
In den Gesprächen mit den Grundschulkindern haben wir die Geschichte noch einmal erzählt. Dieses Mal aber ab dem Moment wo Theo die Kleider in die Kiste verbannt den Handlungsverlauf verändert.
Der Vater sagt, gut so Theo. Gut das du eingesehen hast, das man als Wiesel keine Kleider trägt. Ich bin stolz auf dich.
Die Kinder sollten sich nun in Theo hinein versetzten.
Wie fühlt Theo sich?
Wie geht es für ihn weiter?
Jedes Kind hat etwas oder mag etwas das den Eltern nicht gefällt oder die Eltern nicht mögen.
Das können Kleinigkeiten sein.
Vielleicht mag ein Kind gerne Wurst essen aber die Eltern verbieten es weil sie vegetarisch Essen.
Vielleicht mag ein Kind gerne rote Sachen anziehen aber die Mutter mag lieber das es blau anzieht.
Der Junge mag gern Handball spielen oder musizieren aber der Vater möchte das sein Sohn ein Fußballer ist so wie er......
Es können wirklich kleine Dinge sein, die gefunden werden müssen um einem Kind ein Verständnis für Anderssein zu geben, damit es nachempfinden kann.
Wenn dieser Punkt gefunden wurde ergeben sich im Gespräch oft erstaunliche Wendungen.
In dem Moment wo ein Kind mit eigenen Erfahrungen an die Geschichte anknüpfen kann, kann sich die Sicht auf die Geschichte und damit auf Theo erheblich verändern.
Ich erzähle euch das so ausführlich weil Geschichten und Nachgespräche eine Eigendynamik in den Köpfen der Kinder entwickeln können, die wir nutzen können um, wie in diesem Fall, für mehr Toleranz gegenüber Anderssein einzustehen.
Bei den Kindergartenkindern ist das Buch von Theo zu einem absoluten Lieblingsbuch geworden. Sie haben Spaß am Verkleiden und Anderssein. Sie lieben Theos bunte, vielleicht auch verrückte Welt.
Sie mögen das Verhalten der anderen Wiesel nicht und empfinden am Ende so etwas wie "Genugtuung" mit gleichzeitiger Freunde das sich etwas verändert hat.
Wenn Kindern so intensiv in einer Geschichte mit gehen und dann auch noch einige Zeit später das Buch zum Lieblingsbuch des Monats wählen, dann weiß man als Erwachsener, das es wirklich eine Geschichte ist , due in den Köpfen der Kinder Bestand hat.
Und genau das ist wichtig.
Mit Liebe zu Geschichten, zu Büchern, das Bewusstsein erweitern und vielleicht noch das eigene ICH zu stärken das ist sehr viel.
Danke an Samuel Langley-Swain für diese wichtige und wundervolle Geschichte. Dank auch an Ryan Sonderegger, der mit seinen herrlichen und sehr ausdrucksstarken Illustrationen die Handlung lebendig macht und visualisiert was in der Geschichte allein vielleicht nicht so extrem hätte nachempfunden werden können. Seine Bilder machen das Erleben und realisieren des Handlungsverlaufes erst möglich. Mimik, Gestik und die gezielte Farbwahl sind hier entscheidende Elemente. Ohne sie würden die Kinder das Gefühl von Ausgrenzung und Ablehnung aber auch Traurigkeit und Freude nicht so mit empfinden können. Zwar macht jeder, der eine Geschichte hört sich seine eigenen Bilder, die vor unserem inneren Auge entstehen aber etwas vor sich zu haben, sich in den Bildern verlieren zu können ist noch einmal etwas anderes.
ES sind die Zeichnungen, die Bewusstsein schaffen und Emotionen hervorrufen. Etwas selbst zu beobachten ist etwas anderes als nur davon zu hören.
Gleichzeitig sind es auch die Illustrationen, die Farbe und Witz in die Geschichte bringen. Die Kleidung die Theo trägt ist einfach witzig. Es macht Spaß ihn anzusehen und inspiriert.
Vielleicht sollte man einfach mal hin und wieder in eine Verkleidung schlüpfen und damit ein klein wenig auch in eine andere Identität.
Verkleiden und einmal anders sein, sich selbst auszuprobieren, in einer Verkleidung anders sein zu dürfen ist auch ein wichtiger Punkt in der Entwicklung eines Kindes, in der Entwicklung zu einem starken Selbstbewusstsein und zur Findung seiner eigenen Identität.