Bildquelle: Edition Pastorplatz
Die Waschanlage
der Schutzengel
von Petra Steckelmann
mit Illustrationen von Mele Brink
170 Seiten
1. Aufl. September 2019
ISBN: 978-3-943833-35-5
Edition Pastorplatz
13,00€
Eine wundervoll, fantastische Geschichte, die nachhaltig beschäftigt
Für Engelliebhaber, Träumer und Neugierige
für Kinder ab 6 Jahren zum Vorlesen
und ab 3/4 Klasse zum selber lesen
Ich staune immer wieder welch schöne Geschichten es für Kinder gibt und muss immer wieder feststellen, dass Kinderbücher keineswegs nur etwas für Kinder sind. Doch gerade wenn mir ein Buch sehr gut gefällt bin ich zunächst einmal skeptisch ob es auch Kindern gefallen könnte. In den vielen Jahren in denen ich nun tagtäglich mit Kindern lese (über 25 Jahre) ist dies aber nur zwei Mal vorgekommen. Trotzdem, wichtig ist was Kindern gefällt. Sie müssen von der ersten Minute an von der Geschichte gefesselt sein um sie auch bis zum Ende zu lesen. Am besten sie werden schon über den Titel oder das Cover in die Geschichte hinein gezogen. Genau so ist es bei
"Die Waschanlage der Schutzengel"
das nicht nur durch den verrückten, seltsamen Titel neugierig macht sondern auch die Illustration fasziniert.
Dabei haben die Jungen im Alter zwischen 10 und 12 Jahren eine ganz klare Meinung hierzu. Wäre auf dem Cover ein Mädchen zu sehen würden die Jungen nur auf Grund des Titels nicht zum Buch greifen um es sich näher anzusehen. Da aber ein Junge zu sehen ist fühlen sie sich gleich angesprochen und eingeladen die Geschichte zu entdecken. Wer nun aber denkt, das dann die Mädchen vielleicht nicht interessiert sind, der täuscht sich gewaltig. Ihnen ist es völlig egal ob dort ein Junge oder Mädchen zu sehen ist. Der lustige Titel und das Thema Engel ist das was sie neugierig werden lässt.
All zu viel möchte ich gar nicht verraten, denn der Zauber der Geschichte vermittelt sich nur über das eigene Entdecken was vor allem auch an den ausdrucksstarken Illustrationen liegt, die hier eine ganz wichtige erzählende Rolle spielen. Dazu aber später mehr.
Es ist eine Geschichte aus dem Hier und Jetzt und trotzdem wie aus einer anderen Welt. Sie spielt an der englischen Südküste und damit geprägt von viel Natur. Endlose grüne Wiesen auf der einen Seite und felsige Steilküsten, Meer und die Gezeiten auf der anderen und beides wird hier so fantastisch plastisch beschrieben, dass man das Gefühl hat selbst dort zu sein, die Seeluft und das Salz auf der Zunge zu spüren. ( und das ist nicht mein subjektiver Eindruck sondern das von gleich 7 meiner Lesekinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren)
Der 10 jährige Justin zieht mit seinen Eltern in ein altes Haus mit Tankstelle und Waschanlage, das sie von einem Onkel vererbt bekommen haben. Das klingt erst einmal noch nicht seltsam, wenn man dann aber erfährt, dass die Gebäude mitten in einem Naturschutzgebiet liegen und Autos hier nur mit Sondergenehmigung hin fahren dürfen, wird es schon seltsamer. Was soll man mit einer Tankstelle wenn keine Autos hin finden können? Und dann ist da noch ein Buch, was zum Testament gehört. "Die Geschichte der Schutzengel" spannend finden die Kinder Justin und Holly und so wird es auch.
Justin nimmt uns mit in seine Welt, in der er der Hauptprotagonist neben seinen Eltern und seine kleine Schwester sowie einer Katze ist. Bislang teilte er sich mit seiner kleinen Schwester ein Zimmer und das durchaus auch gerne. Hier erlebt man Geschwisterliebe wie wir sie uns in jeder Familie wünschen würden. Doch das neue alte Haus von Onkel Anthony bietet genügend Platz und so darf sich jedes Kind ein Zimmer aussuchen. Justin entscheidet sich für ein Zimmer nahe der Waschanlage weil er beim ersten Hineinsehen etwas entdeckt hat, was ihn neugierig machte. Er vermutet eine geheime Tür hinter einem alten Bücherregal und genau das wird sich später noch bewahrheiten.
Erstmal jedoch ist alles sehr seltsam. Nicht nur die Sache mit der Tankstelle die keinen Sinn macht. In der Waschanlage finden sie lauter Truhen mit Geldstücken. Was es damit wohl auf sich hat?
Den Eltern ist es scheinbar egal. Sie sind reich, das ist das einzige was sie zu interessiert.
Auf einem Streifzug am Strand lernen Justin und seine Schwester einen Fischer kennen, der zwar etwas knurrig aussieht aber Justin hat gleich einen besonderen Draht zu ihm. Sein Wissen um die Tankstelle und die Waschanlage ist später der Schlüssel zu allem aber das müsst ihr selbst entdecken.
Und da ist ja noch die Geschichte von den Schutzengeln, die seine Urgroßmutter aufgeschrieben hat. "Ob es hier Engel gibt?" fragt sich Justin immer wieder.
Vielleicht ahnt er irgendwo ganz tief in sich drin schon das die Waschanlage, die Tankstelle, das ganze Anwesen mit Engeln zu tun hat. Seine Neugier ist zumindest immer dabei.
Am ersten Abend ist es für Justin schon ziemlich seltsam alleine zu schlafen doch er hat ja noch etwas vor und da ist es ganz gut, dass Holly seine kleine Schwester nicht dabei ist. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Bücherregal eine kleine Tür die direkt in die Waschanlage führt. Dort entdeckt er weiße Federn. Wovon die sind ahnt er noch nicht und Zeit weiter zu forschen bleibt auch nicht denn plötzlich steht seine Mutter am Tor und wundert sich wieso ihr Sohn dort ist. Nur gut, dass keiner die offene Tür zu seinem Zimmer entdeckte.
Zurück im Bett wäre Justin gern noch einmal in die Waschanlage zurück gegangen doch die Müdigkeit ereilt ihn und er schläft sofort ein.
In dieser Nacht erlebt er nicht mehr was sich in der Waschanlage abspielt doch hat er einen seltsamen Traum. Im Traum ist er einem großen Engel begegnet.
Und ich verrate nicht zu viel wenn ich erzähle, dass er einen Engel, seinem Schutzengel wirklich noch begegnen wird.
Doch wie das geschieht und was passiert das verrate ich natürlich auch nicht.
Da die Familie nicht in Ferien sondern dort fortan leben wird sind auch ganz profane Dinge zu erledigen. Das Haus muss auf Vordermann gebracht werden und die Kinder müssten in die Schule. In diesem Fall jedoch bekommen sie einen Hauslehrer, was für meine Lesekinder eine ganz neue Erfahrung war. Einige kannten Hauslehrer aus den Heidi Geschichten doch die meisten konnten mit dem Begriff Hauslehrer nicht so viel anfangen. Am Ende jedoch steht für alle fest, ein Hauslehrter wäre cool. Ja, in der Tat Justin und Holly, die erst ein wenig skeptisch waren sind schnell begeistert von ihrem Lehrer, der Lernen so gestaltet das es erlebbar, greifbar ist.
Aber auch hierrüber erfahrt ihr von mir nicht mehr.
So, jetzt wisst ihr es geht um einen Neuanfang der Familie, in einer Gegend wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, und um eine Engelgeschichte. Um eine Waschanlage in die Engel fliegen, um Kisten voller Geld und um einen Fischer der mehr über all das weiß.
Was ich euch noch verraten kann?
Etwas über die Engel.
Die Schutzengel haben wirklich viel, viel zu tun. Unser Leben heute ist voller Gefahren, voller Leben und Hektik und das Tag und Nacht. War es früher so, dass das Leben noch beschaulich war und es einen Tag und Nacht Rhythmus gab bei dem die Schutzengel sich auf den Wolken ausruhen und der Flügepflege hingeben konnten, ist es heute so, das die Schutzengel so viel zu tun haben, das einfach keine Zeit mehr für das ausgiebige Putzen ist. Dazu kommt, das die Welt wesentlich schmutziger als früher ist, so dass es hier zwei wesentliche Probleme gibt, für die es aber eine Lösung gibt.
Der Buchtitel verrät es die Lösung ist eine Waschanlage für Schutzengel. Doch wer sie erfand, wie es dazu kam und was wenn die Waschanlage aus welchen Gründen auch immer ausfällt, das ahnt ihr noch nicht und ich verrate es auch nicht. Wenn ihr die Geschichte lest werden sich die von mir gestreuten Puzzleteile zusammenfügen.
Die Geschichte ist eine tolle Mischung aus Realität, Alltagswelt und Fantasie. Witzig, naturnah mit den unterschiedlichsten, besonderen Charakteren. Eine Geschichte die verzaubert, zum Träumen anregt und nachhält. Was ich mit "nachhält" meine erklärt sich aus einer Äußerung eines meiner Lesekinder.
"Das ist eine Geschichte mit der man einschläft und im Traum träumt und wenn man aufwacht weiß man erst nicht ob es Traum oder Wirklichkeit war und man denkt darüber nach. Man überlegt ob es Schutzengel gibt, wo der eigene Schutzengel vielleicht ist. Ich glaube an Schutzengel aber vielleicht muss ich mal etwas mehr Rücksicht auf meinen Schutzengel nehmen....." ( Luca 11 Jahre)
Einige würden sagen, die Geschichte ist märchenhaft doch ist sie wirklich so märchenhaft? Ist sie nicht einfach fantasievoll? Könnte es diese Waschanlage für Schutzengel nicht wirklich geben? Gibt es Schutzengel?
Wenn man aus einer Geschichte hinaus geht, das Buch zuschlägt aber die Geschichte einen weiter begleitet, sei es durch die Nacht oder den Tag oder beides, dann ist es eine Geschichte die ganz besonders schön ist und genau das ist diese Geschichte von Petra Steckelmann, die bei meinen Lesekindern auch nach einer Woche noch für Gesprächsstoff sorgte.
Die wundervollen Illustrationen von Mele Brink spielen in dieser Geschichte eine ganz wichtige Rolle denn sie verraten schon früh ein wenig mehr. Schutzengel sind für das menschliche Auge nicht sichtbar (normalerweise) und so ist es auch
in der erzählenden Geschichte. In den Illustrationen jedoch entdecken wir sie schon viel früher als die Protagonisten und das trägt viel zum gesamten Handlungsverlauf und Verständnis bei.
Auch wenn es "nur" schwarz-weiß Zeichnungen sind haben wir das Gefühl sie sind mit Farbigkeit gefüllt, denn unsere Fantasie nimmt sie auf und färbt sie . Eine spannende Erfahrung, die die Lesekinder öfter schon erlebt haben.
Und so haben wir hier ein ganz außergewöhnlich schönes Kinderbuch, das auch Erwachsene noch gerne und mit Spannung lesen.
Aufhören, Pause machen, das geht hier nur sehr schwer, denn die Neugier wie es weiter geht treibt uns an die Geschichte immer weiter und weiter zu lesen. Das geht den Kindern genauso wie den Erwachsenen. Und beim Vorlesen? Da ist es ähnlich, doch sollte man im Interesse der Aufmerksamkeit gerade bei Kindern im Alter zwischen 5 und 7 Jahren Pausen einlegen. Je nach Kind/ern zwischen 3 und 5. Die 170 Seiten sind unterteilt in 14 Kapitel, die es einem leicht machen gezielt zu pausieren. Zudem gibt es noch eine Geschichte zur Geschichte, die allerdings direkt nach der Haupterzählung gelesen werden sollte.
Zum Schluss noch kurz der Hinweis für die Selberleser, durch die recht große Druckschrift und den ebenfalls recht großen Zeilenabstand fällt es den Kindern mit etwas Leseerfahrung leicht den Text zu lesen. Die Geschichte lebt von Dialogen, diese zu erlesen muss geübt werden um den Überblick zu behalten daher ist eine gewisses Leseverständnis und Leseerfahrung nötig. Viele oft große Illustrationen laden zum Verweilen ein und lockern auch optisch die Seite auf. Durch das ausgewogene Bild-Text-Verhältnis erschlägt einen die Textmenge nicht was für Leseanfänger aber auch schon etwas geübtere/ erfahrene Leser wichtig ist. Dies in Kombination mit der spannenden, lebhaften Handlung und der schnellen Identifikation mit dem Hauptprotagonisten dem Erzähler macht es Kindern leicht durch die Geschichte zu wandern.
So ist "Die Waschanlage der Schutzengel" ein Lesevergnügen für Klein und Groß, über das man viel miteinander sprechen kann.