Bildquelle: Knesebeck Verlag
Hier kommt Mila!
von Kristina Vogel
illustriert von Lily Baron
32 Seiten
1. Aufl. 26. Juni 2024
ISBN 978-3-95728-836-3
Knesebeck Verlag
16,00€
Ein zauberhaftes und sehr anschauliches, wunderbar feinfühlig sensibles Bilderbuch
zum Thema Barrieren und Barrierefreiheit,
das zeigt, wie leicht es manchmal ist, kreativ Barrierefreiheit zu schaffen
Inklusion und Miteinander
Ein Bilderbuch, das auf leichte und lebendige Weise
aufmerksam macht, sensibilisiert und inspiriert
für Kinder ab 3 Jahren
Was für ein wundervolles und wichtiges Bilderbuch!
Auf euch wartet ein absolutes Bilderbuch-Highlight, das auf fröhlich leichte Weise zeigt, wie lebendige und oft auch einfach Inklusion aussehen kann.
Dieses Buch sollte überall einziehen, weil es einfach Spaß macht und gleichzeitig soooo wichtig ist.
Es ist das erste (aber hoffentlich nicht letzte!!!) Bilderbuch der seit 2018 querschnittsgelähmten ehemaligen Bahnradsportlerin und zweifachen Olympiasiegerin Kristina Vogel und widmet sich dem Thema Barrieren und Barrierefreiheit. Ich würde mir sehr wünschen, wenn dies der Beginn einer Kinderbuchautorinnen- Karriere ist, die uns noch viele weitere Bilderbücher schenkt, die sich mit Inklusion und Handicaps beschäftigen.
Mila sitzt im Rollstuhl.
Als sie in einen neuen Kindergarten kommt, in dem augenscheinlich keine weiteren Rolli-Kinder sind, ist für sie erst einmal alles neu, doch scheu ist sie nicht.
Während ihr Vater noch mit der Erzieherin spricht, schaut sich Mila schon einmal neugierig im Garderobenbereich um und überlegt, welches Fach wohl ihr gehören könnte. Dabei beobachtet sie, wie ein Junge versucht an sein Mützenfach zu kommen, in dem sein Kuschelelefant liegt, doch er ist zu klein, er kommt nicht an den Elefanten heran, was ihn sehr traurig macht. Sofort ist Mila zur Stelle und bittet ihm ihre Hilfe an.
Doch wie kann ein Kind im Rollstuhl an etwas herankommen, das so hoch liegt, dass noch nicht mal ein Kind, dass sich auf Zehenspitzen stellen kann, daran herankommt?
Zur Überraschung des Jungen hält er dank Milas Hilfe kurze Zeit später seinen kleinen Elefanten im Arm und ist überglücklich.
Wenig später zeigt die Erzieherin Mila ihr Fach und dank einer kleinen, ganz unkomplizierten Schiebeaktion kommt Mila auch gut an ihren Garderobenhaken heran. Auch beim späteren Spiel "Mein liebster, liebster Platz ist leer", bei dem die Kinder eigentlich im Stuhlkreis sitzen, finden sie ganz schnell und spontan eine ganz unkomplizierte Lösung, sodass Mila ohne Barriere mitspielen kann.
Schon die Impressionen aus Milas erstem Kindergartentag zeigen, wie leicht man mit ganz simplen Mitteln Barrieren abbauen kann.
Doch was, wenn man auf einen Aufzug angewiesen ist?
In dieser Situation befinden sich Mila und ihre Kindergartengruppe bei einem geplanten Ausflug in den Zoo. Plötzlich stehen sie vor dem Aufzug zur U-Bahn und der ist außer Betrieb. Fällt der Zoobesuch nun wegen Mila aus? Nein! Denn eines der Kindergartenkinder hat eine tolle Idee.
Was das ist, wird noch nicht verraten, aber es ist nicht, dass Mila die Treppen hinunter getragen wird, denn obwohl dies vielleicht eine naheliegende Lösung wäre, gibt es noch etwas zu bedenken, woran man spontan meist nicht denkt. Kindergartenkind Maksim jedoch ist so sensible und erklärt nicht nur, wieso er das für keine gute Idee hält, sondern hat auch eine fantastische Alternative.
Beim späteren Besuch des Eisstandes wird Mila von der Eisverkäuferin anders behandelt als die anderen Kinder. Was seltsam klingt, ist leider oftmals Alltag, weil Menschen mit Behinderungen vielfach anders gesehen werden. Dieses anders Gesehenwerden ist gar nicht einmal immer böse gemeint, sondern einfach unbedacht, unüberlegt, unsensibel ..... Hier erleben wie sehr anschaulich, was oft in den Köpfen nicht Gehandicapter steckt. Behinderte gehandicapte Menschen haben mit vielen Barrieren zu kämpfen. Mal sind es reale Barrieren, oftmals sind es aber auch "nur" die Barrieren in den Köpfen nicht Betroffener, insbesondere Erwachsener. Kinder sind meist unvoreingenommener, situationsorientiert spontaner, sensibler, aufmerksamer und ganz wichtig kreativer im Umgang und dem Finden von Lösungen, was auch in Milas Geschichte nicht nur einmal deutlich wird.
Wie barrierebehaftet sogar Spielplätze sind, das wird im letzten Teil der Geschichte klar, in der Mila und ihre Kindergartenfreundin Lour sich gemeinsam mit ihren Familien zu einem Picknick auf einem Spielplatz verabredet haben. Schnell muss Lour feststellen, dass Mila viele der Spielgeräte gar nicht nutzen kann, weil schon der Weg dahin für sie (zumindest ohne Hilfe) nahezu unmöglich ist. Lour findet das "totalblöd" und ist darüber so verärgert, dass sie energisch aufstampft und entschlussfreudig beschließt, "das müssen wir ändern"(Zitat).
Gemeinsam mit ihren Eltern und Milas Papa schmiedet sie daraufhin einen Plan, der etwas schier Unglaubliches in Gang setzt. Sie wollen einen Spielplatz so umbauen, dass er für alle Kinder mit und ohne Handicap nutzbar ist. Wie sie das anstellen, was damit alles ins Rollen kommt, wie sie es umsetzten und vor allem wie ihr fertiges Projekt letztendlich ankommt, das verrate ich natürlich noch nicht, doch eins ist klar, alles, was in dieser wundervollen Geschichte angesprochen wird, sensibilisiert nicht nur, sondern inspiriert es nachzumachen und weitere Möglichkeiten im eigenen Umfeld zu kreieren, im Kleinen wie auch im Größeren.
Kristina Vogel und Lily Baron haben sich mit ihrer Geschichte einem Thema angenommen, zu dem es sehr wenig Bilderbücher gibt und dabei so unglaublich wichtig ist. Sehr anschaulich, äußerst pfiffig und leicht erzählen sie von alledem, womit Kinder mit Handicap (aber nicht nur Kinder) tagtäglich konfrontiert werden. Das besondere an der Geschichte ist die Feinfühligkeit, der Einfallsreichtum und die kreative Leichtigkeit, mit der die Kinder Mila und ihren Barriere-Problemen gegenüberstehen. Milas offene Art trägt sicherlich viel dazu bei, dass erst gar keine Berührungsängste entstehen, doch auch die Erzieherin ist sehr geschickt darin Mila ganz selbstverständlich und bedürfnisorientiert zu integrieren, ohne ihr eine Sonderstellung zuzuweisen bzw. zuteilwerden zu lassen.
Es gibt einige Situationen in der Geschichte, die Kinder in einer Gesprächsrunde nach dem Vorlesen aufgreifen und als besonders schön oder eindrucksvoll schildern. Neben der Spielplatzaktion ist das sehr häufig Maksims einfühlsame, empathische Art, wie er auf die Situation vor dem gesperrten Aufzug reagiert.
Während Mila noch überlegt und mit sich hadert, wie sie reagieren soll, spricht Maksim aus, was sie gerade beschäftigt, ohne dass er wissen kann, das genau das Milas Problem ist.
Erzieher David schlägt spontan vor, Mila zur U-Bahn hinunter zu tragen. Was er nicht ahnt, ist, dass es Mila sehr unangenehm ist, getragen zu werden. Eigentlich darf das nur ihr Papa. Doch das möchte sie nicht sagen. Nur wenn sie sich weigert, dann würde vermutlich der Ausflug zum Zoo für alle schon an der verschlossenen Aufzugtür wieder enden. Mila ist hier eindeutig in einem großen Gewissenskonflikt. Soll sie allen den Ausflug verderben oder ein schlechtes, unangenehmes eigenes Gefühl in Kauf nehmen?
Doch diese Entscheidung nimmt Maksim ihr ab, in dem er sagt: "Ich glaub, Mila mag es nicht, wenn man sie trägt. Und ich mag das auch nicht." (Zitat) Das "..und ich mag das auch nicht", ist hier ein ganz wichtiger Zusatz, der deutlich macht, dass es nicht an der Behinderung liegt, nicht getragen werden zu wollen. Auch sagt Mila dies zu keinem Zeitpunkt selbst.
Das Maksim noch dazu eine absolut geniale Idee hat, die den Ausflug wie geplant möglich macht , zeigt wiederum, dass es eigentlich (fast) immer eine Alternative bzw. eine andere Problemlösung gibt.
Durch die Kombination von Kristina Vogels Schilderung des einfühlsamen, spontanen und pfiffigen Verhaltens von Maksim, und Lily Barons unterstützenden und verstärkend wirkenden ausdrucksvollen Zeichnungen rückt die Situation ganz nah an die Leser / Betrachter, sodass nicht nur Milas Problem miterlebbar ist, sondern auch die Reaktionen und und Gefühle der Gruppe erkennbar sind.
Lily Barons Illustrationen greifen Situationen auf und stellen sie in den Kontext des großen Ganzen. Sie fokussieren, ohne dabei die Umgebung außen vor zu lassen, was gerade durch die vielen Figuren, die in die Geschichte involviert sind sehr schön ist, denn so entsteht ein spannendes Gefühl für jeden in der Gruppe. Zu jeder Figur, egal ob Mensch oder Tier können die Kinder noch etwas entdecken und erzählen, weil sie ihnen eine eigene Persönlichkeit und Geschichte zugeschrieben hat.
Lily Baron hat hier Bilderwelten geschaffen, deren Bildsprache für sich schon sehr verständlich und intensiv ist. Sie ermöglich es Kindern selbstständig die Geschichte zu entdecken, und lässt ihnen dabei auch den Freiraum für eigene Fantasien, Interpretationen und Geschichten. Doch erst mit der Erzählung bekommen die Kinder die gezielten Informationen und das Hintergrundwissen, das dann die Botschaft(en) der Geschichte transportieren.
Wir alle wissen, welchen Stellenwert das Bild im Bilderbuch hat, doch erst die perfekte Symbiose aus Bild und Text (erzählender und visueller Geschichte) macht ein Bilderbuch zu einem Bilderbucherlebnis, dass wirklich nahbar ist und aus dem man viel mitnimmt.
Genau so ein Bilderbucherlebnis wartet hier auf euch.
Ein Bilderbucherlebnis und Bilderbuchspaß, von denen man sich mehr wünscht. Diese Buch sollte überall einziehen, denn es ist nicht nur ein wichtiges Bilderbuch, sondern eben auch einfach ein absoluter Lesespaß, geprägt von ganz viel Fröhlichkeit und Miteinander.
Mehr Infos zum Buch gibt es auch auf der Seite des Verlags.
Der Link führt hin
Ein kleiner Denkanreiz (eine kleine Kritik) am Rande,
-Die Kinder haben mich erst darauf aufmerksam gemacht-
Es geht um dieses Bild.
Wenn du eine Geschichte zu dieser Szene erzählen müsstest,
was würdest du erzählen?
Wie würdest du Lours Mimik und Gestik Mila gegenüber deuten?
Würde deine Interpretation von Lours "Verhalten" dann zu Milas Gesichtsausdruck passen?
*Den Geschichtensplitter zu dieser Geschichte findest du ganz unten!
Beim Betrachten der Szene habe ich sie im Kontext der Geschichte wahrgenommen, zumal das Bild auf die erzählende Handlung folgt und sich so quasi selbst erklärt bzw. verständlich wird.
Doch was ist, wenn ein Kind das Bilderbuch erst einmal nur anschaut?
Erklärt das Bild dann wirklich, was hier passiert?
Viele Kinder haben mich (nach der selbstständigen Buchbetrachtung- ohne Vorkenntnis des Geschichtensplitters zu dieser Szene) gefragt, wieso Lour Mila so böse anfährt- wieso Lour auf Mila so böse ist.
Lours Mimik und Gestik kann durchaus genau so interpretiert werden. Es scheint, als wäre Lour sehr ärgerlich, was sie ja auch ist. Dadurch, dass sie Mila dabei anschaut, liegt die Vermutung nahe, dass sie auf Mila sauer ist.
Schauen wir uns Mila an, dann sehen wir ein Mädchen, dessen Mimik nicht darauf hindeutet, dass sie gerade ausgeschimpft wird.
Trotzdem überwiegt bei den Kindern die Ansicht, das Lour mit Mila schimpft.
Hier ist die sonst im Buch so klar Bildsprache nicht ganz so klar und hat zuweilen für einige Verwirrungen bei den Kindern (nicht bei allen!) geführt.
Wir haben lange über die Szene gesprochen und auch überlegt, wie das Bild aussehen müsste, damit es eindeutiger ist.
Die Antwort der Kinder war recht einfach. Lour hätte zum Beispiel neben Mila stehen können, ohne das sie sich anschauen. Beide mit dem Blick zum Busch. Eine andere Möglichkeit wäre vielleicht gewesen, Lour hinter Milas Rollstuhl zu platzieren, wobei da einige Kinder auch schon wieder berechtigte Einwände hatten.
Das Beispiel zeigt sehr schön, das es gar nicht so einfach ist die erzählende Handlung so in Bildern festzuhalten, dass sie eine eindeutige Sprache sprechen.
Bis auf diese vielleicht nicht ganz eindeutige Szene ist dies Kristina Vogel aber absolut fantastisch gelungen. Ihre Bilder sind es, die die Handlung so wunderbar nahbar und lebendig machen.
"Mein Rolli kommt da nicht durch."
Lour hüpft von der Schaukel.
"Das ist ja total blöd", sagt sie und stemmt die Hände in die Seite.
Total blöd für so Leute wie dich."
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Hier noch ein paar Insta- Bilder