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Auf meinem Rücken wächst ein Garten

 

Bildquelle: Picus Verlag
Auf meinem Rücken wächst ein Garten
eine Geschichte von Birgit Unterholzer
mit Bildern von Leonora Leitl
32 Seiten
1. Aufl. Januar 2016
ISBN: 978-3-85452-190-7
Picus Verlag
17,00€
Eine sehr einfühlsame aber auch ehrliche Geschichte
 zum Thema Demenz, 
die uns die Welt der Dementen etwas näher bringt
für Kinder ab 5 Jahren
"Opa ist ein bisschen aus dem Takt, sagt Fido."
"Opa hat Demenz", sagt die Mutter
Es gibt immer mehrere Sichtweisen auf dieses durchaus traurige Thema Demenz, das zeigt diese Erzählung sehr eindrucksvoll. Mit viel Feingefühl aber auch sehr ehrlich lässt Birgit Unterholzner ihren Ich-Erzählen Fido, seine Geschichte und die des geliebten Großvaters erzählen. Mal müssen wir schmunzeln, mal scheint es etwas verwirrend, mal staunen wir über die ungefilterte klare Schilderung einer Situation, aber immer spüren wir auch die tiefe Vertrautheit zwischen Opa und Enkel. Fido ist Großvaters Halt, er versteht ihn, er weiß mit ihm umzugehen, ist nicht böse wenn der Opa mal sein seinen Namen vergessen hat oder ihn anders nennt. Er hilft ihm über die Straße, ist für ihn da wann immer es geht. Es gib Momente, da ist der Opa ganz klar und sehr traurig über seine Situation, dann wieder verhält er sich fast wie ein kleines Kind. 
Die Geschichte von Fido und seinem Opa ist eine sehr besondere Geschichte, denn in den meisten Erzählungen zum Thema Demenz erfahren wir recht wenig über die Gefühle des Dementen. Das Verhalten wird in der Regel von außen betrachtet, oder nur angerissen. Hier haben wir als Leser den Eindruck, dass der Opa doch etwas mehr von sich preisgibt, auch wenn die Geschichte selbst von Fido erzählt wird.
Fido erzählt uns von seinem Großvater, erzählt, dass der Schätze in seinem Bett sammelt. So viele Schätze, das er kaum selbst noch Platz darin hat. Manchmal setzt er sogar eine Pappkrone auf und glaubt ein König zu sein. Der Opa ist oft unruhig, geht Nachts durchs Haus um sein Haus zu suchen. Wenn er schläft träumt er oft von früher, von seinen Kindern, dem Garten und den Maulbeerbäumen.
Und manchmal, da schreiben Fido Listen, mit Dingen, die sie glücklich machen. Es sind lustige Stichworte, die Opa zu Papier bringt, das Schönste jedoch ist für Fido bestimmt, das Opa ganz, ganz groß "Fido" auf seine Liste gesetzt hat. Wenn der Opa eine Liste schreibt, dann ist das ein guter Tag, nicht immer hat der Opa gute Tage. Es gibt diese Tage, da ist er sehr verwirrt und schaut mit leeren Augen, teilnahmslos ins Leere, da spricht er nicht und schreibt auch nicht. Doch das ist nicht schlimm, denn dann schreibt Fido für den Opa eine Liste und Fido weiß genau was ihn glücklich macht. Fido macht noch mehr, damit sich sein Großvater wohl fühlt und sich zu recht findet und gibt damit auf Anregungen für die Leser, die bestimmt beeindruckt sind von Fidos Einfallsreichtum. Wie sehr der Opa Fido braucht und wie traurig er über seinen Verfall ist, das zeigt eine Szene im Buch sehr deutlich. Sie müssen eine Straße überqueren. Die Hände des Opas werden schweißnass. "Früher, sagt er, früher, da war ich ein Bursche. Bärenstark. Nicht wie ein Bäumchen im Wind." ....... Als sie die Straße überquert haben flüstert der Opa: "Wenn du bei mir bist, hört das Herzklopfen auf."
Es gibt die Momente, da erzählt er davon, dass er das Gefühl hat alles würde um ihn herum kreisen. "Die Menschen, die Gegenstände, die Erinnerungen. Ich habe die Orientierung verloren........ . Mein Hirn ist klein wie eine Erbse......". Das sind oft Momente, wo man den Eindruck hat, dass er sich über sich selbst etwas lustig macht und so wird auch durchs Fidos ergänzenden Kommentare, das bedrückende aus den Worten genommen, die zwar deutlich in Erinnerung bleiben aber den Leser nicht zu sehr zu Herzen gehen. Fido schildert nicht nur schöne, oder lustige Momente, er erzählt auch von Opas Wutausbrüchen, mit denen Fido aber umgehen kann. Für Fido ist "Opa ein bisschen aus dem Takt".
"Manchmal ist er spaßiger und manchmal mutloser als andere Großväter es sind. Tagein, tagaus braucht er helfende Hände. Wie das Leben so spielt, sagt Opa. Einmal auf, einmal ab."
Aus den Augen eines Kindes ist vieles leichter als es Erwachsene erleben. Kinder haben weniger Berührungsangst, sehen vieles leichter, weil sie noch keine Verantwortung tragen, außer der, die sie selbst übernehmen. Fido übernimmt Verantwortung für seinen Opa, doch ist das nur ein Teil dessen was Verantwortung bedeutet. Die Hauptverantwortung liegt bei den Erwachsenen, die neben ihrem eigenen Alltag noch einen dementen Menschen betreuen, der für sie in der Vergangenheit das Gleiche tat. Zu sehen wie dieser Mensch sich langsam verändert ist für sie neben der Verantwortung das Schwerste. Gut wenn es dann Kinder wie Fido gibt, die es schaffen Türen zu öffnen, Brücken zu bauen.
Die Geschichte von Fido und seinem Opa, ist berührend, nicht erdrückend, sie ist humorvoll und stimmt nachdenklich. Beim Vorlesen merkt man wie die Kinder in der Geschichte mitgehen, versuchen für sich das Gehörte einzuordnen. Um ihnen die Gelegenheit zu geben wirklich zu begreifen ist es wichtig Pausen einzulegen. Das geht wunderbar in dem man in die einfühlsamen Illustrationen von Leonora Leitl eintaucht. Ihre Bilder sind mit viel Liebe zum Detail und einem besonderen Feingefühl für die Situationen, im Collagen-Stil gestaltet. Feine Bleistiftlinien und sanfte, bunte Farbigkeit bestimmen das Bild und lassen immer wieder neue Kleinigkeiten entdecken. Besonders intensiv wirken sie wenn zu den feinen Linien großflächige farbige Hintergründe zu sehen sind. Neben den Zeichnungen fließt auch der Textdruck als Stilelement mit ein.  Wichtige Botschaften werden in Großbuchstaben gedruckt. Schaut man auf das Cover, so blickt man auf ein friedliches Bild in dem das Gelbgrün des Bodens und einiger Blätter in Kombination mit den Blautönen, sehr schön die vertraute Stimmung zwischen Opa und Enkel zur Geltung kommen lässt.
Wieso die Geschichte "Auf meinem Rücken wächst ein Garten" heißt, das verrate ich hier nicht, dafür müsst ihr selbst in dieses wunderbare Buch gucken, das Kinder ab 5 Jahren bereits gut verstehen können und auch ihre Eindrücke dazu verbalisieren können.