Bildquelle: Edition Pastorenplatz
Oma Kuckuck
von Frauke Angel
und Stephanie Brittnacher
34 Seiten
1. Auflage August 2020
ISBN: 978-3-943833-39-3
Edition Pastorenplatz
14,00€
Ein Bilderbuch zum Thema Demenz
für Kinder ab 4 Jahren
Kindern das Thema Demenz näher zu bringen scheint im ersten Moment schwer doch wieso eigentlich? Weil man es den Kindern nicht zumuten möchte?
Weil man ein Kind nicht traurig stimmen möchte?
Weil...………….?
Oder weil uns Erwachsenen -die vielleicht sogar in eine persönliche Geschichte involviert sind- die Worte fehlen?
Weil es uns selbst zu sehr weh tut einzugestehen, dass ein lieber nahe stehender Mensch an Demenz erkrankt ist?
"Kinder machen sich ihr eigenes Bild von der Welt, und diese Welt möchte ich mit gestalten."
schreibt die Autorin auf ihrer Homepage,
und so hilft sie auch all denen, denen die Worte fehlen.
Die Geschichte beginnt als eine wundervoll entspannte, lustige Oma- Enkelin Geschichte in der die beiden einen schönen entspannten Tag verleben.
Aus der Ich- Erzähler Perspektive nimmt uns die Kleine mit in ihren Tag bei
Oma Kuckuck, der gut beginnt und anders als erwartet endet.
Oma Kuckuck heißt Oma Kuckuck weil in ihrem Haus ein Kuckuck in einer Kuckucksuhr wohnt der mehrmals in der Stunde sein "Kuckuck" erklingen lässt und so auch eine verlässliche Struktur in den Tag bringt, die selbst jüngere Kinder schnell erkennen.
Bei Oma Kuckuck ist es richtig schön denn sie ist herrlich verrückt oder sollte man besser sagen unkonventionell? Sie ist so wie man sich als Kind wohl eine Oma wünscht. Sie kann tolle Geschichten erzählen und kocht Vanillepudding mit Himbeeren. Das einzige was dabei zu beachten ist: "Wir nehmen einfach ein Tütchen Puddingpulver und halten uns auf keinen Fall ans Rezept!"
Zuerst pflücken sie Himbeeren im Garten, dann bereiten sie den Pudding zu und lassen es sich schmecken. Als der Kuckuck zweimal sein "Kuckuck" erklingen lässt ist es Zeit für Omas Mittagsschläfchen aus dem sie beim dreimaligen Ertönen wieder erwacht. Dann machen sie Kaffee, natürlich nach Geheimrezept und spielen Memory, aber selbstverständlich darf man sich dabei auf keinen Fall an die Spielregeln halten.
"Spielregeln sind etwas für Langeweiler" und Langeweiler haben in Oma Kuckucks Garten nichts verloren. Da ist nur Platz für "schräge Vögel" und "Memmerköniginnen". Ihr kennt keine "Memmerkönigin"?
"Memmerkönig/in" kann man werden wenn man zwei unterschiedliche Memorykarten aufdeckt und dazu eine Geschichte erzählen kann.
Eine wundervolle Idee wie ich finde und auch unserer kleinen Protagonistin gefällt diese Variante des Spiels viel besser. Vor allem weil Oma Kuckuck immer so herrliche Geschichten von früher erzählen kann. Natürlich erzählt sie Geschichten auch mehrfach und die Kleine hat auch ihre Lieblingsgeschichten, die sie immer und immer wieder hören mag.
Ihr sehr soweit ist es ein herrlich entspannter Tag. Doch es kommt anders. An diesem Tag fällt Oma Kuckuck einfach keine Geschichte ein. Als der Kuckuck fünf Mal sein Lied erklingen lässt ist dies wie eine Warnung denn nun kommt die Mutter um sie abzuholen. Die Mutter mag es nicht wenn man sich nicht an die Spielregeln hält und sie mag es auch nicht wenn Oma Kuckuck kocht. In der Augen der Mutter ist die Oma zu alt um zu kochen und auch zu vergesslich. Das dies eine berechtigte Sorge ist, ist für Kinder schwer zu verstehen doch sowohl wir als auch die kleine Protagonistin werden erleben, das diese Sorge nicht unberechtigt ist denn in der Tat war der Herd nicht aus und der Pudding übergekocht. Das es der Oma nicht gut geht ist deutlich zu erkennen. Vielleicht ist sie ja nur traurig weil sie im Memory verloren hat?
Was dann geschieht ist nicht leicht zu verstehen. Für Betroffene nicht und erst recht nicht für die Kinder, die die Tragweite nicht realisieren können. Oma Kuckuck erkennt ihre Tochter nicht, reagiert völlig unverständlich, fast kindisch und gleichzeitig mit einem Wutausbruch der nicht nur die Oma sondern auch die Mutter sehr erschöpft. Ohne die ausdrucksstarken Illustrationen wäre hier der Punkt an dem Kinder vermutlich die Vorstellungskraft fehlen würde sich in diese Situation hinein versetzten zu können. Dank der wundervollen Bilder jedoch stehen wir als Betrachter unmittelbar dabei. Wir erleben das Verhalten der Oma aber auch die Traurigkeit und Hilflosigkeit der Mutter mit all ihren Gefühlen die sie in der folgenden Zeit durchleben hautnah mit.
Die Kleine hat zunächst wenig Verständnis für das Verhalten der Mutter zur Oma, empfindet es als zu streng. Das die Mutter in einer sehr verzweifelten Lage ist wird im Laufe der Handlung erkennbar und auch thematisiert. Es ist klar, dass Oma Kuckuck nicht mehr länger allein in ihrem Haus leben kann. Jemanden in eine betreute Einrichtung zu geben ist nicht leicht. Vor allem dann nicht wenn man, wie die Mutter in dieser Geschichte, versprochen hatte, dass Oma immer in ihrem Haus bleiben darf.
Während die Mutter sich Vorwürfe macht geht die Kleine zur Oma zurück um mit ihr zu sprechen. Man könnte auch sagen um die Lage zu sondieren.
Was dabei heraus kommt solltet ihr selbst entdecken.
Ob Oma Kuckuck in ein Heim kommt möchtet ihr wissen?
Ja, daran geht kein Weg vorbei. Wir erleben aber auch, das es Oma Kuckuck dort richtig gut gefällt und das liegt auch daran, dass sich für sie ein Kindheitswunsch erfüllt.
Das man eine ernste Thematik auch humorvoll erzählen kann ohne das der Ernst dabei verloren geht das beweist Frauke Angel mit ihrer Geschichte.
Aus der Sicht der kleinen Protagonistin erzählt sie eine Geschichte, die sich so oder so ähnlich täglich in Familien mit älteren Angehörigen abspielen könnte. Mit viel Feingefühl gibt die Autorin jeder Figur Raum für die eigenen Gefühle und schafft so eine Ebene des Verständnis für alle Beteiligten insbesondere auch der Mutter, die von ihrer Tochter zunächst vielleicht als etwas streng dargestellt wird. Das dieses aus Sorge geschieht, das es ihr ganz und gar nicht leicht fällt ihre Mutter so zu bevormunden und sogar für sie zu entscheiden, das erkennt nicht nur die Kleine sondern auch die Lesekinder.
Ein besonderes Augenmerk sollte man auf die Illustrationen richten. Kinder tauchen meist von allein in die Bilderwelt ein und erkennen zuweilen Dinge, die wir Erwachsenen nicht entdecken. Wir Erwachsenen jedoch sind gerade bei der Bilderbuchbetrachtung recht oberflächlich. Um die Geschichte wirklich in ihrer ganzen Tragweilte zu erleben sollten sich die Großen hier wirklich auf die Bildwelt einlassen und dabei vielleicht auch den Blumenkasten im Garten mit dem Puddingschild entdecken, den meine Kleinen so lustig fanden, denn wer kann schon Puddingpulver aussäen?
Das Buch für Kinder geschrieben, ist ein Buch für die ganze Familie. Ein Buch, dass nicht erst gelesen werden sollte wenn der Fall der Fälle eingetreten ist. Man kann es zum Beispiel wunderbar gemütlich gemeinsam im Garten entdecken und danach ( oder auch davor) Vanilliepudding mit Himbeeren verputzen.
Ich habe das Buch mit Kindern in unserer Seniorengruppe gelesen. Es ist eine Gruppe älterer Menschen zwischen 70 und 85 Jahren, die alle noch selbstständig in ihren Wohnungen wohnen und oft auch ihre Enkel betreuen. Sie waren begeistert von dem Buch und sahen es als gute Möglichkeit mit ihren Enkeln auch über dieses Thema, das jeden treffen kann, zu sprechen.
In der Geschichte reagiert die kleine Protagonistin sehr klug. Es gibt Kritiker, die sagen, dass Kinder anders reagieren und agieren. Das mag bei dem ein oder anderem so sein doch hat meine Erfahrung gezeigt, dass Kinder mit ihrer kindlichen natürlichen Naivität und Unbefangenheit viel leichter Zugang zu Situationen finden, bei denen uns Erwachsenen die Worte fehlen.
Schön dass es dieses Buch gibt, das sich auf fröhliche, humorvolle aber auch realistische Weise in Worten und- vor allem auch Bildern- dem Thema Alter und Demenz widmet und so viel dazu beiträgt Worte zu finden wo Worte schwer zu finden sind.
Mehr über die Autorin erfahrt ihr auf ihrer Homepage.
Hier bekommt ihr einen spannenden Einblick in ihre Arbeit
Und auch über die Illustratorin erfahrt ihr auf ihrer Homepage mehr