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Matti, Oma Rose und die Dingse

 

Bildquelle: Aracari Verlag
Matti, Oma Rose und die Dingse
von Brigitte Endres
mit Bildern von Marc-Alexander Schulze
32 Seiten
1. Aufl, 26.08.2021
ISBN 978-3-907114-20-9
Aracari Verlag
14,00€
Eine warmherzige, liebevoll erzählte Geschichte
zum Thema Demenz
für Kinder ab 4 Jahren
Die Autorin Brigitte Endres weiß zu erzählen und dabei nimmt sie sich immer wieder auch schwierigen Themen an. Ob Tod, sexueller Missbrauch oder wie hier zum Thema Demenz, ihre kindgerechten Geschichten erzählen deutlich ohne dabei Angst zu machen. Das Thema Demenz wurde lange im Bilderbuchbereich vernachlässigt. Um so schöner, dass es nun präsenter wird.
In "Matti, Oma Rose und die Dingse" erzählt sie von dem kleinen Matti, der mit seiner Familie Garten an Garten mit Frau Rose lebt. 
Frau Rose ist eine ältere Dame, die Matti liebevoll nur Oma Rose nennt. Oma Rose freut sich immer sehr wenn Matti sie besuchen kommt und Matti freut sich wenn er bei ihr sein darf, denn sie hat immer Zeit für ihn. Sie puzzeln, lese Bücher oder backen die weltbesten Zimtwaffeln.
Für Matti ist Oma Rose einfach die beste Oma der Welt. Doch mit der Zeit wird die alte Dame vergesslich. Zuerst vergisst sie nur Wörter und sagt dann Dings oder Dingse, was für Matti nicht weiter schlimm ist, denn er kennt Oma Rose genau und weiß schnell was sie meint. Doch immer öfter gibt es Momente, in denen sie ihre verlegten Sachen sucht. Einmal behauptet sie sogar, dass ein Dieb im Haus gewesen sein muss. Matti glaubt nicht an einen Dieb, denn er weiß ja wie vergesslich sie geworden ist. Tatsächlich findet sich immer alles wieder an. 
Das seine geliebte Oma Rose sich so verändert macht den Jungen traurig. Er vertraut sich seiner Mutter an, der natürlich auch schon die Veränderungen aufgefallen sind. 
Einfühlsam versucht sie Matti zu verklären, dass sie zukünftig etwas mehr auf die Nachbarin aufpassen müssen, doch als sie dann eines Nachmittags an Frau Roses Haus vorbei kommen und Rauch aus dem Haus dringt wird allen klar, das es so nicht weiter gehen kann. Die alte Dame war eingeschlafen und hatte den Topf auf dem Herd vergessen.  Kurz darauf zieht Oma Rose in ein Altenheim, wo man sich besser um sie kümmern kann. Matti ist sehr traurig als er erfährt das sie die Vergesslichkeitskrankheit hat und nicht mehr neben ihnen wohnen kann. Doch eins steht für ihn fest, er wird auch dort für sie da sein. Als er sie  zusammen mit seiner Mutter und der kleinen Schwester besucht scheint es erst als würde sie ihn nicht erkennen. Erst als er seinen Namen nennt leuchten ihre Augen und als er von Zimtwaffeln erzählte, da fing sie an von ihrer Mutter zu erzählen, als wären die Erinnerungen an früher ihr näher als das was gerade passiert, denn das vergaß sie wieder.
Neben der wundervoll und sehr einfühlsam erzählten Geschichte, die bei allen Erlebnissen doch sehr leicht transportiert wird spielen die, mit viel Liebe zum Detail gezeichneten, Illustrationen eine große Rolle. Sie schaffen ein Gefühl für die Situationen und sprechen beim Leser die emotionale Ebene an. Vor allem aber verbildlichen sie das Vergessen auf besonders fantasievolle Weise. Matti und Oma Rose puzzelten gerne. Das Leben setzt sich aus vielen kleinen Puzzleteilen, die wir Erinnerungen nennen, zusammen. Wenn wir in die Bilder eintauchen fällt sofort auf, das überall Puzzleteile und Lücken zu sehen sind. Schon auf dem Cover wird damit unsere Neugierde geweckt. Mit Oma Roses Vergesslichkeit schwirren auch die Puzzleteile umher. Sie hinterlassen Lücken, die das Vergessen visualisieren. Eine ganz wundervolle Idee Kindern so anschaulich zu erklären was im Kopf eines Dementen vor sich geht.
Aber auch die sonstige Bildsprache insbesondere die ausdrucksstarke Mimik und Gestik der alten Frau vermitteln Kindern ein gutes Gefühl dafür, wie sich die Oma, aber auch Matti fühlen. Zunächst sind es nur Frau Roses  entsetzte, traurigen Blicke wenn sie bemerkt, das sie schon wieder etwas vergessen oder verlegt hat, doch dann gibt es auch die abwesenden, verwirrten Gesichter, die den Prozess des langsam zunehmenden Vergessens und der Orientierungslosigkeit deutlich machen. 
"Matti, Oma Rose  und die Dingse" ist nicht nur eine Geschichte des Vergessens. Sie zeigt wie "Familie" heute definiert werden kann. Mattis richtige Oma wohnt sehr weit weg, Oma Rose wird hier zur Ersatzoma, die nicht nur Matti zeitweise betreut sondern Mattis Familie hat auch ein Auge auf Oma Rose und fühlt sich für sie verantwortlich. Nachbarschaft, Freundschaft, sich für den anderen interessieren, sich sorgen, gegenseitig helfen und unterstützen das sind Dinge, die Kindern hier genauso vermittelt werden.
Es ist eine einfühlsame, fröhliche, aber in einigen Teilen auch nachdenklich stimmende Geschichte, die schon Kinder ab 3-4 Jahren verstehen. Sie regt zu Gesprächen an und sensibilisiert wunderbar für dieses Thema ohne zu ängstigen.