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Mein Garten! Mein Zuhause!



Bildquelle: Achse Verlag
Mein Garten!
Mein Zuhause!
von Johanna Schmidt
illustriert von Judith Vrba
32 Seiten
1. Aufl. April 2024
ISBN: 978-3-903408-19-7
Achse Verlag
22,00€
Auf euch wartet eine ganz außergewöhnliche Bilderbuch-Geschichte,
die zeigt, das alle Situationen zwei Seiten haben.
Vom Streiten, unterschiedlichen Wahrnehmungen und einen besonderen Blick in die Natur
-auch eine Geschichte über das Ökosystem Garten-
für Kinder ab 3,5 Jahren
Kennt ihr das, man ärgert sich über jemanden und ahnt nicht, dass der andere die Sache ganz anders wahrgenommen hat und sich selbst auch über einen ärgert.
Von genauso einer Geschichte erzählen Johanna Schmidt und Judith Vrba in der sie auf jeder Doppelseite zwei ganz unterschiedliche Sichtweisen auf eine Situation, ein Geschehen im Geschichtenverlauf gegenüberstellen.
"Mein Garten!" sagt Luis.
"Mein  Zuhause!" piepst Pica.
Zunächst einmal lernen wir die beiden Hauptprotagonisten Hobbygärtner Luis und Elster Pica kennen. Und wenn wir jeden für sich betrachten, sind sie sich doch ziemlich ähnlich in dem, was sie sich von einem glücklichen Leben erwarten.
Es beginnt am Morgen, wo beide ganz unabhängig voneinander von den ersten Sonnenstrahlen gekitzelt werden.
"Luis reibt seine Augen. 
Zuerst das linke, dann das rechte- und zwinkert in die Frühlingsstrahlen." (Zitat)
Auch Pica reagiert auf die ersten Sonnenstrahlen. Sie 
"....schüttelt ihre Federn und steckt ihre Flügel.
Zuerst den linken, dann den rechten- und zwinkert in die Frühlingssonne."
Doch das ist noch nicht alles, was die beiden ähnlich wahrnehmen und auch ähnlich agieren. Fast schon könnte man meinen, Luis und Pica empfinden gleich, auch wenn Mensch und Elster ganz unterschiedlich sind.
Das hat aber schnell ein Ende, als Luis das Fenster öffnet, um das erste Zwitschern der kleinen Spatzen zu hören. Doch statt dem Zwitschern der Spatzen hört er ein "TSCHAKAKAKAKA!" und ärgert sich über den läääästigen Vogel, der diese Töne herausbringt.
Zeitgleich erfreut sich Pica ebenfalls am Zwitschern der kleinen Spatzen, die unter ihm wohnen, doch plötzlich erschrickt sie ganz fürchterlich, weil Luis Fenster beim Öffnen so laut quietscht. Vor Schreck macht sie "TSCHAKAKAKAKA!" und ist so zittrig, dass sie erst einmal tief durchatmen muss.
Während Luis in Gedanken mit der Elster hadert, die ihm mit ihrem "TSCHAKAKAKAKA!" den letzten Nerv raubt und sich wünscht, sie würde sich ein anderes Zuhause suchen, versucht Pica erst einmal in ihrem Nest aufzuräumen und sich etwas zu Essen zu suchen.
Auch Luis frühstückt und geht dann in den Garten, um den Rasen zu mähen. Als er den Rasenmäher startet  und ein lautes "WRRRRUUUMMMMMMWRRUUUM" macht, erschrickt Pica erneut. Sie war gerade im Garten, um ein paar Beeren und Würmer zum Frühstück zu sammeln. Doch ihr fröhlicher, hoffnungsvoller Erkundungsflug, der durch das "WRRRRUUUMMMMMMWRRUUUM"  und damit verbundene Erschrecken gestört wird, endet fast in einer Katastrophe. Sie macht eine Vollbremsung und.....
Pica kann nicht verstehen, dass die Menschen die Natur nicht in Ruhe lassen und verzieht sich in ihr Nest, bis Luis fertig ist.
Der legt sich nach getaner Arbeit für eine kleine Auszeit auf die Gartenbank. Pica erfreut sich an der Ruhe und startet zu einem neuen Flug zum Komposthaufen, um ein paar Würmer zu ergattern. Doch dabei sieht sie die Katze, die zielstrebig auf das Spatzennest zu schleicht.
Pica ist entsetz. Sie will die Spatzen warnen und die Katze verscheuchen.
Und was macht sie? Richtig! Wieder lässt sie ein lautes "TSCHAKAKAKAKA!" ertönen.
Das wiederum hört Luis, der sich erneut gestört fühlt und....
Nun ja, was genau er macht, verrate ich hier nicht. Nur so viel, es ist mehr als gemein, es ist absolut indiskutabel. Es hat aber zur Folge, dass es Pica endgültig reicht und sie den Garten verlässt, um sich ein neues Zuhause zu suchen.
Was sie dabei alles erlebt, wie unglücklich sie ist und wie gefährlich es für sie wird, erfahren wir in der zweiten Hälfte der Geschichte, in der wir auch mitbekommen, was Luis in der Zeit so macht, denkt und fühlt.
Dabei stellt sich heraus, dass Luis Reaktion gegenüber der Elster keinesfalls eine Reaktion auf das "TSCHAKAKAKAKA!" war, sondern die Angst um die Spatzen. Luis dachte Pica würde den Spatzen etwas antun wollen.
Ihr seht ein Missverständnis folgt auf das andere und eine scheinbar friedliche Aktion führt zu einer negativen Interpretation und Reaktion und das nur, weil Mensch und Tier nicht die gleiche Sprache sprechen und keiner von beiden die Situationen hinter allem wahrnimmt.
Doch ohne zu viel zu verraten, kann ich euch sagen, es kommt der Moment, an dem Luis in sich geht und ein schlechtes Gewissen bekommt.
Er realisiert, dass er ungerecht war und würde es wiedergutmachen.
Ob die beiden doch lernen, einander zu verstehen?
Schaut ins Buch und entdeckt diese wirklich wundervolle, intensive Geschichte, die obendrein noch durch einen fantastischen Aufbau und eine tolle Gestaltung besticht.
Die gestalterische Zweiteilung der Doppelseiten, bei der wir Luis auf den linken und Pica auf den rechten Seiten erleben, ist viel mehr als eine Gegenüberstellung. Es gibt eine stille, aber deutlich spürbare Verbindung, bei der inhaltlich und visuell viele Gemeinsamkeiten erlebbar sind, die die beiden Protagonisten jedoch nicht spüren. Judith Vra fängt das in ihren wundervollen, farbigen Zeichnungen perfekt ein und auch die Schriftfarbe verdeutlicht optisch die beiden Lager. Luis Part ist in Rot gehalten Picas in Blau, sodass auch bei einem gemeinsamen Panoramabild die beiden Lager klar erkennbar sind.
Viele Sprechblasen und oft auch eine Bildteilung in mehrere kleine Bildausschnitte verleihen der Handlung eine wundervolle Lebendigkeit und gleichzeitig eine Fokussierung auf wesentliche Eindrücke.
Man muss das Buch selbst erleben, um den Zauber und die Intensität, die von diesem Zauber ausgeht, wirklich spüren zu können. Ich habe selten eine Geschichte erlebt, in der zwei Positionen gegenübergestellt werden und so gut und so klar strukturiert sind, dass man die Missverständnisse bestehend aus Aktion und Reaktion und falscher Interpretation deutlich spüren kann. Es ist wirklich ein geniales Konzept, in das sich die Geschichtensplitter perfekt einfügen.
Johanna Schmidts wunderbar beschreibender und feinfühliger Erzählstil inspiriert Kinder zu zahlreichen Kommentaren und vielen Reflexionen des Geschehens. Kinder fühlen in der Regel mehr mit Pica mit, verstehen aber auch Luis ein wenig. Vor allem erkennen sie, dass fast alles aus unterschiedlichen Wahrnehmungen, Fehlinterpretationen und Missverständnissen besteht.
"Wenn Luis das Fenster nicht geöffnet hätte oder wenn das Fenster nicht gequietscht hätte, hätte Pica sich nicht erschreckt und "TSCHAKAKAKAKA!" gemacht, und dann Luis hätte sich nicht über den "Lärm" geärgert. Also ist Luis es ja selbst endschuld, das Pica "TSCHAKAKAKAKA!" gemacht hat. Nur das ahnt er ja nicht. Vielleicht sollte ihm mal jemand sagen, dass die Geräusche, die er macht, Pica erschrecken oder stören und sie nur deshalb "TSCHAKAKAKAKA!" macht, weil das ihre Sprache ist." (O- Ton eines Kindes)
Diese Wenn-Dann-Gedanken-Reaktionen kommen beim Vorlesen oft spontan und sind vielfach mit vielen Gefühlen gespickt, die im Großen und Ganzen Mitgefühl und eine Positionierung beinhalten.
Neben den emotionalen Komponenten der Geschichte bekommen die Kinder aber auch einen realitätsnahen Eindruck vom Ökosystem Garten und dem Zusammenspiel vieler Faktoren im Kreislauf der Natur, in das der Mensch oft gedankenlos eingreift.
Die Tiere brauchen den Lebensraum Natur zum Leben und Überleben. Wir Menschen gestalten die Natur, damit wir uns darin wohlfühlen, was leider viel zu oft auf Kosten der anderen Lebewesen, aber auch der Pflanzenwelt geht.
All das und noch viel mehr wird einem durch diese wundervolle Geschichte bewusst, die wirklich viele Denkanstöße und Gesprächsstoff mit sich bringt.
Zum Abschluss gibt es noch zahlreiche Informationen zum Ökosystem Garten, die zum Teil auch Bezug auf die Geschichte nehmen und ebenfalls zum Nachdenken und aktiven Mitmachen anregen. Hier wird die Frage beantwortet was ein Ökosystem ist, die Kinder können verschiedene Vögel kennenlernen, sie erfahren etwas über ihre Lieblingsspeisen und wie man sie und auch andere Tiere im Garten sowohl im Sommer als auch Winter unterstützen kann.
So wird aus einer naturnahen Geschichte mit sozialen und emotionalen Komponenten auch ein inspirierendes Natur-Erlebnisbuch.
Freut euch auf ein tolles Buch, das man immer wieder gerne lesen und anschauen mag.


Mehr zum Buch erfährst du auf der Seite des Verlags, der Link führt hin