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Mensch, Bär! Eine Freundschaft beginnt

Bildquelle: dtv
Mensch, Bär!
eine Freundschaft beginnt
von Knut Krüger
illustriert von Catharina Westphal
112 Seiten
1. Aufl. 18. April 2024
ISBN: 978-3-423-76480-3
dtv
15,00€

Auf euch wartet eine ganz bezaubernde, fantasievolle, warmherzige, ereignisreiche, amüsante und mutige Geschichte
über eine ganz besondere Freundschaft
über scheinbare Schwächen, Akzeptanz, Toleranz, Mut und über seinen Schatten springen
Zum Vorlesen für Kinder ab 4 Jahren
und für erfahrene/ geübte Leseanfänger zum Selberlesen

Vorab:
Ich habe schon einige Stimmen gehört, die das Buch für Leseanfänger empfehlen und dies mit einer angenehm großen Schriftgröße und zahlreichen Bilder begründen.
Wer mich kennt, der weiß, ich komme aus dem Bereich der Erstleseförderung und das hier ist absolut kein Buch für Erstleser, wohl aber für geübte, erfahrene Jungleser. Sie werden viel Freude mit der Geschichte haben (das zeigt meine Erfahrung mit Kindern, die das Buch selbst gelesen haben).
Mehr dazu später

Bruno ist ein kleiner, neugieriger Bär, der gerne die Welt um sich herum entdeckt. Leider hat er einen sehr schlechten Orientierungssinn, was dazu führt, dass er den Weg nach Hause auch schon mal nur mit Hilfe wiederfindet.
Von solchen Abenteuern verrät er zu Hause natürlich nichts. Seiner Mutter erzählt er lieber kleine Flunkergeschichten, wenn sie wissen möchte, wo er schon wieder herumgetrieben hat.
Mit genau so einer Nicht-nach Hause-finden-Geschichte beginnt auch das Buch, bei dem klein Bruno uns sofort ans Herz wächst und das nicht nur weil er in Not gerät und wir Mitleid mit ihm haben, sondern weil das, was er erlebt, so nahbar ist. Die Kinder finden in Brunos Geschichte immer wieder eigene  Erfahrungs- und Lebensrealitäten, eigene Gefühle und erlebte Situationen, sodass er für sie nicht nur Geschichten-Held, sondern auch Identifikationsfigur ist.
Wer die Buchbeschreibung hinten auf dem Buch liest, bekommt nicht ansatzweise ein Gefühl dafür, wie vielschichtig und toll Brunos Geschichte ist. Neben seinen Abenteuern geht es hier auch um eine Vater-Sohn- Beziehung, um Vermissen, um die Vaterfigur des Bärenvaters im Speziellen, der viel zu selten bei Bruno und seiner Familie ist. Brunos Leben spielt sich vorrangig mit seiner Mutter ab. Hinzu kommt ein "soziales Umfeld" aus Bärenspielgefährten und einigen anderen Tiere, die ihn kennen.
Es ist aber auch eine Geschichte, die Vorurteile, Akzeptanz und Toleranz erleben lässt. Nach Brunos kleinem Nicht-nach-Hause-finden-Abenteuer und einer kleinen Flunkergeschichte für die Mutter wird es schon bald sehr spannend. Brunos Vater taucht auf, um die Familie vor dem Wehrbären zu warnen. Eigentlich hat niemand zuvor den Wehrbären gesehen, doch die Geschichten, die sich um ihn ragen, sind gruselig. In Brunos Freude, den Vater endlich wieder einmal bei sich zu haben, mischt sich die Sorge über das, was der Vater erzählt und dann war der auch schon wieder so plötzlich weg, wie er gekommen war. 
"Je kürzer, so ein Besuch, desto größer war hinterher Brunos Sehnsucht..." (Zitat) Doch die Sehnsucht rückte erst einmal in den Hintergrund angesichts der erschreckenden Nachricht, die er überbracht hatte. Für seinen Vater mehrten sich die Anzeichen, dass der Wehrbär erscheinen wird und wenn das so war, dann musste Bruno auch seine Freunde warnen. Also machte er sich auf den Weg. Womit er wohl nicht gerechnet hatte, war, dass es Bären wie die Mutter von Bjarne gab, die nicht an das Märchen vom Wehrbären glaubten und ihren Kindern das auch immer deutlich vermittelt hatten. So wird Bruno von Bjarne ausgelacht. Ich weiß nicht, was in diesem Moment schlimmer war, das Bjarne nicht an den Wehrbären glaubte, oder das, der an den Worten von Brunos Papa zweifelte. Irgendwie warf das ein Licht auf seinen Vater, das er nicht mochte, war sein Vater für ihn doch der Größte, sein Vorbild.
Aber es gab auch Tiere, die an die Existenz des Wehrbären glaubten. 
Einen ganz neuen Blick auf alles, der Bruno ängstigte und verwunderte, kam mit dem Elch, der behauptete, dass alle Bären sich zu Vollmond in Wehrbären verwandeln könnten.
Mit der Zeit kamen immer mehr Tiere, die ihren Senf zu der Geschichte geben wollten, was Bruno extrem störte, wollte er doch eigentlich mit seinem Freund Bjarne darüber sprechen.
Gerade als Bruno mit Bjarne sich auf den Weg machen wollten, einen anderen Platz zum Reden zu finden, geschah jedoch etwas Unheimliches. Ein extrem lautes Donnergrollen erschreckte alle. "Als wäre der Donner vom Himmel gefallen" (Zitat) war es auch schon wieder zu Ende.
Bruno wusste nicht, was er von alledem halten sollte. 
Wenn ihr jetzt denkt, das ist das Abenteuer, das sich durch die Geschichte ziehen wird, dann liegt ihr falsch. Es ist nur ein winzig kleiner Geschichtensplitter im großen Ganzen. Das eigentliche Abenteuer steht Bruno noch bevor. Ein wundervolles und sehr bereicherndes Abenteuer, das obendrein noch sehr amüsant wird, denn auf dem Nachhauseweg entdeckt Bruno ein Menschenjunges. Einen Menschenjungen, das ist sich der Bär ziemlich sicher. Aus sichererer Entfernung beobachtet er den Jungen, der für ihn seltsame Dinge macht. Doch die Neugier lässt ihn unvorsichtig werden. Der Junge entdeckt ihn. Das Entsetzten ist erst einmal auf beiden Seiten, doch beide sind mutig genug, einander kennenzulernen. Was beide verwundert, sie sprechen dieselbe Sprache, auch wenn Bruno nicht alle Dinge und Wörter kennt, die Noah verwendet. Aus dieser Begegnung entsteht eine wundervolle Freundschaft, die auch Bestand hat, als Bruno gesagt bekommt, dass der Mensch der Wehrbär sei. Sie ist sogar so intensiv, dass Bruno Noah aus einer gefährlichen Situation rettet und dabei mutig über seinen eigenen Schatten springt und seine Angst , Angst sein lässt.
Knut Krüger erzählt hier eine so wundervolle, aber auch abenteuerliche und spannende Geschichte, dass man O-Ton eines Kindes:" ...am liebsten gar nicht aufhören mag zu lesen." 
Und genauso ist es. Sie ist einfach soooo schön. Mehr braucht man dazu gar nicht, sagen. Alles andere müsst ihr selbst erleben und sehen, denn neben der tollen Geschichte gibt es auch ganz wundervolle farbige Illustrationen, die das Geschehen fokussiert auf verschiedene Momente wundervoll einfangen. Catharina Westphals Zeichnungen spiegeln Stimmungen und Situationen . Sie lassen uns mitfühlen, mal schaudern, mal schmunzeln und geben der Handlung eine ganz besondere Nahbarkeit.
Natürlich liefern sie auch die Möglichkeit, Lesepausen einzulegen, um in dem ein oder anderen Bild auch gedanklich zu verweilen, aber in erster Linie sind sie einfach die perfekte zusätzliche Erzählebene, denn zu erzählen haben sie viel. 
Die Geschichte ist in mehrere Kapitel unterteilt, die gezielte Lesepausen ermöglichen, doch es ist wirklich so, wie eines der Kinder sagte, man mag gar nicht aufhören zu lesen.
Hierbei sind Kinder, die selbst lesen, klar im Vorteil gegenüber den Kindern, die noch vorgelesen bekommen (müssen).
Und so schließt sich der Kreis zum Anfang der Buchvorstellung.
Das Buch erhebt nicht den Anspruch für Erstleser zu sein. Es ist eine spannende, amüsante und vielschichtige Abenteuergeschichte, die Vor- und Grundschulkinder gleichermaßen begeistert. Kinder, die gut lesen können, können sich selbst ins Abenteuer stürzen, andere lassen sich vorlesen und greifen vielleicht später, wenn sie selbst lesen können, noch einmal zum Buch.
Normalerweise greife ich das Thema selber Lesen nicht so umfassend auf. Da ich jedoch zahlreiche Stimmen gehört habe, die das Buch für Erstleser empfehlen, möchte ich erklären, wieso ich es zum selber Lesen für Erstleser nicht empfehle. Mein Tipp hier lest doch einfach erst einmal gemeinsam. Ein paar kleine Sätze zum Anfang und dann langsam steigern. Vorlesen und vorlesen lassen ist hier das Zauberwort. 

Das Thema Selberlesen ist bei Büchern wie diesem ein großes Thema.
Zum einen ist es inhaltlich und vom Erzählstil ein wunderbares Vorlesebuch für Kinder ab 4 Jahren, zum anderen ist es aber auch so abenteuerlich, spannend und handlungsreich, das es auch ältere Kinder im Grundschulalter absolut fesselt und begeistert.
Aufgrund der Textmenge und den gesamten gestalterischen Gegebenheiten ist es aber kein Buch für Leseanfänger. Wer hier selbst in die Geschichtenwelt einsteigen möchte, sollte über einige Leseerfahrung verfügen.
Hier wieder einmal der Hinweis Lesen können und sinnverständiges Lesen ist ein großer Unterschied. Nur wer sinnverständig lesen kann, kann der Geschichte auch richtig folgen. Diese Lesefertigkeit zu erwerben bedarf Übung und dafür ist dieses Buch nicht geeignet. Es ist die ideale Lektüre für Kinder, die schon recht gut lesen können.
Wieso?
Wie erwähnt ist die Textmenge recht groß.
Die Schrift ist zwar angenehm groß, doch nicht so groß, wie es für Erstleser hilfreich ist. Gleiches gilt für den Zeilenabstand.
Da die Schriftgröße kleiner ist als bei speziellen Erstlesetiteln, ist auch die Textmenge pro Zeile größer.
Die Sätze an sich sind länger, der Lesefluss ist ein anderer .
Auch das Bild Textverhältnis ist ein anderes. Hier im Buch gibt es zwar viele farbige Illustrationen. Mal kleinere Vignetten, mal große Zeichnungen und auch schon mal in eine ganze Seite eingebunden, doch es gibt auch sehr viele Seiten, wo kein Bild zu sehen ist. Es gibt sogar mehrere Seiten, die aufeinanderfolgen, wo keine Illustration eingebunden ist.
Auch gibt es recht viel wörtliche Rede, was ebenfalls für Erstleser zu Beginn nicht so leicht zu erlesen ist.
Die Geschichte ist zwar in Kapitel unterteilt, was gerade für Erstleser von Vorteil ist, da so gezielt Lesepausen gemacht werden können, jedoch gibt es Kapitel mit bis zu 19 Seiten, was für Erstleser einfach zu groß ist.

Ich hoffe, ich konnte mit dieser kleinen Übersicht ein wenig Klarheit liefern.
Ich persönlich bin nicht unbedingt ein Fan von speziellen Erstlesereihen, weil die Titel darin oft so sehr an die Anforderungen angepasst sind, dass der Lesefluss abgehackt oder gekünstelt ist und die Handlung wenig spannend.
Daher finde ich es immer toll, wenn Leseanfänger an Bücher wie dieses hier spielerisch herangeführt werden.
Das gelingt über das Vorlesen und neugierig machen und über die Möglichkeit, sich immer mal wieder etwas von den Kindern vorlesen zu lassen.
Erinnert ihr euch daran, was ich von einem der Kinde erzählt habe?
"... man möchte gar nicht aufhören zu lesen." Wenn ihr vorlest und eine kleine Pause macht (vielleicht um einen Schluck zu trinken) ist die Neugier des Kindes vielleicht so groß, dass es sich das Buch schnappt und selbst versucht weiterzulesen. Ihr könnt aber auch fragen: "Möchtest du einen Moment für mich lesen?" Und ihr könnt mit den Kindern absprechen, dass sie z.B. die ersten und letzten 2-3 Sätze lesen.
Ihr seht, es gibt genug Möglichkeiten, Leseanfänger ins Lesen der Geschichte einzubinden, auch wenn es kein Buch für Erstleser ist.
Aber durch "echte" (auch O-Ton von Kindern, die damit Erstlesebücher von anderen abgrenzen) Bücher kommt der Spaß am Lesen und mit einer Geschichte wie der von Bruno, dem kleinen, neugierigen, lebenslustigen Bären auf jeden Fall. "Es ist einfach soooooo schön!" (O-Ton vieler Kinder!)