Bildquelle: Rohans Verlag
Die kleine Kratzbürste
von Lukas Hahn
illustriert von Neha Anwar
75 Seiten
1. Aufl. Juli 2024
ISBN: 978-3-9825875-2-3
Rohans Verlag
23,99€
Eine zauberhafte Geschichte
über Wut, Eigensinn und Trotz
und wie gut es ist, jemanden zu haben, der Geduld, Verständnis und ein offenes Ohr für einen hat und einen mag, so wie man ist
-eine Reimgeschichte-
für Kinder ab 3 Jahren
Auf YouTube gibt es dieses wundervolle kleine Video
Wer kennt es nicht, es gibt Zeiten und Situationen, da spielen die Gefühle Karussell. Aus guter Laune wird urplötzlich schlechte Laune oder sogar Wut und manchmal ist kurz darauf schon wieder alles gut.
Es gibt Situationen, da ist man wütend und es gibt Situationen, gerade bei Kindern, da ist der Trotz Begleiter.
Genauso eine Geschichte ist die von der kleinen Kratzbürste, die Lukas Hahn so wundervoll einfühlsam erzählt und Neha Anwar in ganz fantastischen und emotional sehr ausdrucksstarken Illustrationen einfängt.
Die kleine Kratzbürste hat nicht zu Unrecht ihren Namen, und das nicht etwas, weil sie kratzige, harte Borsten hat, denn eigentlich sind ihre Borsten gaaanz weiche, doch leider ist sie sehr oft schlecht gelaunt und dann sind ihre Borsten kratzig hart, kratzbürstig halt.
Und wenn die Kratzbürste kratzbürstig ist und ihre sonst so weichen, zarten Borsten so hart sind, kann Schuhmacher Alfons sie nicht zum Eincremen der Schuhe benutzen.
Nur wieso ist die kleine Kratzbürste so kratzbürstig?
Alfons weiß es wirklich nicht und ist oft sichtlich überfordert mit den für ihn unverständlichen Gefühlsausbrüchen seiner kleinen weichen Lieblingsbürste. Doch zum Glück gibt es da noch die große Bürste, die sich liebevoll und mit viel Geduld der Kleinen annimmt und so nicht nur "Kummertante", "Seelendoktor" und .... sondern auch Vermittlerin zwischen Alfons und der kleinen "Kratzbürste" ist.
Mal ist die kleine Bürste sauer, weil ihr Magen knurrt, mal hat sie schlecht geschlafen, mal fühlt sie sich von Alfons nicht genug beachtet, mal ist es die Langeweile, mal macht ihr etwas Angst und wieder ein anderes Mal.....
Es gibt so viele Situationen und Gründe, wieso die kleine Bürste in Wut gerät. Doch mit Hilfe der großen Bürste, die einfühlsam, diplomatisch, empathisch, ihr zugewandt und lösungsorientiert agiert, ist die Wut und schlechte Laune relativ schnell wieder vergessen. Mit der Zeit lernt aber auch Alfons durch das Beobachten und mit der Hilfe der großen Bürste mit den Gefühlen und Launen der kleinen Bürste umzugehen, was wahrlich nicht so einfach ist.
Seine Botschaft an die kleine Lieblingsbürste mit den samtweichen Borsten, die aus unterschiedlichen Gründen zu Kratzborsten werden,
hilft der kleinen Kratzbürste bestimmt dabei.
Wer wissen möchte, welche Botschaft das genau ist, der muss in dieses wundervolle Bilderbuch schauen, dass viel mehr ist als eine tolle Geschichte zum Thema Gefühle, insbesondere Wut und Trotz.
"Ich hab dich lieb genauso wie du bist". "Ich hab dich lieb, auch wenn du manchmal wütend, trotzig oder einfach schlecht gelaunt bist". "Ich bin immer für dich da." All das ist es, was Alfons seiner kleinen Kratzbürste in ganz eigenen Worten und Gesten mitteilt und was die Kinder, die der Geschichte lauschen und in den Bildern entdecken können, vermittelt.
Die Geschichte lässt Kinder viele eigene Gefühle entdecken. Sie können sich mit den Gefühlen der kleinen Bürste identifizieren und erkennen von außen betrachtet, dass es gar nicht schlimm ist, sich mal so schlecht zu fühlen, wenn man lernt, mit den Gefühlen umzugehen.
Es ist ja nicht nur so, dass diese Gefühle die treffen, die mit einem zusammen sind, sondern einen selbst auch belasten. Niemand spürt gern Wut, ist gern gelangweilt oder schlecht gelaunt, aber diese Gefühle gehören alle zu einem und sind völlig okay.
Mit der kleinen und großen Bürste lernen die Kinder, dass sie sich öffnen und über ihre Gefühle sprechen dürfen, ja sogar müssen, denn dann kann ihnen auch in schwierigen Situationen geholfen werden.
Aber nicht nur die Kinder können aus der Geschichte viel mitnehmen. Auch Erwachsene lernen verstehen. Alfons der Schuhmacher musste ebenfalls erst lernen, mit den Gefühlen der kleinen Kratzbürste umzugehen. Dank der Geduld und Weisheit der großen Bürste konnten Alfons und seine kleine Lieblingskratzbürste zueinanderfinden und sind bestimmt für kommende Wut- und Trotzanfälle gut gewappnet. Denn eines ist gewiss, es wird immer wieder solche Situationen geben, weil sie zum Leben und zu einem selbst dazugehören.
Dank der wirklich wundervollen Illustrationen, insbesondere der Mimik der kleinen Kratzbürste ist die Geschichte sehr nahbar und mitfühlbar. Sie sind das Herzstück des Buches, das das Verstehen leichter macht.
Durch sie können die Kinder sich gut mit der kleinen Bürste verbinden und bekommen zuweilen sogar Trost.
Aus der Erfahrung heraus kann ich sagen, das Buch ist mehr als ein Trostspender, wenn sich ein Kind mit Trotz oder Wut schlecht fühlt. Es ist auch ein Brückenbauer. In der Phase, in der Wut gerade seinen Höhepunkt ist, muss man "einfach" da sein, doch dann kommt der Punkt, an dem die Wut wieder abflacht und das Kind sich einfach schlecht fühlt und sich vielleicht auch für seine Wut schämt. Genau dann kann das Buch ein echter Helfer sein. Wut kommt oft von den Außenstehenden unbemerkt, doch realisieren wir, dass sich ein schlechtes Gefühl anbahnt, kann das Buch mitunter auch Katalysator sein.
Unabhängig von der emotionalen Ebene des Buches gibt es aber noch weitere Aspekte, die das Buch so besonders so besonders schön machen und auch dazu möchte ich etwas sagen.
Die Geschichte beginnt mit Alfons, dem alten Schumacher, der mit viel Liebe und Leidenschaft seiner Arbeit nachgeht.
Detailreich und detailverliebt fängt Neha Anwar in ihren wundervollen Bildern das Handwerk des Schumachers ein, dessen Beruf kaum noch jemand kennt. Die Kinder lernen Werkzeuge kennen und benennen, sie bekommen ein Gefühl für die Arbeit des Schumachers, ja vielleicht auch für seine Schönheit und sie erleben, dass es sich lohnt, etwas zu reparieren, wieder schön herzurichten, anstatt es wegzuwerfen, wenn es kaputt geht.
Sehr beeindruckt hat mich die Ausstrahlung des Schuhmachers.
Ein Kind sagte: "Der sieht sehr zufrieden aus. Ich glaube, die Arbeit macht ihm Spaß".(O-Ton eines Kindes) und ich denke, damit trifft sie es perfekt.
Auf den ersten 20 Seiten erleben die Kinder die Schuhmacherei teilweise mit stark fokussierendem Blick und bekommen ein Gefühl für Alfons und seine Arbeit, in dessen Verlauf er dann auch zu dem Kasten greift, in dem die kleine und die große Bürste darauf warten, zum Einsatz zu kommen.
Auch hier sind es die Bilder, die beim Betrachter etwas bewirken und so geht es weiter.
Schon in der ersten Situation, in der wir Bekanntschaft mit der kleinen Kratzbürste machen, kam ein erstaunlicher Einruf eines Kindes, der zeigt, wie sehr die Kinder in der Geschichte mitgehen und sich Gedanken über die kleine Bürste machen.
"Vielleicht würde sich die kleine Bürste wohler fühlen, wenn sie nicht in einem geschlossenen Kasten wäre und darauf wartet, gebraucht zu werden. Vielleicht würde es ihr besser gehen, wenn sie in einer Schale oder Box liegen könnte und alles mitbekommt".(O-Ton eines Kindes)
Neben den Bildern der Liebe zum Schuhmacherhandwerk und der Geschichte als solche gibt es einen weiteren Aspekt, der das Buch ausmacht, und das ist die Druckschrift und die Reimsprache.
Die Druckschrift ist so wunderbar groß, dass selbst Leseanfänger sie leicht lesen können und die Reimsprache ist so gewählt, dass sie in kurzen sinnzusammenhängenden Sätzen erzählen. Auch sind die meisten Wörter als solche nicht schwer zu erlesen und im Wortschatz der Kinder.
All diese Dinge machen das Buch so schön und ansprechend für eine bereite Zielgruppe. Vom Kleinkind bis zum Grundschulkind werden alle es mögen. Und einen echten Lesespaß erleben.
Leider habe ich aber auch einen kleinen Kritikpunkt.
Es gibt zwei Wörter, mit denen Kinder so gar nichts anfangen können und mit denen auch einige der angehenden Erzieher*innen überfordert waren.
Das war zum einen das Wort "Furor"
"Doch kommt es immer wieder vor:
die kleine Bürste gerät in Furor" (Zitat)
Und zum anderen das Wort "Attitüde"
"Mal ist sie hungrig oder müde
oder hat eine andere Attitüde". (Zitat)
Sicherlich reimt es sich, doch kein Kind wird mit den Wörtern etwas anfangen können und fast noch schlimmer, auch der Reimfluss klingt zumindest bei "Furor" nicht besonders harmonisch.
Und da wäre ich dann auch bei dem Kritikpunkt, der mich am meisten schmerzt, denn ich mag nicht ein tolles Buch vorstellen und gleichzeitig etwas kritisch anmerken. Ich weiß, dass das Reimschema völlig in Ordnung ist und es Erwachsene auch anspricht, aber gerade bei jüngere Kindern wäre ein anderer Reimrhythmus zum Transportieren der Geschichte schöner. Oder vielleicht gar keine Reime.
Kinder lieben Reimgeschichten und gerade eine eingängige Reimsprache vermittelt nicht nur wunderbar Botschaften, sondern auch ein Gefühl für Sprache und das Spielen mit Sprache. Es gibt Reime und Reimgeschichten, die sind so eingängig, dass die Kinder sofort auf den Reimzug aufspringen und anfangen auch zu reimen. Noch lange nach dem Vorlesen kann man dann beobachten, wie Kinder mit ihrer Sprache spielen und fast unbewusst reimen.
Dies ist bei dieser Geschichte nicht gegeben, was wirklich nicht schlimm ist!!!!!!!!
Bitte versteht das nicht als Kritik, sondern als subjektive Meinung, die durch den Austausch mit Kindern und Erwachsene einer kleinen Gruppe entstanden ist.
Aber die Liebe zum Buch und der Geschichte in keiner Weise beeinträchtigt.
Dies ist eine absolute Herzensempfehlung!!!!
Ein wundervolles Bilderbuch mit unglaublich viel Charisma, traumhaft schönen intensiven Zeichnungen und wundervoller Botschaft.
Mehr zum Buch erfahrt ihr auf der Seite des Verlags. Der Link führt hin.