Unsere Lieblingsbücher

Neon Leon

Bildquelle: Annette Betz Verlag
Neon Leon
von Jane Clarke
mit Bildern von Britta Teckentrup
32 Seiten
ISBN: 978-3-219-11738-7
Annette Betz Verlag
14,95€

Eine Mitmach- Mutgeschichte voller Gefühl
Eine Geschichte über Anderssein und Dazugehörigkeiten
für Kinder ab 3 Jahren

Chamäleons können ihre Farbe wechseln und sich der Farbe der Natur anpassen, sodass sie nicht oder so gut wie nicht zu entdeckt sind. Das wissen sicher viele. Doch was als Schutz dienen soll ist auch etwas, was ein Chamäleon ausmacht. Alle sind so. Was wenn ein Chamäleon ganz anders ist? Genau davon erzählen uns Jane Clarke & Britta Teckentrup in dieser Geschichte.
Die Geschichte von Leon dem orange-neonfarbigen Chamäleon, dass nicht nur neon leuchtet sondern seine Farbe auch nicht wechseln kann. Leon ist immer und überall neon und das stört die anderen gewaltig und weil Leon das weiß und nicht auffallen möchte ist er sehr traurig. So traurig, dass er einen Platz sucht an dem er nicht auffällt. So kurz zusammengefasst könnte man den Inhalt der Geschichte zusammenfassen. Doch Jane Clarke und Britta Teckentrup haben sich noch etwas besonders einfallen lassen. Sie binden ihre Leser aktiv mit ein. Wir dürfen Leon bei der Suche nicht nur zusehen sondern begleiten und versuchen ihm ein wenig zu helfen.
Auf euch wartet eine Geschichte voller Gefühle. Mal betrübt traurig, mal zufrieden, dann wieder unglücklich und zum Schluss richtig glücklich und zufrieden, doch bis dahin ist es ein langer Weg für Leon, einen Weg, den er mit uns geht auch wenn er es nicht bemerkt. Wenn Chamäleons  in die gelbe, sandige Wüste gehen, werden sie gelb. Und tatsächlich alle werden gelb nur Leon nicht. Auch nicht wenn wir ihm sagen, dass er gelb werden soll. Auch nicht wenn wir es ihm laut zurufen, so wie es die Autorin vorschlägt. Dort wo es nur graue Steine gibt fällt Leon noch mehr auf. Vielleicht ist es besser Leon geht erst einmal zurück in den Dschungel um zu schlafen? "Sagst du ihm >>Gute Nacht<< und blätterst leise um?" bekommen wir vorgeschlagen und klar, wir wollen Leon helfen und sagen ihm "Gute Nacht". Nur in der Nacht leuchtet Leon so neonorange, dass die anderen sich gestört fühlen. Das macht Leon sehr traurig. Also macht er sich auf den Weg ein Platz zu suchen, an dem er nicht auffällt. Einen Platz wo er sich auch wohl fühlen kann. Als er einen Ort findet an dem viele Vögel stehen, die genauso farbig sind wie er freut er sich, doch die Vögel fliegen weiter und wieder passt Leon nicht ins Bild der Umgebung. Wie es Leon auf der Suche nach dem richtigen Platz ergeht und welche Überraschung ihn erwartet als er den Platz endlich findet, das müsst ihr selbst entdecken und Leon noch einige Male unterstützen. 
Britta Teckentrup schafft es wieder einmal auf beeindruckende Weise mit sehr gefühlvollen, ausdrucksstarken, klar fokussierenden Illustrationen ihre Leser mit in die Geschichte zu nehmen und ihnen ein Gefühl für Situationen und Gefühle zu vermitteln. 
Leon ist anders, aber er möchte nicht anders sein. Er möchte nicht auffallen, er möchte nicht der ungeliebte Außenseiter sein. Er sucht einen Platz, an dem er so sein kann wie er ist. Einen Platz der zu ihm passt. Und Leon findet diesen Platz. Mehr noch er findet jemanden, der genauso ist wie er. Es ist eine Geschichte in der wir Leon in vielen Gefühlszuständen erleben. Es ist eine Geschichte, die Raum für Gedanken und Gespräche liefert. Viel Raum.
Nach dem Entdecken der Geschichte besteht Gesprächsbedarf bei den Kindern, die sich so ihre ganz eigenen Gedanken machen. Sie fühlen mit dem kleinen Chamäleon, sie versuchen ihm zu helfen. Sie sind mit ihm traurig und freuen sich mit ihm. Während die Kinder zwischen 3 und 4 Jahren sich am Ende richtig doll mit ihm freuen sind die etwas älteren oft etwas verhaltener in ihrer Freude.
Muss man, nur weil man anders ist, sich einen anderen Platz suchen um glücklich zu sein? Sicher ist es schön Freunde zu haben, aber müssen es Freunde sein, die genauso anders sind? Kann man nicht Freunde sein, so wie man ist? 
Da ist Pepe. Pepe ist fast 6 Jahre alt und kommt aus Spanien. Er wohnt noch nicht lange hier. Er spricht fast perfekt Deutsch weil er zweisprachig aufgewachsen ist. Doch das Pepe aus einem anderen Land kommt merkt man, weil sein Deutsch einen recht lustigen Akzent hat. Pepe hat viele Freunde. Viele von ihnen sind hier geboren und dennoch sind die familiären Wurzeln woanders. Und da ist Elenor 4 Jahre. Elenor ist hier geboren. Ihre Eltern kommen aus Spanien. Die Eltern wissen noch nicht ob sie eines Tages wieder in Spanien leben werden und deshalb möchten sie das Elenor auch Spanisch sprechen kann. Zuhause wird nur Spanisch gesprochen und deshalb hat Elenor fast den gleichen lustigen Akzent wie Pepe. Pepe und Elenor sind sich fremd. Sie kennen sich nur aus der Kita. Elenor hat andere Freunde:innen wie Pepe, allein schon vom Alter trennt sie viel. Müssen Pepe und Elenor jetzt zusammen spielen weil sie die gleiche Muttersprache haben und "anders" sind als die anderen? Müssen Pepe und Elenor nach Spanien ziehen, weil da ihr Platz ist?
Ganz klar NEIN! Doch diese Fragen wurden von den älteren Kindern gestellt.
Wieso muss Leon sich ein Zuhause suchen in das er passt. Wieso kann er nicht unter den anderen Chamäleons glücklich sein? Wieso finden die anderen Chamäleons es nicht toll einen Freund zu haben, der so schön leuchtet? Wieso grenzen sie ihn aus? Wieso sagen sie ihm nicht:
 "Du bist zwar anders aber gehörst zu uns?"
Wieso kann Leon nur glücklich sein mit jemanden der genauso ist wie er?
Ich habe die Geschichte von Leon mit 4 Kindergartengruppen gelesen und immer kamen diese und ähnliche Fragen von den Kindern.
Sie freuten sich mit Leon, dass er einen Platz und einen Freund gefunden hat, fragten aber gleichzeitig wieso es nicht anders ging.
Und so haben wir hier ein Bilderbuch, das einlädt Leon aktiv zu helfen, das zeigt, dass jeder seinen Platz im Leben findet und Freunde dazu. Wir haben aber auch ein Buch, das Kinder gedanklich beschäftigt. Das Fragen aufwirft und zum diskutieren anregt ohne das wir Erwachsenen etwas fragen müssen. 
Ich weiß nicht, ob das die Absicht der Geschichte wahr, vermute aber mal, dass es nicht so war. Und dennoch finde ich es ganz wunderbar, dass es Kinder anregt zu hinterfragen, sich Gedanken zu machen und Antworten zu suchen.
Ein wundervolles Bilderbuch zur Identitätsfindung, das von außen betrachtet mehr Raum gibt darüber zu reden als wenn man selbst Teil der Geschichte wäre.