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Linas Reise ins Land des Glücks

Bildquelle: arsEdition
Linas Reise ins Land des Glücks
von Martin Widmark
mit Bildern von Emilia Dziubak
40 Seiten
1. Aufl. 2017
arsEdition
ISBN: 978-3-8458-2205-1
15,00€

Eine sonderbare, wunderbare Traumgeschichte

Linas Reise ins Land des Glücks. Ich habe schon viel über dieses ,auf den ersten Blick sehr melancholisch wirkende Buch, gelesen.
Wieso kommt man auf die Idee, dass es sich hier um ein melancholisches Buch handelt?
Es ist wohl der Titel in Verbindung mit dem Coverbild, dass diesen Eindruck erweckt.
Ein stilles Bild.
Ein trauriges, nachdenkliches Mädchen, schwebend in der Unterwasserwelt mit einer riesigen, leuchtenden Perle, die durch ihr Strahlen eine besondere Magie auslöst und gleichzeitig Zuversicht und Hoffnung vermittelt. Licht ins Dunkel bringt.

Ohne die Geschichte selbst gelesen zu haben, lege ich das Buch an die Seite. Es vermittelt mir eine traurige Stimmung, die ich in diesem Moment nicht an mich ran lassen möchte.
Dennoch überlege ich, was hat dieses Bild mit einem Land zu tun das Glück vermittelt?
Das Land Glück, was bedeutet es? Wo ist es?
Da ich gerade noch andere Dinge zu tun hab, bleibt das Buch erst einmal liegen. Mit Sicherheit wird es den Tag geben an dem ich mich auf diese Reise einlassen werde, nur halt nicht zu diesem Zeitpunkt.
*
Draußen regnet es in Strömen. Na ja, in Strömen ist wahrlich untertrieben. Es gießt wie aus Kübeln, hagelt, blitzt und donnert und mein Blick fällt auf das Buch, das ich Tage zuvor so einfach zur Seite gelegt hatte.
Es ist so dunkel, dass die Perle auf dem Cover noch intensiver strahlt. Ein Zeichen?
Ist jetzt er richtige Moment dieses Buch zu entdecken?
Ich setzte mich gemütlich in meinen Ohrensessel.
Ja, es ist der richtige Moment.
Ich öffne das Buch und bin verzaubert.
auf tief schwarzem Untergrund ranken bunte Blumen von Oben und Unten, Rechts und Links. in der Mitte viele winzig kleine farbige Pünktchen. ein paar kleine weiße Wölkchen und ein paar bunte Schmetterlinge.
Die melancholisch, traurige Stimmung des Covers ist plötzlich vergessen.
Diesem Bild wohnt ein ganz besonderer Zauber inne. Es ist so wunderbar schön, dass man es immerzu betrachten möchte.
Ich muss mich regelrecht ermahnen weiter zu blättern und nicht dort zu verweilen.
Ich blättere weiter und werde von einem weiteren Bild eingefangen.
Es ist dunkel, ein kleiner Junge sitzt in seinem Bett. Ein müdes, neugieriges aber auch nachdenkliches, staunendes Gesicht. Vor ihm sitzt ein größeres Mädchen, oder ist es eine junge Frau? Sie hält ihre Hand zu dem Jungen. An ihrer Hand ist ein Ring mit einer leuchtenden Perle, die den Zwischenraum zwischen den beiden hell und warm erstrahlen lässt. Es ist die Perle vom Coverbild nur dieses Mal viel, viel kleiner aber mit gleicher Strahlkraft.
Mein Blick wandert auf die rechte Seite mit dem Text. Das Bild macht mich neugierig, hält mich eine Weile gefangen, ich beginne zu lesen.
Zu Beginn scheint es als beginne eine ganz "normale" Gute Nacht Geschichte. Daniels Eltern sind nicht zuhause daher paßt Lina auf ihn auf, erzählt ihm eine Geschichte.
Sie erzählt von ihrem Bruder der eines Tages verschwand.
In mir macht sich gleich wieder so ein komisches Gefühl breit. Irgendwie habe ich Angst dass es jetzt traurig wird. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür aber im Hintergrund wirkt immer noch das Coverbild.
Doch ich blättre um, will weiter lesen. Dieses Vorhaben tritt jedoch wieder einmal in den Hintergrund. Das sich über die ganze Doppelseite ziehende Bild fängt mich. Auf der rechten Seite ein übergroßer Kopf. Es ist nicht direkt ersichtlich ob Junge oder Mädchen. Die Augen geschlossen flötet das Gesicht. Ein Stück glatt geschliffenes, anmutig wirkendes Holz ähnlich einer Querflöte zieht sich von der rechten auf die linke Bildseite. Die Stimmung des Vorsatz Bildes fließt mit ein. wieder weiße Wölkchen, aus denen dieses Mal jedoch Regentropfen herausfallen. Aus den Löchern der Flöte wachsen und ranken Blumen. Ganz Links am Ende hockt winzig klein ein Kind den Kopf gesenkt auf den Knien liegend. Tränen wie Regentropfen laufen hinunter.
Melancholie pur, doch dieses Mal weckt die Illustration meine Neugierde auf die Geschichte.
Lina erzählt Daniel von ihrem Bruder, der verschwand. Von der Traurigkeit, die sich besonders bei ihr breit machte und den versuchen der Eltern, trotz des Verlustes Normalität zu leben. Lina versucht ihren Eltern zu Liebe nicht traurig zu wirken aber es gelingt ihr nicht wirklich.
Als sie von den Eltern einen Schlitten geschenkt bekommt, kann sie sich nicht freuen geht aber um den Eltern eine Freude zu bereiten raus zum Schlittenfahren.
Auch das dazu gehörige Bild hat die grau-grüne Stimmung  Das weiß des Schnees ehr cremig, gelblich.
Linas roter Schlitten hebt vom Boden ab und katapultiert sie in die Luft.´
Ich blättere wieder einmal um Übergroße Insekten stehen um die am Boden liegende dunkel gekleidete Lina. sie schläft. Es erinnert einen an Schneewittchen. Auch um sie standen die Zwerge erwartungsvoll herum. Das Schwarz des Vorsatzbildes lässt auch hier die Farbigkeit der illustrierten Insekten besonders stimmungsvoll, intensiv wirken.
Eine riesige Libelle, die das gesamte obere Drittel einer Seite einnimmt schwebt über Lina und den anderen.
Die Geschichte erzählt von den Insekten, die sich um das kleine Mädchen sorgen. Sie nennen sie Däumelina.
Däumelina wacht auf und erfährt von einem riesigen Käfer in Frack, dass sie im Land des Glücks ist, in dem alle glücklich sind.
Der Käfer im Frack ist Herr Jacobi der sie durch das Land des Glücks führt. Mit den unterschiedlichsten tierischen Fortbewegungsmitteln, zu Land und in der Luft erleben wir mit Däumelina eine wundersame, abenteuerliche Reise bei der Lina sich zum ersten Mal seit langem richtig glücklich fühlt.
Zum Ende des Tages bereitet Herr Jacobi Lina darauf vor, dass sich bald ihre Wege trennen werden.
Am nächsten Morgen steht vor ihr plötzlich eine riesige Krabbe, die sie auffordert mit ihr zu gehen.
So richtig duster wirkt die Illustration  nicht. Der Himmel hell, das orange der fast seitengroßen Krabbe wirkt freundlich. Vor ihr hockt ganz klein mit nackten Beinen und blonden Haaren die kleine Lina. Im Kopf hat man die Erlebnisse des vergangenen Tages und den Titel.
Man erwartet im Land des Glücks nichts böses, dazu das neutrale Bild der Krabbe.
Und dennoch wird man kurz darauf eines besseren belehrt.
Die Krabbe ist kein freundliches, nettes Geschöpf. Lina ist eine Gabe der Insekten an die Krabbe damit diese den anderen Tieren nichts tut.
Lina muss der Krabbe folgen, für sie arbeiten.
Dort wo sie hin gehen gibt es viele Kinder. Alle müssen nach Perlen tauchen. Das ist gefährlich und anstrengend. Ein Entkommen unmöglich.
Wir treffen auf das Coverbild nur dieses Mal sehen wir Linas Gesicht. Die Perle hält sie unter dem Arm versucht sie in ein Netzt zu legen.
Am Abend schlafen alle Kinder in einer unterirdischen Höhle. eine schwarze, dunkle Welt in die nur wenig Licht einfällt. Übermächtig auch hier die Darstellung der Krabbe, die über der Höhle zu liegen scheint.
Es heißt, die Krabbe schläft nie, ein Entrinnen unmöglich.
Plötzlich hört Lina eine Flöte. Es klang wie Leons Flöte zuhause. Neugierig geht Lina in die Richtung aus der die Musik ertönt und entdeckt tatsächlich ihren so sehr vermissten Bruder.
Wieder blättere ich um und werde von einer wunderschönen Wiedersehensszene verzaubert. Lina und Leon stehen sich eng umschlungen gegenüber, der schwarze Hintergrund mit den bunten kleonen Tupfen, den Schmetterlingen und rankenden Blumen umgibt die beiden. Die Ranken umschlingen auch sie.
Sie haben sich wieder, doch wie können sie es schaffen sich aus den Fängen der Krabbe zu lösen?
Lina hat eine Idee, weiht die anderen Kinder ein. Am Morgen als sie zur Arbeit aufbrechen setzten sie ihren Plan und tatsächlich es gelingt. Sie überlisten die Krabbe, kehren ins Land des Glücks zu den Insekten zurück.
Herr Jacobi empfängt sie freudig, erzählt von ihre großen Angst vor der Krabbe die immer wieder drohte die zu schädigen, wenn sie ihr nicht Kinder lieferten.
Auch sie waren froh, dass dieses Martyrium nun ein Ende hatte. Das Land des Glücks war nun wirklich wieder ein Land des Glücks ohne Angst.
Lina und Leon und den anderen Kindern wiesen sie den Weg nach Hause.
Ein wunderschönes helles, freundliches Bild begleitet diese Abschied Szene. Überall Pflanzen und Tiere um sie herum. In ihrem Gesicht ein glückliches Lächeln.
Die Geschichte ist zu Ende.
Daniel liegt in seinem Bett und schläft. Lina streicht ihm noch einmal, mit ihrem Perlenring , den sie aus ihrer mitgenommenen Perle hat machen lassen, über den Körper.
"Gute Nacht kleine Däumelina" flüstert er noch bevor er dann einschläft.
*
Was für eine Geschichte.
Es ist als wacht man selbst aus einem langen Traum auf. Man muss sich die Augen reiben, schütteln um wieder richtig bei sich zu sein.
*
Viele vergleichen die Geschichte mit Alice im Wunderland.
Ich sehe die Verbindung nur ganz, ganz am Rande. Möchte mich dem nicht hingeben.
Die Geschichte ist zu schön um sie mit irgend einer anderen zu vergleichen.
Sie muss sich nicht messen. Sie steht fest und wunderbar für sich.
*
Ich bin froh, dass ich sie endlich entdeckt habe.
Ob ich traurig bin, sie nicht direkt gelesen zu haben?
Nein!
Alles hat seine Zeit, das habe ich im Leben gelernt. Dieses Motto begleitet mich durch mein Leben.
Und genau an diesem Tag war es die richtige Zeit.
*
Jetzt kenne ich das Buch, die Geschichte, die Bilder. Ich weiß wie sie auf mich wirkt, wie sie mich eingefangen, verzaubert aber auch zuweilen verunsichert hat.
Wie nun wirkt sie auf Kinder?
Welche Altersgruppe könnte das Buch ansprechen?
Es gibt bei uns viele verschiedene Lesegruppen. Nach Alter, oder auch gemischt, mit Senioren und ohne.
Es ist völlig klar, in die Senioren-Kindergruppe kommt das Buch mit.
Wie wirkt das Buch aber auf ein ganz "normales Leserkind"
Es gibt nur eine Lösung dieses heraus zu finden. Ich habe das in der Vergangenheit schon einige Male erfolgreich praktiziert.
Ich lege das Buch völlig allein auf unseren großen weißen Lesetisch in der Sitzecke.
Dann warte ich. Beobachte von oben das Treiben.
Dad erste Kind kommt, guckt neugierig auf das Buch
"Mama, guck mal die Perle, ist die nicht schön" höre ich die kleine 4 jährige Lina sagen.
Das das Mädchen in der Geschichte so heißt wie sie weiß sie nicht. Die Mutter kommt hinzu. Guckt kurz auf das Bild, nimmt das Buch legt es auf ein Regal an das die kleine Lina nicht kommt, mit den Worten:" das ist was für Große. dafür bist du noch zu klein." Lina ist sauer, lässt sich aber mit einem anderen Buch von der Mutter ausgesucht ablenken.
Ich atme tief durch, denke: "So eine..........., wieso lässt sie Lina nicht das Buch anschauen?"
Während ich noch überlege ob ich runter gehen soll um das Buch wieder auf den Tisch zu legen kommt eine ältere Dame mit einer Zeitschrift hinunter. Setzt sich aufs Sofa, schlägt die Zeitschrift auf , fängt an zu lesen. Lina geht zu der Frau und fragt was sie das liest.
Die beiden kommen ins Gespräch.
Linas Mutter nutzt die Gelegenheit um nach oben zu gehen um für sich selbst Bücher auszusuchen. Lina war ja mit der Frau beschäftigt, die es sichtlich genoss mit der Kleinen zu reden.
Plötzlich höre ich wie Lina zu der Frau sagt:" Du kannst du mir was vorlesen?"
Sie freut sich über die Bitte und fragt was sie denn vorlesen soll.
Ich glaube ich brauche nicht weiter  erzählen.
Als die Mutter zurück kommt erzählt Lina stolz dass sie gerade das tolle Buch lesen. Das für Große.
Man kann deutlich den Blick der Mutter erkennen, der zwischen, Verlegenheit und Verstimmtheit schwankt.
Als Lina später nach oben kommt erzählt sie mir stolz von dem schööööönen Buch was sie vorgelesen bekommen hat.
Sie fragt mich ob sie es mit nach Hause nehmen kann, doch ihre Mutter fällt ihr ins Wort. Erklärt sie hätten schon so viele Bücher und überhaupt würde sie die Geschichte ja nun schon kennen.
Lina ist sauer . Ich versuche die Situation zu retten in dem ich ihr erkläre, dass das Buch noch neu ist und erst einmal viele Kinder es sich anschauen möchte. Später könne sie sich es ja mal ausleihen.
Die Mutter sagt nichts, nimmt Lina etwas unsanft an die Hand und geht.
"Jetzt recht es aber" höre ich noch.
*
Ich hätte die Mutter gerne gefragt wieso sie so reagiert hat aber wenn ich ehrlich bin, so etwas kann ich es mir denken.
Sicherlich hatte sie auf Grund des Coverbildes den Eindruck das die Geschichte etwas duster sein könnte.
Hatte ich nicht genau die Befürchtung auch?
*
Vielleicht war es auch für Linas Mutter nicht der richtige Tag.
*
In der Kinder -Senioren Gruppe kam das Buch wunderbar an. Die älteren Leute waren, wie ich, von den Bildern fasziniert, die Kinder gingen in der Gefühlswelt von Lina-Däumelina mit.
Sie empfanden die Geschichte als Abenteuer aber nicht traurig.
Vielfach kam am Ende
"Oh, wie schööön!"
*
Gibt es ein besseres Kompliment?
*
In der Kinder Lesegruppe 4-7 haben wir das Buch auch entdeckt.
Auch hier war viel Begeisterung.
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Meine Versuche zu sehen wie Kinder allein auf das Buch reagieren habe ich fortgesetzt.
Das Resümee:
Die Kinder werden von der Wirkung des Covers insbesondere der Leuchtkraft der Perle angezogen.
Sie gucken sich die Bilder fasziniert an. Besonders die Darstellung der übergroßen Insekten spricht sie an.
*
Erwachsene stehen hin und wieder dem Buch skeptisch gegenüber, ähnlich Linas Mutter. Dennoch lesen sie es, im Gegensatz zu Linas Mutter vor, und sind dann auch gefangen von der Magie des Buches.
Häufig hörte ich
"Da haben sie aber ein schönes neues Buch", ab wann  kann man es ausleihen?
Mehrfach hörte ich auch :"Das ist ein Buch das man selbst haben möchte. Vielleicht auch ein tolles Geschenk für....."
*
Also, wer skeptisch ist dem Rate ich einen Blick ins Innere zu wagen, sie werden es nicht bereuen.
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Stimmungsvolle, verträumte, magische Bilder treffen auf eine wunderbare, leise, spannende, gefühlvolle Geschichte .
Eine äußerst gelungene Kombination eine Geschichte aus Martin Widmarks Feder, der einer  der bekanntesten schwedischen Autoren ist, und den Illustrationen der Polin  Emilia Dziubak .

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Meine Empfehlung
Gemütlich hinsetzten und mit Lina/Däumelina auf Reisen gehen.
Egal ob Jung oder Alt.

Ein Erlebnis für alle die Bilderbücher lieben.