Unsere Lieblingsbücher

Herr Hepperlin und die vergessenen Schuhe


Bildquelle: Annette Betz Verlag
Herr Hepperlin 
und die vergessenen Schuhe
von Nikola Huppertz
mit Bildern von Gareth Ryans
32 Seiten
1. Auflage 20. Juli 2020
ISBN: 978-3-219-11789-9
Annette Betz Verlag
14,95€
Eine außergewöhnliche Geschichte
über das Alter, 
über Freundschaft zwischen Alt und Jung 
und über Schuhe
über Hinsehen und nicht Wegschauen
über das Vergessen und Älterwerden
über das Leben
für Kinder ab 4 Jahren
Herr Hepperlin ist einer der ganz wenigen Menschen, der seine Schuhe noch vom Schuhmacher anfertigen und reparieren lässt. So ein Schuhmacher ist Bents Vater, der mit viel Liebe seinem Handwerk nachgeht auch wenn der damit sein tägliches Brot nicht mehr verdienen könnte. In seinem kleinen Laden gehen die Leute heute meist um Schlüssel nachmachen oder Absätze reparieren zu lassen. Nur Herr Hepperlin, der kommt um wahre Schuhmacherarbeit zu bekommen.
Bent liebt es bei seinem Vater im Geschäft zu sein und Herrn Hepperlin, der immer Eiskonfekt für ihn in der Tasche hat und ihm gezeigt hat wie man aus dem Stanniolpapier Sterne bastelt ist ihm über die Jahre zu einem ganz besonderem Freund geworden. Ein Freund, der relativ regelmäßig und verlässlich immer wieder kommt. Doch seit seinem letzten Besuch ist alles anders. Er hatte erzählt das er vergesslich wird, das er den Weg kaum gefunden hat. Er gab seine Schuhe ab damit Bents Vater sie vor dem Winter noch wintertauglich macht doch dann kommt er nicht mehr. Bent wartet und wartet, doch Herr Hepperlin kommt einfach nicht. Es wird kälter. Bent macht sich große Sorgen. Herr Hepperlin braucht doch seine Schuhe. Es muss etwas passiert sein. Hat er den Weg vielleicht jetzt ganz vergessen? Findet er nicht zu ihnen oder hat er die Schuhe vergessen? Auch Bents Vater sorgt sich. Herr Hepperlin kam zwar nie an einem festen Tag aber er kam mal früher, mal später um seine Schuhe zu holen. Als er ihn telefonisch nicht erreichen kann wird die Soge größer. Er versucht Bent ganz vorsichtig beizubringen, dass es sein kann, dass sein alter Freund seine Schuhe gar nicht mehr braucht doch davon will der Junge nichts wissen. Und so machen sie sich irgendwann mit den Schuhen auf den Weg zur Adresse des alten Herren, doch da macht keiner auf.
Es kann einfach nicht sein, dass Herr Hepperlin seine Schuhe nicht mehr braucht. Er hat bestimmt den Weg vergessen, da ist sich Bent ganz sicher und hat auch gleich eine Idee, wie er seinem Freund helfen kann sich zu erinnern. Er holt all seine gebastelten Sterne und klebt sie im Stadtteil wie einen Wegweiser zum Schuhmacherladen. So wird Herr Hepperlin sie bestimmt finden.
Und tatsächlich kurz vor Weihnachten kommt er. Er sitz im Rolllstuhl, sieht müde aus und er erzählt, dass er jetzt woanders wohnt.
Er trägt ganz fremde Pantoffeln, die bestimmt nicht wärmen. Bent ist entsetzt aber freut sich , dass sein alter Freund den Weg zu ihnen gefunden hat.
Eine wundervolle, sehr gefühlvolle, leise Geschichte, die sehr zu Herzen geht aber einen nicht traurig sondern nur ein wenig nachdenklich herausgehen lässt. Ein Ende gibt es nicht. Herr Hepperlin beauftragt Bents Vater noch ein neues Paar Schuhe für ihn anzufertigen und dann wird er auch wieder Eiskonfekt für seinen jungen Freund dabei haben.
So erzählt es die Geschichte. 
Die jüngeren Kinder, die der Geschichte gelauscht haben seufzen, würden gern noch hören wann der alte Herr wieder kommt. Die älteren stehen dem etwas anders, etwas skeptischer gegenüber. Ob er wirklich noch einmal wieder kommen wird?
Und was denken wir Erwachsenen?
Ich weiß es nicht. 
Ich hoffe er wird noch lange, immer wieder, den Weg zu Bent und seinem Vater finden.
Was für Ideen unsere Lesekinder hatten?
 Vielleicht wird Herr Hepperlin nicht mehr alleine kommen sondern mit einem Helfer oder Bent und sein Vater besuchen fortan ihren alten Freund und bringen ihm die Schuhe in sein neues Heim.
Ihr seht für niemanden ist die Geschichte ganz zu Ende. Jeder denkt sich sein Ende und genau das ist das Schöne.
Raum für eigene Interpretation, Raum für eigene Fantasie.
Neben der wundervollen Geschichte möchte ich aber auch auf die unglaublich ausdrucksstarken und stimmungsvollen besonderen Illustrationen eingehen, die einen in eine ruhige Welt mit nehmen. Eine Welt, die die meisten Kinder nicht mehr kennen und erleben werden, denn es gibt sie so gut wie nicht mehr, die kleinen Handwerksbetriebe wie den Schuhmacher. Schon im Vorsatz blicken wir auf Handwerkszeug des Schumachers. Schere, Zangen, Ahle, Nadel und Faden . Aber auch in den darauf  folgenden Bildern sehen wir die unterschiedlichsten Schuhmacherutensilien. Auch in dem Laden von Bents Vater in dem sich die Geschichte zum größten Teil abspielt  scheint die Zeit still zu stehen und genau das macht den Charme des Bilderbuches aus. Die Farben strahlen eine schöne Wärme aus, vermitteln ein Gefühl der Geborgenheit, auch wenn es grau und braun Töne gibt. Es wirkt wie eine kleine Zeitreise, die meine Lesekinder sehr lieben. Oft höre ich:
Ja, früher, früher wie war es da?
Könnte die Geschichte von Herrn Hepperlin Anlass sein mit Kindern einmal über Früher, über Handwerksberufe zu sprechen?
 Mit Sicherheit!
Ich habe den Kindern von meinen Erinnerungen an unseren Schuhmacher im Ort erzählt. Vielleicht habt ihr ja auch welche.
Vielleicht gibt es auch ein Freilichtmuseum, ein Museumsdorf in dem altes Handwerk noch erlebbar  ist.
So ist diese Geschichte eine Geschichte über eine besondere Freundschaft, über die Freundschaft zwischen Jung und Alt. Eine Geschichte, die zeigt, dass man sich mehr für seine Mitmenschen interessieren sollte. Aber eben auch eine Geschichte über altes Handwerk, über den Schuhmacher.
Für mich ist es eines der Bilderbücher, das ich niemals abgeben würde weil es in Wort und Bild eine Geschichte erzählt, die Erinnerungen weckt, die zu Herzen geht, die von etwas erzählt, das man nicht vergessen sollte.
Ob es den Kindern auch so geht?
Von den Kindern zwischen 5 und 8 Jahren habe ich viele Rückmeldungen die sich alle um Herrn Hepplerin, der ja ihr Opa oder Ur-Opa sein könnte, drehen. Ihnen ist seine Geschichte zu Herzen gegangen. Die empfinden Empathie und die macht das Bilderbuch dann auch zu einem Lieblingsbuch, dass man immer wieder gerne liest.

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 Auch wenn der Trend wieder zum Handwerk geht müssen wir erkennen, dass solche kleine Geschäfte fast ausgestorben sind weil sich unser Konsumverhalten verändert hat.
Ich erinnere mich noch gut an den kleinen Schuhmacherladen meiner Kindheit. Im Souterrain eines Hauses. Er war ziemlich dunkel und roch so besonders. Nicht schlecht aber irgendwie anders als sonst irgendwo. Und ich erinnere mich wie der Schuhmacher bei meiner Oma Maß genommen hat für neue Schuhe. Woran ich mich jedoch am meisten erinnere sind die vielen Vogelkäfige und das fortwährende Gezwitscher der kleinen gefiederten Bewohner.
Als Kind habe ich mich nicht gefragt wieso der Schuhmacher so viele Vögel hatte. Als ich etwas älter war fragte ich mich ob es nicht nervt wenn ständig etwas piepst. Nie habe ich mich gefragt ob es etwas zu bedeuten hat, das ausgerechnet dort die Vögel mit leben. 
Heute weiß ich, dass die kleinen Vögelchen in früheren Zeiten eine Art Lebensversicherung für den Schuhmacher waren denn es wurde mit gefährlichen, sehr ungesunden Materialien gearbeitet, die Dämpfe absonderten, die für Menschen gefährlich werden konnten. So waren die Vögel eine Vorwarnsystem.