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Der Verwechsling


Bildquelle: arsEdition
Der Verwechsling
von Kai Lüftner
illustriert von Emilia Dziubak
40 Seiten
1. Aufl. 23.Oktober 2023
ISBN: 978-3-8458-5388-8
arsEdition
16,00€


Ein magisches, gefühlvolles skandinavisches Märchen
nicht nur für Kinder ab 6 Jahren
"Was für ein wundervolles Buch", war mein erster gefühlter Gedanke, als ich das Buch zuschlug.
Ich muss zugeben, selten hat mich ein Bilderbuch so berührt und erfüllt, wie Kai Lüftners Märchen vom Verwechsling.
Er ist ein begnadeter Märchenerzähler, der es in Perfektion beherrscht mit Sprache zu spielen, um zu erzählen und zu beschreiben. Eigentlich ist er ein Bildermaler, denn mit seiner faszinierenden Art beschreibend, bildlich zu erzählen und Stimmungen einzufangen malt er Bilder in den Köpfen seiner Leser und Zuhörer, die schöner nicht sein können, mitreisen und sich weiterentwickeln, was nicht heißt, dass man Emilia Dzubiaks atemberaubend schönen Zeichnungen nicht braucht. Sie sind das Tüpfelchen auf dem I, und erzählen zudem wundervolle kleine Randgeschichten, oder liefern Einblicke, die wir in der Erzählung nicht bekommen. Bilder und Text verschmelzen hier zu einer perfekten Einheit, wie es besser nicht sein könnte.
Wer sich etwas mit Kai Lüftner beschäftigt hat, der weiß, dass er seit einigen Jahren auf der dänischen Insel Bornholm wohnt. Wie in allen skandinavischen Ländern gehören auch dort Märchen und Sagen um Elfen, Trolle, Zwergen und Riesen.... zum Leben der Menschen. Was liegt da für einen Poeten, Dichter und Denker näher als sich in diese mystisch-magische Welt zu begeben und selbst eine Geschichte dazu zu erzählen. Und auch wenn sie jetzt noch nicht zu den bekannten Märchen gehört, in ein paar Jahren, wird sie jeder dort kennen, denn sie ist so wundervoll, so intensiv, dass man sie für immer in seinem Herzen tragen und weitererzählen wird, mit Buch, oder auch ohne.
Kai Lüftner nimmt uns mit auf die raue Insel an einen Ort mit hohen Bäumen und umgeknickten Baumriesen, die vor sich hin modern. Einer borstigen Heidelandschaft und Klippen, die hundert Meter tief abfallen. Und genau dort am Ende des Mumelpfades befindet sich ein kleines Häuschen, dass man auf den ersten Blick gar nicht als solches erkennt. Kai Lüftner findet hierfür so unglaublich tiefe, beschreibende Worte, dass es einem vor Faszination schon ein wenig freudig und erwartungsvoll schaudern lässt.
In diesem Häuschen leben der alte Per mit seiner Frau Tove und ein kleiner Junge von etwa 7 Jahren (so zumindest schätzten die beiden sein Alter), den sie Vilmar tauften. 5 Jahre war es nun schon her, dass die beiden ihn mitten auf dem Murmelpfad fanden. "Er weinte nicht, sagte nichts und wusste weder wie er hieß, noch wo er herkam."
Die zwei Alten nahmen sich dem Kleinen an, der seltsam wirkte und seltsam war. Viel größer ist er in all den Jahren nicht geworden und gesprochen hat er auch nie mit ihnen. Es dauerte lange, bis sich alle aneinander gewöhnt hatten, doch mit den Jahren wurden sie zu einer Familie, in der man sich auch ohne Worte verstand.
Wie die Drei lebten und wie sich Vilmar entwickelte, wie Per Vilmar das Lesen und Schnitzen beibrachte und allerlei handwerkliche Dinge, und Tove ihn in die Kunst des Kochens einweihte, von dem allen erfahrt ihr, wenn ihr in die Geschichte eintaucht, die sich wirklich sofort in euere Herzen festsetzt.
Vilmar ging es gut bei Tove und Per und dennoch hatte er das Gefühl anders zu sein. Er fühlte sich am falschen Platz, doch er konnte sich das alles nicht erklären, bis sie eines Tages im 5 Jahr seines Lebens mit seinen Ersatzeltern, auf einem Spaziergang einen alten Mann trafen, der ebenfalls kaum sprach. Es war Pers bester Freund Hendrik. Hendrik verstand Vilmar ohne Worte und er schenkte ihm ein Buch.
Vilmar setzte sich zuhause sofort hin und laß in dem Buch, dann stand er plötzlich auf und verließ wortlos das Haus.
Wieso verrate ich natürlich nicht.
Das ist dann auch der Moment, wo die Geschichte erst einmal traurig wird, obwohl sie nicht traurig ist. Vilmar kommt nicht wieder zurück. Per und Tove leben wieder allein. Als Per im Buch laß, wusste er plötzlich, wer Vilmar war und wo er ist. Vilmar ist nicht wirklich weg. Er kommt sie besuchen, auch wenn sie ihn nicht sehen. Seine Zeichen, seine kleinen Streiche und auch mal ein Geschenk, lassen die beiden Alten wissen, ihrem Kleinen geht es gut.
Wenn ihr findet, dass ich in Rätseln spreche, dann denkt daran, wir sind im Land der Märchen und Sagen, wo seltsame Wesen zum Leben dazu gehören.
Kai Lüftners atmosphärisches Märchen vom Verwechsling entführt einen in genau diese magische Welt, in der vieles passiert, aber nicht alles erklärbar ist.
Es ist aber auch eine Geschichte von Selbstfindung und dem Glück des Lebens. Vilmar fühlte sich immer irgendwie falsch, er war so anders wie alle anderen, findet aber heraus, wieso das so ist und wer er ist. Tove und Per leben ein karges Leben aber voller Zufriedenheit. Sie sind sich selbst genug, sie lassen uns Leser erleben, was wirklich wichtig und erfüllend im Leben ist.
Völlig faszinierend finde ich wie ruhig man innerlich beim Lesen wird und wie beseelt man aus dieser Geschichte wieder hinausgeht. Das Märchen macht etwas mit einem, dass wohl jeder anders beschreiben wird, nur eines ist klar, jeder wird berührt. Die Magie der Erzählung schleicht sich in die Leserherzen und setzt sich fest.
Für viele Skandinavier gehören Sagen und Fabelwesen zum Leben. Sei es, wenn es darum geht, irgendwo ein Haus zu bauen oder in der Natur zu spazieren, sie glauben an die Magie, an die Wesen und achten sie. Auch Per und Tove glauben fest daran. Mehr noch sie wissen, dass es Wesen gibt, die sie nicht sehen könne, sie aber umgeben. Es würde uns gut stehen uns etwas von ihnen abzuschauen und zu verinnerlichen. Es würde nicht nur die Naturverbundenheit stärken, sondern vielleicht ja sogar für mehr innere Gelassenheit und Ruhe führen. Wir müssen nicht alles erklären können was um uns herum passiert.

Bilderbücher müssen nicht immer nur für Kinder sein!
Dieses Bilderbuch mit den wirklich unglaublich tollen Zeichnungen und der absolut magischen Geschichte, ist genauso ein Buch, dass ich auch Erwachsenen schenken werde. Vielleicht sogar mehr Erwachsenen wie Kindern.
Für Kinder ab 6 Jahren empfiehlt der Verlag und dem würde ich mich anschließen, vielleicht sogar etwas früher. Je nach Kind und seiner Affinität zu Märchen und Sagen.
Ich will nicht verschweigen, dass einige Kinder, genau wie ich etwas schlucken mussten (Kinder zwischen 5,5 und 9 Jahren), aber letztendlich waren fast alle begeistert. "Schön und traurig, traurigschön, gibt es das?" fragte ein Kind und schaute dabei ganz versonnen auf das Buch.

Für mich persönlich ist dieses Buch das faszinierendste und magischste, was dieses Jahr auf den Kinderbuchmarkt erschienen ist. Ein Buch für Klein und Groß. Ein Bilderbuch mit viel Text, einer intensiven, er bildlichen Geschichte, wundervoll erzählt von Kai Lüftner, stimmungsvoll und ausdrucksstark illustriert von Emilia Dziubak