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Du fehlst so, Hase!

Bildquelle: Penguin Junior
Du fehlst so, Hase!
von John Dougherty
illustriert von Thomas Docherty
aus dem Englischen von Katja Frixe
40 Seiten
1. Aufl. 27. März 2024
Penguin Junior
15,00€
Auf euch wartet eine warmherzige, einfühlsame, wie hoffnungsvolle Geschichte über den Tod
Welche Lücke plötzlich da ist, und wie sie mit Hilfe von Freunden und der Kraft der Erinnerungen so gefüllt werden kann, dass man wieder glücklich durchs Leben reisen kann
für Kinder ab 4 Jahren
Ich kenne das Buch schon etwas länger in der original-englischsprachigen Paperback-Version. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass der Penguin Junior Verlag die Rechte für den deutschsprachigen Buchmarkt erworben hat und Katja Frixe (selbst Kinderbuchautorin) gebeten hat diese ins Deutsche zu übersetzten. Doch um diesmal vorwegzunehmen. Übersetzten ist nicht einfach übersetzten, und erst recht nicht bei einer Reimgeschichte. Hier ist viel Einfühlungsvermögen und Sprachgefühl nötig, um die Handlung, Stimmungen und Botschaften im richtigen Rhythmus zu transportieren, und das ist Katja Frixe fantastisch gelungen.
Oftmals ist es so, dass man eine englischsprachige Reimgeschichte liest, bei der die Worte nur so von den Lippen hüpfen und das im perfekten Rhythmus zur Handlung,  in der deutschen Übersetzung ist es dann allerdings unglaublich unharmonisch. Dem ist hier nicht so. Katja Frixe hat die Seele der Geschichte mit ihrem ganz eigenen Klang fantastisch eingefangen und transportiert. Und weil ich ohnehin finde, dass die Arbeit der Übersetzenden viel zu selten bei Rezensionen mit erwähnt wird, wollte ich dies einmal vorwegstellen.
Aber nun zum Buch und der Geschichte.
Ich bin sehr froh, dass der Penguin Verlag ein anderes Cover gewählt hat als der engl. Verlag Frances Lincoln Children's Books, denn es stahlt sowohl in seiner Farbigkeit als auch in Bezug auf die Botschaft, die über das Bild transportiert wird, eine wohltuende Leichtigkeit und etwas Hoffnungsvolles aus, wohin gegen der zwar bunte Hase auf weißem Grund mit seinem gesenkten Kopf, allein durch die Köperhaltung etwas Trauriges ausstrahlt. Zugegeben der Anlass der Geschichte ist erst einmal traurig, denn der Hase ist plötzlich nicht mehr da und hinterlässt ein Loch, doch hier geht es ja auch um die Hoffnung, um die schönen Erinnerungen, die das Herz wärmen, und den Verlust leichter machen. Erinnerungen, in denen der Hase da ist, Erinnerungen, die deutlich spüren lassen, dass er zwar physisch nicht mehr da ist, aber trotzdem immer da sein wird, und da ist das Cover der deutschsprachigen Ausgabe schon der erste Schritt zur Hoffnung in trauriger Zeit.
Die Geschichte beginnt mit wunderschönen gemeinsamen Momenten von Hase Leo und Schildköte Cleo. Die beiden gibt es nur im Doppelpack, denn obwohl sie erst einmal so verschieden zu sein scheinen sind sie weltbeste Freunde und da spielt es keine Rolle, ob der eine langsam und der andere schnell ist, oder ob der eine das Wasser liebt, wohingegen der andere dem Wasser ängstlich entgegensteht. Es macht so viel Spaß die beiden zu begleiten und zu beobachten wieviel Spaß sie zusammen haben.
"Du bist das Wichtigste auf der Welt.
Und unsere Freundschaft, die ewig hält!"
Das sagten beide und meinten es so,
denn nur miteinander waren sie froh
." (Zitat)

Doch eines Tages wartete Cleo vergebens auf Leo. Leo kam einfach nicht. Cleo versteht die Welt nicht mehr.
"Hase Leo hat ein Loch dagelassen"(Zitat) heißt es in der Geschichte. Im Bild sehen wir eine völlig dunkle Hasengestalt, die das Loch symbolisieren soll. "Es ist wie ausgestanzt", sagte ein Kind.
Und dieses "Loch" bleibt in der weiteren Handlung erst einmal genauso im Bild. Leo ist da, und auch nicht da. Cleo sucht Leo überall, aber es bleibt immer nur das Loch. Einfühlsam beschreibt John Dougherty (Katja Frixe) Leos Suche und Gefühle, die im Handlungsverlauf wechseln und sich an dem orientieren, was wir über den Trauerprozess wissen.

Vermissen, Traurigkeit, dann Wut, die Schuld bei sich suchen. "Was kann ich tun, damit du wiederkommst?" "Kommst du zurück, wenn ich ganz lieb bin?“,  hinzu kommt die lähmende Leere, unendliche Traurigkeit, alles ist sinnlos und trüb, was Thomas Docherty in sehr ausdrucksstarken Zeichnungen einfängt.
Er zeigt hier nicht nur eine traurige, weinende Cleo, sondern auch die Stimmung des ganzen Bildes passt er Leos Gefühlen an. Er lässt es stürmen und regnen, Blätter fallen von den Bäumen. Doch dann wird Cleo von Otto, dem Bären gefunden. Er nimmt sich der kleinen Schildkröte an. Er nimmt sie in seine großen Arme und tröstet sie. Er ist für sie da, einfach da und er hört ihr zu, versucht ihre Fragen zu beantworten und lässt sie an seinen eigenen Erfahrungen, die er im Laufe seines Lebens gemacht hat, teilhaben.
Behutsam erklärt er ihr, dass das Loch bleiben wird, dass man es nicht einfach vertreiben kann, aber dass man es mit den schönen Erinnerungen, an all das, was man gemeinsam erlebt hat, füllen.
"Zeig der Leere, was Leo war:
dein bester Freund und soooo wunderbar!"
(Zitat)
Der Bär sagt aber auch, dass das Erinnern Kraft braucht. Dass man sich erst einmal aufraffen muss. Cleo findet mit Ottos Hilfe die Kraft, die es braucht, um sich zu erinnern und Stück für Stück wird Cleos Herz leichter und warm. Und nicht nur das, auch das Loch füllt sich mit den vielen bunten, schönen Erinnerungen, was Thomas Docherty wiederum in einem wunderschönen Bild festhält. Von da an gehen Cleo und Leo wieder Hand in Hand, auch wenn es nicht physisch so ist, fühlt Cleo, dass sie nie allein ist, dass Leo stets bei ihr ist. Und um die Botschaft zu verstärken hat Thomas Docherty sich noch etwas wunderschönes einfallen lassen, aber das müsst ihr alleine entdecken.
Es ist ein intensiver und langer Prozess, um zu begreifen, dass der Tod (der hier nie als Wort ausgesprochen wird) nicht das Ende ist. Wer einen lieben Freund, ein Familienmitglied verliert, ist nicht allein. In unseren Erinnerungen sind sie immer bei uns, ganz nah.
In John Doughertys Geschichte von Leo und Cleo erleben wir den Trauerprozess intensiv und in vielen Facetten. Wir erleben aber auch die Intensität von Freundschaft und Zusammenhalt. Es ist wirklich schön zu sehen, wie die Freundschaft zweier eigentlich so unterschiedlicher Wesen trägt. Dass die gemeinsame Zeit dem Trauerprozess vorangestellt ist, lässt den Verlust sehr intensiv erleben. Das Otto der große alte Bär sich der kleinen Cleo annimmt ist wirkt auch auf die Leser sehr beschützend.
Es zeigt aber auch, wie wichtig es ist, jemanden zu haben, der für einen da ist, wie wichtig es ist jemanden an sich heranzulassen, der einem hilft. Der einfach da ist, einen in den Arm nimmt, der mit einem schweigen kann, der zuhört, der Fragen hilft zu beantworten und einem Mut macht.
Hoffnungsvolle, intensive Bilderbücher wie dieses sind nicht nur für die Trauerbegleitung und Trauerarbeit sehr wichtig, sie können wunderbar mit Kindern entdeckt und gelesen werden, ohne dass es einen Anlass dazu gibt. Je mehr wir das Thema Trauer, Abschiednehmen und Tod in den Alltag integrieren und darüber sprechen, je besser können Kinder in aufkommenden Ereignissen damit umgehen.
Der Tod, die Trauer sollte kein Tabu-Thema sein.
Je mehr die Kinder darüber wissen, davon schon gehört und darüber gesprochen haben, je weniger Angst haben sie davor. Was lähmt ist das Unbekannte, das Angst macht in Kombination mit der Trauer. Trauer gehört zum Abschiednehmen dazu. Ein Trauerprozess ist wichtig, doch vorbereitet und begleitend mit Büchern, kann dieser Prozess viel erleichtern, Mut machen und Trost und Hoffnung schenken.
 John Dougherty erzählt mit einem Spiel von Leichtigkeit und Traurigkeit, was
Thomas Docherty in seinen Zeichnungen aufgreift und weiterführt. Katja Frixe ist es wiederum wunderbar gelungen, die Geschichte mit ihrer Reimsprache so zu erzählen, dass die Stimmungen und Gefühle und die Dynamik der Handlung sehr intensiv und schön zu spüren sind. Gerade die Dynamik der Geschichte, mit dem Wechsel von lebhaft-freudig zu still-traurig und später zum Hoffnungsvollen, das sie über die Reimsprache transportiert ist einfach wunderbar. 
So erlebt man hier eine Geschichte über Trauer, die sehr viel Hoffnung und Freundschaft vermittelt.
Und ich kann es nur nich einmal betonen, die Illustrationen sind einfach so, so wundervoll. Die Kinder lieben dieses Buch so sehr, obwohl es diesen traurigen Handlungskern hat, und das liegt nicht zu Letzt an den kunterbunten Zeichnungen mit ihrer Ausdrucksstärke auf allen Gefühlsebenen.
Zum Abschluss noch ein Insta-Bild



Hier noch der Hinweis auf die englischsprachige Originalausgabe
 
Frances Lincoln Children's Books
The Hare-Shaped Hole
von John Dougherty
illustriert von Thomas Docherty
32 Seiten Paperback-Version
1. Aufl. 07. März 2023
ISBN: 978-0711276055
Frances Lincoln Children's Books
9,95€
oder festgebunden
1. Aufl. 02. Januar 2024
ISBN: 978-0711276079
18,99$
in Deutschland ab 29,88€
Mehr Informationen zu den englischsprachigen Ausgaben findest du über diesen Link, direkt beim Verlag

https://quarto.com/books/9780711276079/the-hare-shaped-hole