Bildquelle: Moritz Verlag
Plötzlich war Lysander da
von Antje Damm
36 Seiten
1. Aufl. 2017
Moritz Verlag
ISBN 9783895653445
12,95€
Angst vor Fremden / Toleranz
Im Zeichen von Fremdenfeindlichkeit greift dieses Buch ein aktuelles Thema auf.
Die Mäusefamilie bekommt Post vom Bürgermeister. Eigentlich bekommen sie nie Post doch was sie dann erfahren verschlägt ihnen fast die Sprache.
Sie sollen eine Einquartierung bekommen. Ein Fremder soll mit ihnen in ihrer doch eh schon kleine Höhlenwohnung leben womöglich noch mit ihnen essen?
Für Drei reichen die Kartoffelvorräte ja schon kaum noch einen vierten durchzufüttern, das geht gar nicht.
Während sie ihr tägliches Essen vorbereiten und noch darüber nachdenken vielleicht das Mauseloch zu verschließen kommt plötzlich ein nettes, fröhlich aussehendes, höfliches Wesen herein.
Es ist Lysander, ein Lurch aus dem Moor ganz weit weg. Er ist sehr müde von der langen Reise und würde sich nun zu gern erst einmal ausruhen.
Die Mäuse stauen, vom Moor hatte sie gehört, das war wirklich sehr, sehr weit weg.
Völlig übermüdet schläft er sofort auf dem Sofa ein. Und was macht unsere Mäusefamile?
Die haben nichts besseres zu tun als neugierig Lysanders Rucksack zu durchwühlen.
Am nächsten Morgen möchte der Lurch baden. Da Mäuse nicht gerne und äußerst selten überhaupt baden ist das kein Problem, die Badewanne wird ohnehin nie benötigt.
Doch wo soll der ungebetene Fremde in der engen Mausehöhle untergebracht werden. Das Sofa ist keine Dauerlösung schließlich brauchen sie es selbst.
Da die Mäuse die Badewanne nicht brauchen schlägt Lysander vor sich dort einzurichten. Der Platz würde ausreichen. Nichts sprach dagegen und so beginnt er Eimer voller Erde herbeizuschaffen, die er in die Wanne füllt, plötzlich jedoch sehr zum Ärger der dicken Dora, die Angst hat das die Erde den Abfluss verstopft dabei ist es doch völlig unerheblich, da sie diese ohnehin nie nutzt.
Als der Lurch fertig ist nimmt er ein Säckchen aus seinem Rucksack und streut die Körner, die sich darin befinden in den Erdmatsch und verschwindet selbst auch noch darin.
Die Mäuse sind empört, fühlen sich gestört und dann fehlt auch noch Kathinkas Puppe.
einen seltsamen Mitbewohner haben sie da bekommen. Liebt Dreck und Matsch kommt aus dem Moor, nein, so jemand passt gar nicht zu ihnen. Ein wenig unheimlich ist ihnen zumute.
Haben sie etwa Angst vor dem Fremden?
Die kleine Kathinka ist neugierig und offen. Wieso auch sollte sie Angst haben. Der Lurch war doch stets höflich zu ihnen gewesen. Sie sucht den Kontakt zu Lysander, der sich freut nicht nur Ablehnung zu spüren.
Als die Mäuse am nächsten Morgen erwachen ist ihre Höhle kaum wieder zu erkennen. Wunderbare grüne Pflanzen mit bunten Blumen ranken überall und lassen ihre Wohnung in allen Farben leuchten.
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft denn nicht nur das es jetzt ganz bunt und fröhlich in ihrer grauen tristen Höhle ist mehr noch von da an gibt es zu den Kartoffeln auch noch Salt von den Blättern.
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Die Botschaft ist klar, mit Neuem wird die Welt bunter und reicher.
Es ist also gut sich nicht zu verschließen sondern offen zu sein für fremdes.
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Allein die Geschichte ist schon unvergleichlich gut erzählt aber die Bilder, die Antje Damm dazu kreiert hat, und ich sage bewusst nicht gezeichnet, sind grandios.
Mit viel Liebe und unglaublichem Feingefühl hat sie Landschaften gebaut in die sie noch mittels Collagentechnik zusätzliche Elemente einfügt und dahinein die gezeichneten Figuren platziert.
So entsteht eine Dreidimensionalität, die eine unglaubliche Tiefe und Atmosphäre schafft. Man hat das Gefühl mit im Raum zu stehen. Wie Fotos in die zusätzlich etwas eingebracht wird.
Hier sieht man, wie Antje Damm ihr Wissen aus ihrem Architekturstudium mit den künstlerischen Elementen der Illustration verbindet.
Unsere Lesekinder waren so unglaublich begeistert von den Bildern, das sie mir Löcher in den Bauch gefragt haben, wie diese Bilder zustande gekommen sind.
Zugegeben ich habe da meine Ideen aber genau weiß ich es auch nicht. Wir haben viel gesprochen und sind dann zu der Überlegung gekommen, das die Kinder ihre Fragen aufschreiben und ich versuchen werde sie der Illustratorin zu übermitteln.
Ich hoffe das klappt. Wenn trage ich es hier selbstverständlich nach.
Einen kleinen Eindruck von den Bildern könnt ihr schon jetzt bekommen. Der Moritz Verlag hat auf seiner Seite einige Illustrationen veröffentlicht. Ihr könnt unter folgendem Link dort hin gelangen.
Zwei habe ich hier mal für euch herausgesucht
Hier erkennt man sehr schön wie Antje Damm diese Geschichte illustriert hat.
Eine Geschichte, die viel Gesprächsstoff liefert.
Zum einen das Verhalten der Mäuse, das von Ablehnung geprägt ist bis sie zu der Erkenntnis kommen, das Lysander eine enorme Bereicherung für ihr Leben darstellt.
Zum anderen aber auch die Problematik, das jemand von außen bestimmt, da kommt jetzt jemand zu euch ins Haus.
"Was würdet ihr tun, wenn eure Familie so einen Brief bekäme und ihr euer Kinderzimmer, euer Spielzeug und vielleicht eure Anziehsachen plötzlich teilen müsst?" fragte ich unsere Lesekinder.
Erstaunlich waren ihre Antworten.
Von " das ist doch kein Problem" bis hin zu "...das gibt es bei uns nicht. Für Leute aus anderen Ländern gibt es extra Wohnungen und so was wie Heime" war alles dabei.
Als ich ihnen erklärte, das es genau so etwas tatsächlich einmal gegeben hat konnten sie es kaum glauben.
Ich erzählte ihnen wie es im und nach dem zweiten Weltkrieg war. Das viele Familien, Mütter mit ihren Kindern bei Fremden einquartiert wurden. Das dies nicht immer leicht war für beide Seiten. Und da viel mir ein, dass einige Senioren aus unserer Seniorenlesegruppe genau solches miterlebt hatten.
Es kam zu einem sonntäglichen Treffen bei dem die älteren Herrschaften unseren Lesekindern zwischen 4 und 12 Jahren von ihren Erlebnissen berichteten und sogar Fotos zeigten wie sie als kleine Kinder dies erlebten.
Es war ein wunderschöner Nachmittag voller neuer Gedanken und Erfahrungen, angeregt durch dieses wunderbare Buch.
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Wenn wir heute Angst vor den Menschen haben, die vor Krieg und Not geflohen sind sollten wir uns einmal vergegenwärtigen, dass es unseren Großeltern, Eltern ..... vielleicht auch so gegangen ist.
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Unsere Lesekinder haben viel von dieser Geschichte mitgenommen.
Sie konnten sich sowohl in die Situation der Mäusefamilie als auch von Lysander hinein versetzten.
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Lysander ist höflich, freundlich und offen auf seine Gastgeber zugegangen. Hat sich nicht aufgedrängt, hat nichts vereinnahmt sondern sich integriert und mit seinen Mitteln und Möglichkeiten das Leben der Mäuse bereichert.
Die kleine Kathinka hat sich getraut als erste auf Lysander zu zugehen, war trotz etwas Angst offen und mutig genug dieser Neugier Raum zu verschaffen.
Die großen Mäuse hatten Angst, haben sich diese aber nicht anmerken lassen. Obwohl sie nicht erfreut waren, waren sie höflich und letztendlich auch offen für die Bedürfnisse des Gastes.
Sie realisierten, das jemand nicht ohne Grund einen so weiten Weg auf sich nimmt und zeigten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Empathie.
Alle wurden belohnt. Für alle war es eine Bereicherung, die ihnen in diesem Fall nicht nur ein zusätzliches Lebensmittel auf ihren Speisezettel zauberte sondern auch noch einen neuen Freund, der durch sich und seine Pflanzen ihre Mäusewelt bunter machte, so wie die Mäuse Lysanders eine neue Heimat boten.
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Die Art und Weise wie Antje Damm diese Botschaft in Bild und Erzählung herüber bringt ist wirklich einmalig. Einmalig gut.
Illustration und Geschichte verbinden sich zu einer sehr harmonischen Einheit, die Stimmungen und Gefühle sehr ausdrucksstark einfängt und wieder gibt.
Für mich ist es momentan das schönste Bilderbuch zum Thema "Flüchtlinge/ Fremde und Toleranz.
Es spricht schon kleine Kinder an aber auch noch ältere. Ja, und uns Erwachsene ebenfalls.
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Antje Damm hat noch weitere tolle Bilderbücher / Kinderbücher gestaltet. In der nächsten Zeit werden wir ein Autorenportrait von ihr in den Blog stellen.
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