Unsere Lieblingsbücher

Töffel & Bruno trauern auf ihre Art


Bildquelle: Ideen-Stifterei
Töffel & Bruno
trauern auf ihre Art
von Corinna Stremme
mit Bildern von Britta Bolle
56 Seiten
1. Aufl. 15. Februar 2022
ISBN: 978-3985-952212
Ideenstifterei
17,90€

ACHTUNG! Diese Rezension wird Mitte Mai noch mit weiterer Praxiserfahrung gefüllt!

Wie fühlt sich ein Kind, 
wenn Bruder oder Schwester schwer krank / todkrank ist?
Eine einfühlsame, vielschichtige Geschichte,
 über Traurigkeit und Trauer, Gefühle und Emotionen, 
und vor allem über Wege mit der Trauer umzugehen
für Kinder ab 5 Jahren
Vorab: 
Das Buch besteht aus zwei großen Teilen. 
Der Geschichte um Töffel und ihren Freund Bruno, der einen Weg aus seiner Traurigkeit findet 
und einem Praxis/ Theorieteil mit Hilfestellungen, Literaturliste und wichtigen Anlaufstellen.

Der ein oder andere kennt  Töffel, das kleine Hamstermädchen, das ADHS hat schon. Auch wenn sie auch dieses Mal eine wichtige Rolle innerhalb der Geschichte spielt geht es dieses Mal um ihren Bärenfreund Bruno, dessen Schwester so schwer erkrankt ist, das sie wahrscheinlich sterben wird. Bruno ist verzweifelt, niemand spricht mit ihm über seine Schwester, aber er merkt wie schlimm es seinen Eltern geht und das es Emma wirklich nicht gut geht. In ihm herrscht ein einziges Gefühlschaos, das ihm nicht nur Bauchschmerzen verursacht, sondern so tief traurig macht, das er sich nicht mehr traut seine Lieblingsmusik zu hören oder mit seinen Freunden etwas zu unternehmen. 
Er ist traurig und sogar wütend. Er leidet darunter, das die Eltern ihm gegenüber nicht eingestehen, wie schlimm es um seine Schwester steht, er leidet darunter, das sich alles nur noch um Emma dreht, das er mit ins Hospiz muss obwohl er viel lieber auch mal etwas allein machen möchte. Er schämt sich für den Gedanken vielleicht etwas Glück oder Unbeschwertheit zu verspüren wenn er seine Musik hört oder mit seinen Freunden am Baumhaus baut. Er liebt seine Schwester und die Vorstellung, das sie bald nicht mehr da sein wird ist unerträglich. 
Er kann verstehen, das die Eltern nur für Emma da sind, aber er ist doch auch noch da. Er braucht doch auch jemanden, der ihn tröstet, der ihn in den Arm nimmt. Es gibt so viel, was Bruno durch den Kopf geht, was Bruno belastet, ihn verunsichert. Er kann seine Gefühle nicht einordnen. Weiß nicht was richtig und falsch ist. Die tiefe Traurigkeit, die sich in ihm ausbreitet und beherrscht fühlt sich weder gut an noch passt sie zu ihm. Zu sehen, das es seiner Schwester und seinen Eltern so schlecht geht erdrückt ihn fast. Doch er hat Glück. Seine beste Freundin Töffel merkt das etwas nicht stimmt und schafft es, das Bruno sich ihr anvertraut. Aus ihrer eigenen Geschichte weiß sie aber auch, das Bruno Hilfe braucht. Das es Dinge gibt, die man nicht mit sich ausmachen kann / muss und das man sich dann Hilfe holen muss. Und es kommt noch besser Töffel weiß sogar wen Bruno fragen kann. Frau Prof. Dr. Eule hat ihr damals sehr geholfen, als sie in einem Gefühlschaos (ADHS) steckte, bestimmt würde sie auch Bruno helfen können. Frau Prof. Dr. Eule kann Bruno zwar nicht helfen, da sie sich auf ADHS spezialisiert hat aber sie schickt Bruno und Töffel zu ihrem Freund und Kollegen Abraham Uhu, der sich auf Gefühle wie Trauern und Traurigkeit spezialisiert hat.
Abraham Uhu hört sich Brunos Geschichte an. Er nimmt seine Traurigkeit ernst und vermittelt ihm einfühlsam und klar, dass es schlimm ist, das Emma krank ist und sterben wird, aber das es nicht oky ist, das die Eltern ihn außen vor lassen und nicht nicht mit einbeziehen. Er erklärt Bruno, dass es völlig oky und auch gut ist, wenn er trotzdem seine Freunde trifft und unbeschwerte, ja sogar glückliche, fröhliche Momente erlebt. Er gibt ihm Strategien mit auf den Weg mit der Traurigkeit umzugehen, er gibt auch den Freunden Ratschläge, damit sie wissen wie sie sich gegenüber Bruno verhalten sollen und was er vielleicht braucht. Hier ist es wichtig zu wissen, das es manchmal gut ist wenn man jemanden der Traurig ist in den Arm nimmt oder ihm zuhört, oder mit ihm schweigt.  Das wichtigste was Abraham Uhu für Bruno tut ist allerdings, dass er ihm anbietet, seinen Eltern einen Brief zu schreiben um sie darauf aufmerksam zu machen, wie Bruno sich fühlt. Mehr noch, er gibt auch den Eltern Ratschläge. Und so gelingt es, das Bruno sich wieder traut unbeschwerter zu leben und zu seinen Eltern findet. 
Ihnen war nämlich gar nicht bewusst, wie ausgeschlossen sich ihr kleiner Bär fühlte, und das er auf ganz viel Zuwendung verzichten musste, die er gerade in der Situation so sehr brauchte. Bruno lernt aber nicht nur mit der Traurigkeit umzugehen, er lernt auch anderen zu vermitteln was er gerade für Hilfe braucht. Manchmal ist es eben einfach nur schön nicht alleine zu sein. Manchmal ist es einfach schön in den Arm genommen zu werden und zu spüren das da jemand für einen da ist, das man zusammen Schweigen kann.
Das alles klingt schwer und emotional. Das Thema ist eben alles andere als leicht. Besonders für Kinder nicht. Das alles ist aber nur der Kern der Geschichte, die ganz viele Nebenschauplätze hat, die nicht nur schwer sind. Es wird auch leicht, fröhlich, mal spannend und aufregend und sogar lustig. 
Wer Töffels Geschichte kennt, der kennt auch die Figuren, die hier auftauchen. Freche Tiere, die Töffel, Bruno und ihren Freunden versuchen das Leben schwer zu machen  genauso wie Adler Arnold, der immer zur Stelle ist, wenn Töffel und ihre Freunde Hilfe brauchen. Es gibt aber auch Figuren, die neu sind. Wir lernen ein verpeiltes Glühwürmchen kennen, das Töffel an Elton John erinnert und Frau Gans, die um ihren Mann trauert. Wir hören von einem Zaubergefieder und müssen herzlich lachen als die Fieslinge Fuchs, Igel und Schildkröte wieder einmal Reißaus nehmen.
Brunos Geschichte aus der Position des Bruders einer schwer kranken Schwester beinhaltet die unterschiedlichsten Gefühle, Ängste und inneren Auseinandersetzungen, in denen sich betroffene Kinder sehr stark wiederfinden werden. Es ist ein Buch in dem Kinder ihre Trauer erkennen und dadurch reflektierter, mit dem Blick von außen, die Parallelen finden. Allein das liefert schon kleine Aha, Momente. In Kombination mit Abraham Uhus Hilfestellungen wird die Geschichte selbst zu einer großen Hilfe. Da wird von so viel berichtet, was man selbst kennt, fühlt und durchlebt, das man sich verstanden und aufgehoben fühlt. Dieses Gefühl öffnet gleichzeitig aber auch ein Tor heraus aus der Traurigkeit. 
Zum Ende der Geschichte bekommen die Kinder noch einen wichtigen Satz mit auf den Weg 
"Vergiss im Traurig-Sein Dein Glück bloss nicht!"
Genau das ist es, was wichtig ist zu begreifen. Das man sich nicht selbst aufgeben darf. 
Im zweiten Teil des Buches haben die Kinder nicht nur die Möglichkeit etwas auszumalen sondern es gibt einen Elternratgeber und einen Ratgeber für die Therapie. Hier findet man unter anderem Gefühlskarten, die ausgeschnitten werden können und nicht nur die unterschiedlichsten Gefühle visualisieren sondern auch ein wichtiges Einsatzmittel in der Therapie sein können, genau wie eine Gefühlsskala. 
Wichtig: Sowohl der Elternteil als auch der Therapie Teil sind für alle Leser sehr hilfreich!
Das Nachwort sollte unbedingt gelesen werden, denn hier wird genau erklärt wie man mit dem Buch / der Erzählung umgeht. Ohne Vorbereitung sollte das Buch auf keinen Fall gelesen werden! 
Auch für Eltern ist es wichtig zu wissen was Trauer ist und wie ein Trauerprozess abläuft.
Trauer ist ein Gefühl, das aus vielen Elementen besteht. Daher ist es wichtig sich auch mit Gefühlen im Allgemeinen auseinanderzusetzen.

Wir haben das Buch mehrfach mit Kindern unterschiedlicher Gruppen gelesen. Mit dabei waren 6 Kinder im Alter zwischen 5 und 12 Jahren, die in einer ähnlichen Lage wie Bruno sind. 10 Kinder im Alter zwischen 6 und 11 Jahren hatten Familienangehörige die im Hospiz lagen und 4 Kinder zwischen 5 und 13 Jahren hatten im engsten familiären Umfeld bzw. Freundeskreis jemand der in einer ähnlichen Lage wie Bruno waren. Dazu kamen noch einige interessierte Kinder im Grundschulalter+ (zwischen 8 und 12 Jahren)
Bis auf die Grundschulkinder ohne Backround werden alle der Kinder in irgendeiner Weise psychosozial betreut. 
Unsere Eindrücke und das Feedback der Kinder folgt nun hier:
Wir haben Figuren aus dem Buch kopiert, vergrößert und dann laminiert und ausgeschnitten und an kleine Rundhölzer geklebt, so dass wir Figurenstecker, ähnlich Kellen hatten. So konnten wir den Kindern erst einmal die Protagonisten vorstellen und ihnen ein klein wenig, über sie und ihre Geschichte bzw. ihre Rolle in der Geschichte, erzählen.
Beim Vorlesen habe wir immer mal wieder eine kleine Pause gemacht in der über kurz über das Gehörte gesprochen haben. Die Geschichte in einem fort zu lesen ist auf Grund der Komplexität und Länge weder ratsam noch wirklich möglich. Gerade die jüngeren Kinder hatten viel was sie bewegte, oder wo sie Parallelen sagen und ihre Gefühle oder Gedanken gleich teilen wollten. Hätten wir nur für Kinder ab 8 Jahren gelesen wäre das vermutlich etwas anders gewesen. 
Fazit in der Beobachtung der Kinder: 
sie waren tief bewegt, teilweise etwas aufgewühlt. Die jüngeren Kinder sind in vielerlei Hinsicht richtig in der Geschichte mitgegangen, haben des Öfteren auch gesagt, "das kenne ich", oder "wie bei mir"..... . Die Größeren waren hier wesentlich zurückhaltender, die hörten durchweg ruhig zu, ohne zu kommentieren. In lustigen oder neutralen Geschichtenmomenten konnten die Kinder auch mal richtig lachen oder Schmunzeln.
Fazit der Kinder:
Die Geschichte war sehr interessant, vielleicht ein bisschen lang. Es gab viele Momente, die sie kannten, viele Gefühle, die ähnlich ihren waren. Besonders Abraham Uhu gefiel ihnen und betroffene Kinder wünschten sich auch jemanden wie Abraham Uhu ( was wir erstaunlich fanden, da alle Kinder schon betreut wurden). Besonders das Verhalten der Eltern wurde immer wieder Thema und es stellte sich heraus, das alle Kinder versuchten möglichst unauffällig im Familienleben zu agieren, damit die Eltern nicht noch mehr Sorgen oder Arbeit hatten. Die Kinder, die Freunde hatten, die in einer betroffenen Familie leben, konnten sehr gut Parallelen benennen und fanden es sehr hilfreich, dass sie durch die Geschichte nun etwas mehr Anhaltspunkte hatten, wie sie helfen können. Besonders das einfach für den anderen da sein, auch mal zusammen schweigen oder einfach in den Arm nehmen, kannten sie und machten dies bereits intuitiv. Das sie ihre Freunde auch zum Lachen verführen können und das gut tut, nahmen sie aus der Geschichte mit.
Das es auch lustige Momente gab und die Geschichte zwar sehr gefühlvoll, oft traurig ist aber immer wieder andere Momente dazwischen nicht so schwer waren fanden sie sehr gut.
Wir haben die größeren Kinder, die schon selbst und gut lesen können gefragt, ob sie sich von allein für das Buch interessiert hätten.
Die Antworten waren sehr gemischt aber gut begründet. Grundsätzlich fanden sie es gut, das es Bücher wie dieses gibt, die eine Art Lebensberatung beinhalten. Sie können sich darin wiederfinden finden es aber leichter vorgelesen zu bekommen und direkt jemanden zu haben mit dem sie über das Gehörte sprechen können. Die Reaktionen waren durchweg positiv, ich möchte aber auch den kleinen Kritikpunkt den es dann doch gab nicht verschweigen. Die meisten hätten sich andere Illustrationen gewünscht. Insbesondere die Metamorphose der Tierkinder gefiel ihnen hier nicht so gut. Alles in allem kam das Buch aber sehr gut an. Auch die Gefühlskarten, die später zum Einsatz kamen und die Möglichkeit, auch das die Eltern sich mit und im Buch Hilfe holen konnten wurde sehr positiv erwähnt. Einige Kinder wollte das Buch zuhause mit ihren Eltern lesen. Hier war in mehreren Fällen der Hintergedanke, das die Eltern über das Buch erfahren wie sie sich fühlen. So ist die Geschichte von Bruno auch ein Hilfsmittel, das Abraham Uhu geschickt haben könnte.

Ich hoffe euch mit dieser kleinen Schilderung das Buch etwas näher gebracht zu haben. Es ist sehr komplex und es gäbe noch einiges zu den Randgeschichten zu erzählen, doch alles möchte ich hier dann auch nicht verraten. Schaut ins Buch, entdeckt es selbst. Aber nehmt euch viel Zeit und bereitet ein Vorlesen gut vor!
Ich würde mir wünschen, das es in jeder Bücherei sichtbar zu finden ist, dass es in vielen Kindergärten, Einrichtungen und dem ein oder anderen Kinderzimmer Einzug hält. Es ist kein Buch, das man einfach so mal eben in der Buchhandlung findet und mit nimmt. Es ist ein Buch das wir gezielt suchen müssen, doch dafür müssen wir erst einmal wissen das es so ein Buch überhaupt gibt.
Es wartet darauf gefunden zu werden! Helft mit es zu verbreiten.


Übrigens:
Das Thema ADHS kommt auch hier vor. Töffel findet nämlich durchaus Verbindungen zwischen Brunos Trauer und ihrem Gefühlschaos im ADHS. Sie ist es dann ja auch, die durch ihre Geschichte weiß, das man sich Hilfe holen kann. Corinna Stremme stellt deshalb im Anhang auch noch einmal kurz Töffels Geschichte vor.