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Papa, Papi, Kind

Papa, Papi, Kind
 Warum Familie auch anders geht
von Kevin und Rene Silvergieter Hoogstad
244 Seiten
1. Auflage
Juni 2020
ISBN: 978-3-7474-0156-9
MVG Verlag
14,99€

Die Geschichte eines schwulen Paares auf ihrem langen Weg Eltern zu sein
mit vielen Einblicken in die Thematik Pflegefamilie werden, Pflegefamilie sein
Gefühlvoll, ehrlich, informativ

Ich folge Rene und Kevin schon eine ganze Weile auf ihrem Blog https://papapi.de/
und bei Instagram und so war für mich schnell klar, das Buch muss ich haben.
Wieso ich den beiden folge?
Nun ja, ehrlich gesagt am Anfang wegen der Hühner.
Wegen der Hühner? Fragt ihr jetzt zu recht und habt bestimmt mit einer ganz anderen Antwort gerechnet. Ich bin auf die beiden aufmerksam geworden weil ich auf Instagram eine Story entdeckt habe mit ihren Hühnern. Dann gab es Storys zum Thema Nachhaltigkeit und erst dann, nach einiger Zeit bemerkte ich die Thematik Regenbogenfamilie, Pflegefamilie etc.
Es gab auch Momente in denen ich schnell weiter gesprungen bin wenn Kevin mit einer neuen Story auf meinem Handy Display auftauchte, das gebe ich gerne zu und besonders gefreut habe ich mich wenn Rene auftauchte, denn seine Art und vor allem, wie er mit den Kindern umgeht ist noch einmal etwas anders als Kevins Art. Bitte nicht falsch verstehen, ich finde sie beide toll in dem was sie so machen aber ich finde immer wieder Situationen in den Storys, in denen ich es unglaublich toll finde wie Rene die Kinder an etwas heran führt. Erklärend, Hilfe stellend aber immer mit einer besonderen Art, die dem Kind das Gefühl vermittelt "Schau her, so können wir es vielleicht machen, Du schaffst das, probiere es aus, du kannst das und wenn nicht bin ich für dich da." Egal ob im Garten, bei den Hausaufgaben oder.... .
Aber nun zum Buch:
Wie gesagt, als ich hörte es wird dieses Buch geben war mir klar, das muss ich lesen und bestellte es dann auch umgehend vor damit es nicht in Vergessenheit geriet.
Ich hatte nicht viel Erwartungen bezüglich der Thematiken in diesem Buch. Klar es sollte aus ihrem Leben sein aber wie genau die beiden dies umsetzten und füllen wollten konnte ich mir noch nicht so recht vorstellen.
Wenn zwei an einem Buch schreiben, das weiß ich aus eigener Erfahrung, ist das nicht immer leicht, aber die beiden haben es ganz wunderbar hin bekommen!!!
Es ist ein so unglaublich bereicherndes Buch geworden, das einen vor allem in die Thematik Pflegefamilie, Pflegekind mit hinein nimmt.
Natürlich erfahren wir auch etwas über Kevin und Rene, über sie als Menschen, ihre Liebe, ihr Zusammenwachsen und Zusammensein aber in erster Linie liegt der Fokus auf der Thematik Familie.
Familie werden, Familie sein.
Pflegefamilie.
Ich bin selbst Sozialpädagogin, habe meine ganz eigenen Erfahrungen (in meinem Familienleben) mit dem Thema Jugendamt gemacht und auch das ein oder andere Mal, als die meisten meiner Kinder schon aus dem Haus waren, daran gedacht noch ein Pflegekind aufzunehmen. Das Gefühl dem Jugendamt ausgeliefert zu sein hinterließ allerdings so große Wunden das ich in Bezug auf das Thema Pflegekind den Gedanken nie zu Ende dachte. Daher konnte ich viel von dem was Rene und Kevin beschreiben sehr gut nachvollziehen. Gleichzeitig fand ich ihre Erzählungen sehr informativ, beeindruckend aber vor allem ehrlich. Gerade Kevin schildert das ein oder andere Mal Situationen im Zusammenhang mit dem Amt wo ich ihn für seine Besonnenheit und seinen Mut echt beneidet habe und für mich klar war ich hätte vermutlich nicht so gekämpft wie die beiden. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich ja schon einen Stall Kinder groß gezogen habe.
Ich wusste, wie schwer es ist als Pflegefamilie vom Jugendamt anerkannt zu werden, welche formalen Stationen es auf dem Weg zu bewältigen gibt aber mit welchen Emotionen dies verbunden ist, das kann man sich im Vorfeld nicht vorstellen. Das die beiden uns an diesem Weg haben teilhaben lassen ist großartig und ich empfehle das Buch wirklich jedem, der darüber nachdenkt ein Pflegekind aufzunehmen. Das gleichgeschlechtliche Paare, insbesondere schwule Papa, Papi Paare es vielleicht noch schwerer haben darüber hatte ich im Vorfeld noch gar nicht so nachgedacht weil für mich jede Lebens-Familienform zum Alltag gehört, selbstverständlich ist. Aber klar, ich muss mir immer wieder in Erinnerung bringen, dass auch 2020 noch nicht überall so selbstverständlich mit dieser Thematik umgegangen wird bzw. das sie überhaupt noch thematisiert wird. 
Wieso kann nicht jeder so leben wie er es möchte, ich tue es doch auch?
Nun gut, das ist ein anders Thema.
Was mich an diesem Buch so fasziniert hat ist nicht nur die Kraft der beiden den Weg zu gehen, trotz aller Widernisse, sondern auch und vor allem wie viele Gedanken sie sich gemacht haben im Umgang mit den leiblichen Müttern, wie intensiv ihre innere Auseinandersetzung  ( und sicherlich ist das was sie hier schildern nur die Spitze des Eisbergs) waren und sind.
Wie unglaublich liebevoll, fürsorglich, reflektiert...…. sie jeden Tag aufs Neue meistern ist bemerkenswert und besonders. Besonders wie viele die Pflegekindern ein neues Heim geben. Ein Leben mit Pflegekindern ist immer auch ein Leben mit dem "Rucksack" den das Kind mit bringt, mit einem Leben im Behördendschungel, mit den leiblichen Eltern, mit Alltagsproblemen etc. Und auch wenn es in vielen Fällen unbegründet ist, ist da wohl auch immer mehr oder weniger präsent die Angst das Kind wieder abgeben zu müssen. Pflegefamilie ist nun einmal noch ein Stück weit etwas anderes wie Adoptivfamilie.
Besonders toll fand ich in diesem Buch auch wie es Kevin und Rene gelingt Worte für Situationen zu finden, die so emotional und schwierig sind, das einem eigentlich die Worte fehlen es an Dritte weiter zu geben. Das ist ihnen wirklich gelungen. Das Buch liest sich wie von allein. Es ist sprachlich so wunderbar das es einen von Anfang bis Ende trägt und so tief  mit hinein nimmt als stünde man mit im Jugendamt, mit auf dem Spielplatz, mit im Garten und wo auch sonst immer.
Das mal Kevin und mal Rene erzählt und sich alles so herrlich verbindet ist einmalig, fantastisch und macht dieses Buch zu etwas besonderem.
Als ich die letzte Seite laß war ich traurig diese mir so ans Herz gewachsenen Menschen wieder verlassen zu müssen. Gern wäre ich noch eine Weile geblieben um noch mehr fürs Leben zu lernen.
Danke ihr beiden für dieses wundervolle Buch, das mein Leben sehr bereichert und vieles von dem wird mich täglich in Gedanken begleiten, auch im Umgang mit meinem autistischem Sohn.
*
Was ich aus diesem Buch an Aha / 
Achso Erlebnissen mitgenommen habe?
Vieles, aber eines ploppt wenn ich darüber nachdenke immer sofort als erstes auf:
Das Jugendamt vermittelt unter Umständen, eigentlich ganz gern auch an schwule Paare weil sie es leichter haben den Müttern das Modell Pflegefamilie ans Herz zu legen. Bei zwei Männern ist erst einmal keine Mama-Konkurrenz und den Müttern fällt es so leichter. Das Gefühl das Kind nicht an eine fremde Frau zu verlieren spielt da wohl eine große und nachvollziehbare Rolle, aber daran hätte ich so nicht gedacht.
Wieso ich "erst mal" schreibe?
Kevin schildert nicht nur in seinen Storys sondern auch in diesem Buch das die Kinder sehr wohl ein "Mama-Gefühl" entwickeln und "Mama" auch ein geschlechterneutraler Begriff sein kann. Eben ein Gefühl. 
"Mama ist ein Gefühl". 
Und so kam es zu einer Situation in der sein Sohn zu ihm Mama sagte und das im Beisein der leiblichen Mutter. Wie Kevin damit umgegangen ist und damit umgeht schildert er immer mal wieder, so wie auch hier im Buch.

Was mich an diesem Buch beeindruckt hat?
Die Ehrlichkeit und der Mut, der intensive innerliche Prozess von immer vorsichtig sein, was und wie man mit dem Mitarbeiter/innen im Jugendamt umgeht/ redet und dem Mut auch mal unbequem zu werden, mal anders zu reagieren wie von einem erwartet wird auch auf die Gefahr anzuecken und sich Unmut zuzuziehen. Ich bin auch so ein Mensch der sich oft nicht traute so zu reagieren wie es mir für richtig erschien, Kritik zu üben. Und ich habe meinen Mann dafür bewundert, das er auch mal unbequem wurde und ( für mich erstaunlich) nie wirklich damit aneckte sondern Respekt gezollt bekam. So ging es Kevin und Rene auch das ein oder andere Mal denke ich.
Sehr beeindruckt hat mich auch Kevins inneres Bauchgefühl als es um das zweite Pflegekind ging, das sie in ihre Familie aufnehmen wollten. Ihr müsst das selbst lesen ( ab Seite 173 insbesondere ab Seite 180). Ja erst einmal schien alles perfekt und ich bin mir sehr sicher , das ich es auch als ein Zeichen angesehen hätte, das der Kleine ein Feuermal hatte. Das Kevin trotz allem ein schlechtes Bauchgefühl hatte in Bezug auf den leiblichen Vater hatte und dem Jugendamt nicht so vertraute fand ich wirklich bemerkenswert und sollte sich dann ja leider auch bewahrheiten. Worüber man so alles nachdenken muss wenn man ein Pflegekind aufnehmen möchte, unglaublich.
Natürlich hat mich beeindruckt wie sie ihr Leben mit Pflegekindern meistern und wie sehr sie Familie leben.

Was ich den beiden mit auf den Weg geben möchte?
Bleibt so wie ihr seit, aber vergesst bei aller Liebe zu den Kindern, bei allen Gedanken die ihr euch immerfort um ihr Wohlergehen macht nicht euere Zweisamkeit, denn das ein oder andere Mal hatte ich in den Storys schon das Gefühl das dies etwas in den Hintergrund tritt, wenn gleich durch Corona sich da wohl auch etwas verändert hat. Zwar ist man mehr als Familie zusammen aber das "Wir beide" gibt es auch. Schön das zu sehen und ich weiß wovon ich rede.

Was ich mir wünsche?
Ein zweites und drittes und …….. Buch, denn ich glaube ihr habt viel zu erzählen von und über Dieses und Jenes, von Nachhaltigkeit, dem Spagat Familie-Beruf, von Hühnern, von... und dem Leben. Vieles von dem wir alle etwas mit nehmen können für unser Leben.
Sicherlich kann jeder von uns etwas erzählen, aber so das es ankommt, nachhaltig im Kopf bleibt, das gelingt nicht vielen. Euere Art zu schreiben ist etwas BESONDERES!
*
Übrigens, es gibt auch ein ganz wundervolles Bilderbuch von Anna Lisicki - Hehn
das Anna inspiriert durch ihre Arbeit als Illustratorin und inspiriert von Rene und Kevins Familie erschaffen hat. Es erschien im Januar 2020 als Crowdfunding Projekt. 
Hier erzählt Anna von Max der zusammen mit seiner Familie bestehend aus zwei Papas und einer Schwester lebt. Ein tolles Bilderbuch das einfach zeigt, wie bunt Familie sein kann.
Ich hätte euch hier gern das Startnext Video zur Aktion vorgestellt nur gelingt es mir nicht es einzubinden daher hier der Link. Ihr solltet es euch unbedingt ansehen denn auch hier erzählt Kevin etwas zum Buch.
Übrigens, die Geschichte gibt es auch als Hörspiel im Mp3 Format !
Drei mal dürft ihr raten wer es eingelesen hat!
Natürlich Kevin!
Ihr könnt das Buch bei Anna im Shop bestellen hier der Link:
https://anna-artwork.de/shop/

Und noch etwas:
Ich finde das Lied von Batome, das eigentlich für Jana Crämer entstand passt auch so wundervoll als Botschaft für Kevin, Rene und ihre kleine Familie. Die Botschaft "Ich bin an deiner Seite" geht so tief.