Unsere Lieblingsbücher

Liv -Kein Märchen

 

Bildquelle: Tulipan Verlag
Liv
Kein Märchen
von Anne Sofie Allermann
illustriert von Stephanie Donso
übersetzt von Viola Rosa Semper
40 Seiten
1. Aufl. 24. September 2025
ISBN: 978-3-86429-666-6
Tulipan Verlag
16,00€

Auf euch wartet ein ganz besonderes Bilderbuch, das kindgerecht, ehrlich und dennoch mit viel Feingefühl von der Jagd und dem Braten, den wir essen, erzählt.
Gleichzeitig ist es ein ganz zauberhafte, innige Großvater-Enkelinnen-Geschichte.
Für Kinder ab 5 Jahren
Vorab: 
Der Verlag selbst schreibt:
"Ein anspruchsvolles Bilderbuch, das uns daran erinnert, wertschätzend mit unserer Nahrung umzugehen."
(Zitat)
Und dem möchte ich mich anschließen.
Ich weiß, das Thema wird kontrovers diskutiert und es gibt viele Eltern, die zwar Fleisch essen, aber die Kinder nicht damit konfrontieren, dass dafür ein Tier gestorben ist. Es gibt Eltern, die deshalb entschieden haben, kein Fleisch mehr auf den Tisch zu bringen, was konsequent ist. Und es gibt Eltern, die ihren Kindern durchaus vermitteln wollen, dass für den Sonntagsbraten, die Burger etc. ein Tier sterben musste, aber sie wissen nicht, wie sie es vermitteln sollen und schweigen deshalb.

Egal wie ihr über das Thema denkt, möchte ich euch vor der Buchvorstellung mit auf den Weg geben, dass dieses Buch seinen ganz eigenen zauberhaften Charme hat, geprägt von einer besonders innigen Großvater-Enkelin-Beziehung.
Es wäre schade, wenn ihr dem Buch keine Chance gebt, nur weil im Geschichtenverlauf ein Reh geschossen wird, denn die Geschichte darauf zu reduzieren wäre nicht fair.
Ihr wisst, wie sensible euere Kinder sind und könntet durchaus die ein oder andere Stelle einfach nicht vorlesen, ohne ihr zu viel Kontext zu nehmen.
Manchmal ist es aber auch so, dass die Kinder "abgeklärter" sind als man denkt.

So, genug der Vorrede.
Jetzt folgt die Buchvorstellung.
Und ja, ich gebe zu, ich habe erst überlegt, ob ich es vorstellen soll.
Wenn ihr wissen möchtet, wieso ich ganz klar sage, es ist ein Buch, dass wir euch ans Herz legen möchten, dann wartet ab.

Liv ist ein richtiger kleiner neugieriger Wirbelwind.
Sie liebt es in der Küche auf den Bodenfliesen, die wie ein Schachbrett angeordnet sind, als Springer herumzuspringen, sie liebt es mit ihrem Opa in die Natur herauszugehen und Tiere zu beobachten und die liebt seinen Rehrückenbraten. Der Rehrücken ihres Opas ist ihr Lieblingsgericht.
"Ich will niemals wieder etwas anderes essen" (Zitat).
Und es ist vermutlich dieser euphorische Satz, der den Großvater etwas nachdenklich stimmt. Zumindest kratzt er sich am Bart und scheint zu grübeln.

Nach dem Abendbrot machen sie einen kleinen Abendspaziergang und anschließend liest der Großvater Liv noch eine GuteNachtGeschichte vor, die bestimmt viele Kinder auch schon kennen. Liv liebt die Geschichte, doch auch wenn sie ganz lieb fragt, ein zweites Mal liest ihr Opa sie nicht vor, weil es schon spät ist und sie am nächsten Tag früh aufstehen müssen.

Wieso, sagt er noch nicht, doch vielleicht kann man es schon ahnen.

Für Liv und ihren Großvater scheint es erst einmal wie ein morgendlicher Spaziergang zu sein. Sie setzten sich ins hohe Gras, lassen die Natur auf sich wirken und trinken heißen Tee.
Die frühe Morgenstunde mit Nebel und Raureif mutet mystisch an, was Stephanie
Donso wunderbar in ihren zarten, zauberhaften Zeichnungen wunderbar einfängt.
Als eine Gruppe Rehe aus dem Wald heraus auf eine Lichtung springen holt der Großvater sein Gewehr heraus und legt es an. Wenig später liegt ein Reh im Gras während die anderen wegspringen.
Gemeinsam gehen sie zu dem Reh. Liv streichelt das weiche Fell und ihr Großvater kniet sich nieder und sagte leise: "Danke", dann nimmt er das Reh und trägt es auf seinem Rücken, auf dem Liv schon soooo oft gesessen hat, nach Hause.

Blicken wir aufs Bild sehen wir wie nachdenklich-traurig hinter ihrem Opa hertrottet.

Wir denken, wir wissen, wieso Liv so traurig ist, und natürlich wird sie traurig sein, doch noch viel mehr beschäftigt sie etwas ganz anderes. Sie denkt zurück an die GuteNachtGeschichte, in der der Wolf die Großmutter und das Mädchen gefressen hat und das lässt sie ängstlich werden.
"Werde ich auch eines Tages gegessen?", flüstert sie ihrem Opa zu.(Zitat)

Was der Opa daraufhin macht, wie liebevoll er sich um die Kleine kümmert, und wie Liv sich mit dem Thema Lieblingsbraten und der Tatsache, dass deshalb erst ein Reh sterben muss, damit sie etwas zu essen hat, davon erzählt der weitere Geschichtenverlauf.
Es ist eine leise Geschichte, wenn es um den Respekt vor dem Leben und der Natur geht. Es ist eine leise Geschichte, in der Livs Gefühle und die innige Beziehung zu ihrem Großvater wunderbar eingefangen und transportiert werden. Und es ist eine nachdenklich stimmende Geschichte, die durch die fröhliche ausgelassene Stimmung zu Beginn des Buches mit einer wunderbaren Unbeschwertheit in das etwas schwierige Thema "Jagd“ hineinführt.
Es ist eine ehrliche Geschichte, in der ganz viel auf die kindlichen Gedanken und Gefühle von Liv eingegangen wird, die stellvertretend für die Gefühle und Gedanken "aller" Kinder stehen.
Und genau das ist es doch, was wichtig ist.
Es ist sehr beeindruckend, wie ehrlich und gleichzeitig liebevoll der Großvater mit dem Thema konfrontiert. Er hätte schweigen können, als Liv ihm erklärt, dass sein Rehrücken ihr Lieblingsgericht ist, das sie am liebsten immer essen würde. Doch genau da beginnt es in ihm zu arbeiten, was Anne Sofie Allermann mit dem Satz: "Opa kratzt sich am Bart" (Zitat) einleitet. Dieser Satz in Verbindung mit dem Bild, das Stephanie Donso dazu gezeichnet hat, in dem wir dann auch das nachdenkliche Gesicht sehen, zeigt deutlich, dass er seiner kleinen Enkelin mehr vermitteln möchte, als das, dass das Fleisch, das sie so liebt, von einem Tier stammt.
Noch deutlicher wird seine Botschaft an die Kleine und damit auch an uns Leser als er sich vor das tote Reh kniet und sich bedankt.
Dieser Respekt vor der Natur insbesondere vor dem Tier, was für ihr Essen sterben musste, macht dieses Buch für mich dann auch zu einem Buch, das ich euch ans Herz legen möchte.
Anne Sofie Allermann schafft den Spagat zwischen warmherziger, gefühlvoller Geschichte und kindgerechter Ehrlichkeit zum Thema Fleisch essen, in dem es ihr nicht darum geht, das Fleisch Essen anzuprangern. Vielmehr möchte sie ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das Fleisch nicht aus irgendeiner Fabrik oder dem Supermarkt kommt, sondern dafür ein Tier sterben musste, dies aber einfach dazu gehört, wenn man Rehrücken und Co essen möchte.
Das Reh ist für Livs Lieblingsessen gestorben, das verdient ein Dankeschön. Und genau das möchte der Großvater seiner Kleinen mit auf ihren Lebensweg geben.

Ich möchte nicht verschweigen, dass auch erwähnt wird, dass der Großvater das Reh in der Scheune aufhängt, um es weiter zu bearbeiten. Das ist aber nur ein Satz und den kann man gern beim Vorlesen weglassen, ohne den Geschichtenverlauf zu behindern.
Auch gibt es hier kein Bild, das etwas zeigt, was Kinder schockieren könnte. Wie gesagt, es ist ein leises Bilderbuch voller Wärme und Liebe. Hier geht es wirklich darum Kindern den Respekt vor der Natur und dem Tier näherzubringen und gleichzeitig eine schöne Großvater-Enkelin-Geschichte zu erzählen.

Bei der Geschichte habe ich mich zum einen an meine eigene Kindheit erinnert, die sich auch auf einem Bauernhof abspielte. Dort wurde hin und wieder ein Schwein geschlachtet. Während die Erwachsenen versuchten mich davon fernzuhalten, dann aber kein Problem hatten, das die beiden Schweinehälften im Kühlraum abhingen, wo auch andere tägliche Lebensmittel standen, wo ich oft allein hinging, um etwas zu holen, suchte ich mir immer heimlich einen Platz auf dem Heuboden, um dann doch zuzuschauen, wie der Metzger das Schwein bearbeitete.
Ich fand es spannend und gar nicht schlimm und mir war früh klar: Wenn ich Fleisch essen möchte, dann muss ein Tier dafür sterben. Das war kein Problem, solange das Tier nicht zu meinen lebendigen Schmusetieren gehörte und es keinen Namen hatte.
Hier im Buch wird ein Reh geschossen. Liv hat keinerlei Bindung zu dem Tier, außer dass sie vermutlich Rehe als Tier im Allgemeinen gern anschaute. Trotzdem setzt sie sich mit der Thematik auseinander.
Und dann habe ich neulich ein kleines Mädchen von 4.5 Jahren kennengelernt, dessen Vater Hobby-Jäger ist. Sie erzählte von den leckeren Würstchen, die ihr Papa immer machte und berichtete ganz genau, wie das Wildschwein dafür verarbeitet werden musste. Auch wenn sie nicht dabei war, wie es geschossen wurde, war sie dann aber dabei, wie der Vater es zerlegte.
Sie erzählte mit so viel Leidenschaft und einer kindlichen Abgeklärtheit, die mich immerfort schmunzeln ließ.
Und vielleicht sind Kinder von Jägern oder Landwirten dann auch die Kinder, deren Eltern, ohne zu zögern, zu diesem Buch greifen würden.
Ich folge auf Instagram einer Landwirtin mit 5 kleinen Kindern und sie berichtete neulich davon, dass sie Hühner geschlachtet haben und anschließend hat sie sich mit den Kindern z.B. ganz genau den Magen angesehen, in dem viele Steinchen zu finden waren. Sie erklärte ihnen auch, wieso die Steinchen im Magen von Hühnern sind.
Ihre Kinder leben also genau damit, dass wenn man Fleisch essen möchte ein Tier getötet werden muss.

Es ist an uns Erwachsenen Kinder in der Erfahrung mit dieser Thematik  zu begleiten .
Und genau das ist der Grund, wieso ich euch dieses Buch ans Herz legen möchte. 
Schöner, sanfter und respektvoller als in dieser warmherzigen, gefühlvollen Geschichte unterstützt von den wundervollen Bildern, kann man es kindgerecht kaum machen.
Also wenn ihr ein Buch zu diesem Thema sucht, oder eine liebevolle Großvater-Geschichte, dann schaut euch unbedingt dieses Buch an.


Mehr zum Buch erfährst du auch über die Seite des Verlags. Der Link führt hin.