Unsere Lieblingsbücher

Trotzkopf Nele

Bildquelle: Annette Betz Verlag
Trotzkopf Nele
eine Geschichte von Ulrike Fischer
mit Bildern von Manfred Topoven
32 Seiten
1. Aufl. 2012
Annette Betz Verlag
ISBN: 9783219115161
12,95€



Trotz


Wer kennt das nicht. Ein trotziges Kind kann ganz schön anstrengend sein.
Hin und wieder hilft es Kinder mit dem Trotz anderer zu konfrontieren und da man ja nicht immer ein anderes trotziges Kind parat hat nimmt man dann auch mal ein Bilderbuch zur Hilfe.
Manchmal ist es aber auch so, dass die Kinder zu Recht trotzig sind und den Eltern ein Spiegel vorgehalten werden sollte. Auch hier können Bücher Einsichten heraufbefördern.
"Trotzkopf Nele"
ist so ein sehr anschauliches Bilderbuch, das darüber hinaus auch so einiges zu bieten hat.
 Die Illustrationen sind sehr realistisch und gerade für Kinder ansprechend, da sie ihre Alltagswelt aufgreifen und widerspiegeln, Emotionen und Situationen visualisieren.  Gerade im Hinblick auf das intensive Erleben einer Geschichte sind es meist die Bilder, die die tiefsten Geschichten erzählen.  Auch  "Trotzkopf Nele" ist so ein Buch, das von seinen Bildern lebt, die sehr ausdrucksstark, emotional und intensiv und auch mal witzig ein Thema ansprechen, das im Leben mit Kinder immer mitspielt.
Nele spielt auf der Baustelle nebenan. Das Haus ist noch im Rohbau, die Erde vom Bagger gut umgegraben. Gerade kommt das Dach drauf. Auf so einer Baustelle gibt es jede Menge umgegrabene Erde in der Regenwürmer wohnen können. Direkt am Bauzaun vermutet sie ihre Beute doch irgendwie lässt sich keiner blicken. Wenn keiner von allein herauskommt, dann muss man sie vielleicht locken denkt sie und holt eine Gießkanne mit Wasser. Tatsächlich, ausgerechnet in dem Moment wo Nele ihren ersten großen Fang in ihr Becherlupenglas verfrachtet ruft ihre Mutter. Nele soll sich umziehen. Sie wollen Tante Petra besuchen. Besser gesagt Neles Mama will sie besuchen. Nele möchte viel lieber weiter auf Regenwurmjagd gehen. Bockig geht sie in ihr Zimmer und bekommt noch mehr Wut in ihren Bauch. Ihre Mutter hat ihr ein blödes Kleid vom Nachbarkind rausgelegt. Nele mag weder das Kleid noch den Besuch und wer Nele sieht, erkennt sofort sie hat recht. Nele ist kein Mädchen für Kleider. Latzhose und Gummistiefel passen zu ihr aber Kleider?
Nele ist trotzig weiß aber es macht keinen Sinn zu widersprechen. Ihr Kompromiss wenigstens die Gummistiefel bleiben an.
Nele packt das Becherlupenglas mit dem Wurm in ihren Rucksack und fügt sich.
Eigentlich mag sie Tante Petra ja.
Doch irgendwie ist heute nicht Neles Tag. Bei Tante Petra vergisst sie die dreckigen Gummistiefel auszuziehen worauf der Teppich dreckig wird und ihre Mutter sauer. Auch wenn Tante Petra das gar nicht so schlimm findet.
Als Nele dann am Kaffeetisch sitzt und die Erwachsenen sich unterhalten ohne auf sie zu achten, wird die Situation für sie noch blöder doch Tante Petra scheint zu erkennen das Nele sich langweilt. Sie möchte von ihr wissen ob sie schon gespielt hat. Das nimmt Nele zum Anlass ihre Becherlupendose auszupacken und den Sand mit samt Regenwurm auf den Tisch auszuschütten. Die beiden Frauen sind entsetzt. Neles Mutter packt Sand und Wurm und schmeißt alles kurzerhand aus dem Fenster. Das ist zu viel für Nele. Alle sind so gemein. Sie läuft weg und findet ein Versteck in einer Besenkammer. Eine schlimme Situation, man kann gut nachempfinden wie sich Nele fühlen muss. Es ja auch blöd wenn man aus dem Spiel herausgerissen wird, Kleidung anziehen muss die einem nicht gefällt und dann irgendwo hin verfrachtet wird nur damit sich Erwachsene unterhalten können.
Doch Nele hat Glück. Ihre Mutter bemerkt plötzlich was sie ihrer Tochter zugemutet hat und da sie ihre Kleine gut kennt findet sie Nele auch recht schnell. Verständnisvoll sucht sie das Gespräch, nimmt sie in den Arm, trötest und was noch wichtiger ist, sie entschuldigt sich für ihr Verhalten.
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Als wir das Buch unseren Lesekindern vorgelesen haben diskutierten wir im Anschluss die Geschichte.
"Irgendwie passt der Titel nicht zum Buch", bemerkte Florian 6 Jahre.
Als ich ihn fragte wieso er dieser Ansicht war erklärte er mir, dass es Neles Reaktion gar nicht trotzig fand. Vielmehr sei sie traurig und enttäuscht gewesen. "Trotz ist doch wenn man ständig und immer wieder "Ne" sagt oder mit den Füßen stampft."
In seinen Augen, und da muss ich ihm recht geben ist es nicht trotzig wenn man seinen Unmut Luft macht solange es für den anderen keine Auswirkungen hat. Nele hat ihren Unmut geäußert aber dann kompromissbereit eingelenkt.
Alles was sie tat war ja nicht in böser oder trotziger Absicht.
Wenn Tante Petra fragt was Nele gespielt hat und Nele noch zurück fragt ob sie es ihr zeigen soll, dann ist es doch der kindlichen Naivität geschuldet wenn sie stolz und freudig das Becherglas ausleert um den Wurm zu präsentieren.
Andere Erwachsene hätte vielleicht darüber gelacht anstatt entsetzt fast vom Stuhl zu fallen.
Florian fragte mich dann weiter ".....ist Neles Mutter nicht viel trotziger?... Sie bestimmt und bleibt stur dabei ohne auf Nele Rücksicht zu nehmen."
Ja, was ist Trotz eigentlich, wie äußert sich trotz. Auch Kinder mit 4 oder 5 Jahren haben da schon klare Vorstellungen. Das Füße stampfen und "NE" und stur an einer Stelle stehen bleiben verbinden unsere Lesekinder mit Trotzig. Auch wenn man sich in die Ecke oder ins Bett setzt und eingeschnappt ist und keine Versöhnungsversuche eines Erwachsenen zu lässt finden sie eine trotzige Reaktion.
Es ist ganz erstaunlich was eine Geschichte in den Kindern bewirkt. Wie sie sich positionieren aber auch Situationen aufzeigen in denen sie Reaktionen der Eltern verstehen.
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Ein schönes Bilderbuch in dem es viel zu erleben gibt auch außerhalb der Thematik.
Manfred Tophoven hat es wieder einmal geschafft das Leben einzufangen. Realitätsnah, kindgerecht, authentisch  und detailreich.

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