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Ich , Pflegekind Leo

Ich, Pflegekind Leo
von Marion Klara Mazzaglia
und Kerstin Frank
44 Seiten
1. Aufl. 2017
Best Off Verlag
14,50€


Wie erklärt man das Thema Pflegeeltern?
für betroffene Kinder und alle Außenstehenden
für Kinder ab 2 Jahren

Dieses Buch von Marion Klara Mazzaglia beschäftigt sich mit dem Thema Pflegekinder in dem sie zum einen über den kleinen Leo berichtet und wie es für ihn ist in einer Pflegefamilie zu leben, zum anderen schafft sie ein sehr anschauliches , gutes Verständnis für die Begrifflichkeit Pflegemama, Pflegepapa, Papa und Mama.
Das Buch selbst erzählt in einfacher, leicht verständlicher Weise mit relativ wenig aber sehr prägnanten Worten, so dass selbst kleine Kinder die Botschaft schon richtig gut verstehen können.
Die einfach gehaltenen sehr ausdrucksstarken Illustrationen begleiten die Geschichte und veranschaulichen das Geschehen, die Situationen und Gefühle sehr deutlich.
Gerade diese einfachen, fast kindlichen Bilder sprechen die Zielgruppe sehr an.
Für wen ist dieses Buch gedacht?
Ich denke es ist ein Buch, dass man zwar themenbezogen einsetzt aber ich würde mich freuen wenn es in Familien einfach auch als Bilderbuch angesehen und gelesen wird. Es ist auch für Kinder, die in ihrer eigenen Familie leben eine Bereicherung einmal über den Tellerrand zu sehen und etwas neues kennenzulernen.
Daher sage ich, das Buch ist für alle da!
Natürlich ist es ein Bilderbuch, das Pflegekindern vorgelesen werden kann um ihnen ein Gefühl davon zu geben, dass es ihnen nicht allein so geht und wie es anderen Pflegekindern, in diesem Fall Leo, ergeht.
Hier ist das Buch wirklich besonders schön einzusetzen. 
Doch das ist bei weitem nicht der einzige Bereich. Ich finde es sollte in jeder Einrichtung mit Kindern zu finden sein. Wir leben heute in einer Gesellschaft in der es so unglaublich viele Formen des Zusammenlebens gibt. Leider gibt es immer auch die Kinder, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können. Oftmals wissen wir ja gar nicht, das ein Kind nicht ursprünglich in der Familie lebte. Kinder sollten heute so früh wie möglich erleben und erfahren, dass es völlig normal und auch egal ist woher ein Kind kommt. Wichtig ist doch einzig und allein, dass es in einer Familie lebt, die es liebt, ihm Geborgenheit , Sicherheit , Liebe und Gemeinschaft gibt.
Auch wenn wir hier von kleinen Kindern reden sollten wir bei unseren Erzählungen auch die etwas älteren Kinder mit einbeziehen, die vielleicht als Flüchtlingskinder hier leben, deren Eltern vermisst oder auf der Flucht gestorben sind.
Früher wurde oft von Adoption gesprochen. Da hörte man auf den Schulhöfen oft Hänselleien in denen thematisiert wurde, dass das Kind ja von woanders her kommt und keine Eltern hat. Heute gibt es zwar immer noch Adoptionen doch sind es weitaus mehr Kinder, die aus ihrer eigentlichen Familie heraus genommen werden, weil die leiblichen Eltern nicht in der Lage sind- aus den unterschiedlichsten Gründen- sich angemessen um ihre Kinder zu kümmern. 
So haben wir drei Bereiche die Marion Klara Mazzaglia hier anspricht.
* Das Kind, das betroffen ist
*Das Umfeld, dass ein Bewusstsein für die Situation bekommt
und
*Eltern, die ein Pflegekind haben oder sich mit dem Gedanken tragen

Marion Klara Mazzaglia ist selbst Pflegemutter, sie kennt viele andere Pflegefamilien und kann so wirklich anschaulich und reflektiert berichten.

Nach einer sehr informativen Einführung, die an die Erwachsenen gerichtet ist beginnt die Geschichte.
Wir lernen Leo und seine Pflegefamilie kennen, erleben wie er voll integriert mit spielt. Wüssten wir nicht, das er ein Pflegekind ist, wir würden nicht ahnen, das er nicht schon immer dazu gehört hat
Es ist wie bei jedem anderen Kind auch. Ein Kinderleben in einer Familie. Doch es gibt Momente, da ist es anders. Leo ist nicht immer lustig , jeder hat mal schlechte Laune, ist krank, oder will seine Ruhe doch Leo ist es  nicht gewöhnt, dass sich jemand so richtig um ihn kümmert, das immer Rummel ist, immer jemand da ist der sich sorgt. Daran muss sich der kleine erst gewöhnen und seine Pflegemama und sein Pflegepapa helfen ihm dabei.
Es gibt gemeinsame Mahlzeiten, Regeln und Rituale. 
Wenn Leo sich beim Spielen dreckig gemacht hat ist da jemand der ihn badet, er bekommt Geschichten vorgelesen, wird getröstet wenn er sich weh getan oder Angst hat. Alles Dinge, die die meisten Kinder für selbstverständlich ansehen und täglich erleben doch Leos Mama konnte sich nicht richtig um ihn kümmern. Die Selbstverständlichkeit und Beständigkeit kennt er nicht. Es sind neue Erfahrungen, an die er sich erst gewöhnen muss.
Damit Leo aber den Kontakt zu seiner leiblichen Mutter , die hier auch Bauchmama genannt wird, (was ich für einen sehr schönen liebevollen Begriff halte, der gleich ein Gefühl von Zugehörigkeit und auch Geborgenheit ausdrückt) behält gibt es regelmäßige Treffen. Hier in der Geschichte fährt der Pflegepapa Tono Leo zu einem Spielplatz wo seine Bauchmama schon auf ihn wartet.
Damit die Leser / betrachte des Buches ein Gefühl dafür bekommen wie es Leo bei seiner Bauchmama früher erging erzählt die Autorin kurz auch hierüber. Das dazugehörige Bild ist unglaublich ausdrucksstark und hat unsere etwas größeren Lesekinder im Alter ab 4 Jahren sehr berührt. 
Hier wird deutlich wie allein sich Leo fühlt. Seine Mutter ihm abgewandt.
Jetzt wo sie nur hin und wieder zusammen etwas unternehmen, wie z.B. auf dem Spielplatz, hat Leo für kurze Zeit ihre volle Aufmerksamkeit und damit ein schönes Gefühl, das er mit seiner Bauchmama verbindet. Er spürt das sie ihn lieb hat und sie freut sich, das er sich in der Pflegefamilie wohl fühlt.
Klar ist auch, das Leo etwas traurig ist, wenn die schöne Zeit mit seiner Bauchmama wieder zu Ende ist und er von Tano abgeholt wird. Doch seine Pflegeeltern wissen mit der Situation umzugehen, fangen ihn auf, sind für ihn da.

So hat Leo zwei Mamas und zwei Papas. Die Darstellung der Bauchmama ist hier wirklich wunderbar. Selbst kleine Kinder verstehen es. Aber mehr noch als das Verstehen vermittelt dieses Bild ein ganz besonders Gefühl. Das Baby, geborgen und sicher im Bauch der Mutter. Mutter und Kind sind eine Einheit, gehören zusammen. Betroffenen Kindern wird hier deutlich, das es immer ein Band, eine Verbindung geben wird auch wenn man die Mama nur selten sieht.
In der Pflegefamilie erfährt Leo all das was Kinder brauchen um selbstbewusste starke Persönlichkeiten zu werden. Er wird gefördert, behütet, emotional gestärkt und bekommt das Gefühl niemals allein zu sein. Familienleben wie es sein sollte.

Wer jetzt sagt, so sieht es in Pflegefamilien gar nicht aus vor allem der Besuchskontakt zu den leiblichen Eltern ist oft sehr problembehaftet und auch enttäuschend für das Kind, derb hat recht. Darauf geht die Autorin vorab in ihrer Einführung auch detailliert ein. Hier im Buch gehet es jedoch darum Kindern zu zeigen wie es ist ein Pflegekind zu sein, und vor allem wie man nun mit der Benennung der Personen ob Mama und Papa, Pflegemama..., Bauchmama, mit Vornamen oder ohne etc. umgehen kann.
Vor allem die Begriffe Pflegefamilie, Bauchmama werden hier ausführlich und anschaulich thematisiert.

Wir haben in unseren Lesegruppen einige Kinder, die bei Adoptiv- oder Pflegeeltern aufwachsen. Sie sind zwischen 4b und 12 Jahren alt mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Auch wenn es den Anschein haben mag, das 12 Jährige dieses Bilderbuch nicht mehr lesen werden, gab es eine interessante Gesprächsrunde mit ihnen.
Die einen drückten ihr Bedauern aus, dass es das Buch nicht früher gegeben hat, das hätten sie dann ihren Freunden oder in den Kindergarten mitgenommen um zu zeigen, das es Kinder gibt, die nicht bei ihren leiblichen Eltern leben. Zum anderen fanden sie es gut, das hier einmal gezeigt wird wie man sich als Pflegekind fühlt. Ein Junge sagte mir er hätte das Gefühl, dass das seine Geschichte ist und auch wenn er jetzt schon lange bei seiner Pflegefamilie lebt war es schön das einmal so von außen zu sehen. Er fühlte sich verstanden in dem was Autorin und Illustratorin veranschaulichen und erzählen.
Genau das finde ich sollte dieses Buch unter anderem bewirken, das sich betroffene Kinder verstanden fühlen, das Gefühl bekommen, mir geht es nicht alleine so.
Kinder wie Erwachsene unserer Lesegruppen waren begeistert von diesem, auf den ersten Blick etwas unscheinbarem Buch.
Man merkt deutlich, das die Autorin genau weiß wie sie was erzählen muss. Sie findet einfach die richtigen Worte, die eine breite Altersgruppe versteht.

Mehr tolle Bücher von ihr könnt ihr auf der Homepage der Autorin entdecken

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