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Charly - Thema :Tod eines Haustiers

Bildquelle:Patmos Verlag#
Charly
eine Geschichte von Pimm van Hest
mit Bildern von Nynke Talsma
30 Seiten
1. Aufl. 2015
Patmos Verlag
ISBN: 978-3-8436-0630-1

12,99€


Thema Tod eines Haustiers / Hund

Das Thema Tod im Bilderbuch ist leider immer noch all zu oft mit Ängsten belegt.
Muss man hierüber Bilderbücher machen? Das werde ich auch nach 30 Jahren im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur immer wieder von Eltern und Erziehern gefragt.
Ja, man muss!!!
Und leider gibt es immer noch viel zu wenig gute Bilderbücher zu  diesem Themenkomplex.
Es sind in all den Jahren deutlich mehr geworden. Wenn ich nur 25 Jahre zurück denke, als meine Freundin hierüber ihre Diplomarbeit schrieb, da gab es eine Hand voll guter Bücher. Heute sind es deutlich mehr, das ist schon ein großer Fortschritt.
Bei der Durchsicht unserer Themenliste 
"Das Thema Tod im Bilderbuch"
staunen ich immer welch wunderschöne Geschichten es mittlerweile gibt.
Gerade beim Bilderbuch ist es wichtig mit viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen zu Erzählen. Dabei ist es ein recht schmaler Grad zwischen Angst machen und realitätsbezogenem darstellen.
Pimm van Hest, der Autor dieses Buches, ist einer derjenigen, der es schafft schwierige Themen so zu erzählen, dass sie klar, sehr einfühlsam und emphatisch vermittelt werden.
Keine Frage es ist traurig wenn jemand stirbt aber es ist nicht das Ende sondern der Lauf des Lebens.
So auch in seinem Buch "Charly" in dem der kleine Tim und seine Familie, sehr unerwartet von ihrem treuen Familienmitglied Abschied nehmen muss.
Nichts deutet darauf hin das das Charly bald sterben wird und so beginnt das Buch mit einer sehr alltäglichen, amüsanten Geschichte.
Tim soll ins Bett gehen , hat aber noch so gar keine Lust. Viel lieber versteckt sich der kleine Indianer noch ein wenig im Wohnzimmer während seine Mutter ihn überall sucht. Doch dann kann sie eine wirklich geniale Idee. Sie schickt Hund Charly auf die Suche, denn Charly ist nicht nur Tims bester Freund sondern auch eine klasse Spürnase. Liebevoll drückt Tim seinen treuen Freund und geht dann ins Bett.
Niemand bemerkt, dass Charly seinen Belohnungskeks nicht anrührt.  Alles scheint wie immer.
Als Tim am nächsten Morgen aufwacht steht der Hund nicht schon an der Treppe und wartet auf ihn. Ahnungslos und voller Elan galoppiert er mit seinem Steckenpferd die Treppe hinunter um nach Charly zu suchen. Als Betrachter ahnen wir was nun passieren wird. Die Illustratorin bereitet uns auch durch die Farbwahl - mit viel grau-blau- auf das Ereignis schon vor. Leider ist das Grau-Blau zuweilen so dunkel, das die schwarze Schrift des Textes schwer zu lesen ist ( je nach Lichtverhältnissen).
Charly liegt in seinem Körbchen und schläft, so hat es den Anschein. Doch er wacht nicht auf und fühlt sich nicht so warm an wie sonst.
Langsam bekommt es Tim mit der Angst doch da sind schon seine Eltern bei ihm. 
"Charly ist tot"
erklärt ihm die Mutter. Auch sie ist sichtlich getroffen, hat Tränen in den Augen.
Tim umarmt seinen Freund. Er versteht nicht was tot bedeute. Liebevoll erklären ihm seine Eltern das es zwar aussieht als würde Charly schlafen, aber das das Herz aufgehört hat zu schlagen und er nicht wieder aufwachen wird.
Jetzt begreift Tim langsam. Während er Charly immer noch fest umarmt fließen ihm dicke Tränen über das Gesicht. Viele Tränen. Sehr viele.
Nynke Talsma illustriert dieses wunderbar. Eine dicke Spur mit vielen, vielen kleinen Tränen wie ein Windzug der durch den Raum nach draußen fliegt.
Die Mutter löst dieses traurige, schwere Stimmung in dem sie Tim ihren Vorstellung Charlys "Leben" nach dem Tod  erzählt. 
Eine schöne Idee, die ich hier noch nicht verrate.
Das Bild hierzu ist bunt und fröhlich bevor es auf der nächsten Seite etwas besinnlicher weiter geht.
Alle drei sitzen noch lange an Charlys Körbchen und streicheln ihn. Abschied nehmen ist auch für Erwachsene sehr schwer. Später begraben sie ihren treuen Begleiter und Freund an einer schönen Stelle im Garten. Ein schwieriger Moment, der endgültigen Abschied bedeutet. Charly liegt ganz friedlich in seiner Erdkuhle. eingewickelt in seine Lieblingsdecke mit seinem Lieblingsspielzeug und Tim hat noch ein Bild gemalt und hinzu gelegt.
Die Geschichte endet mit dem Satz:
" Charly, ich werde dich ganz furchtbar vermissen."
Ein Satz, der einen zwar schlucken lässt aber dennoch nicht in einen Loch fallen lässt da Nynke Talsma es auch hier wieder geschafft hat die beklemmende Situation mit viel Wärme zu illustrieren.
Die Doppelseite ist in hellem Grüngelb gestaltet. dazu der Boden aus sattem leuchtendem Grün, frisch, und hoffnungsvoll wirkt es wie ein Aufbruch zu etwas Neuem. Überall große Sonnenblumen mit gelb leuchtenden Köpfen.
Sie lässt uns aus einer besonderen Perspektive auf den kleinen Hund blicken. Über ihm ist keine Erde sondern er ist umringt von kleinen bunten Blumen die um ihn wachsen.
Tim sitzt auf dem Erdaushub seine Eltern stehen dicht bei ihm. 
Ein Bilde der Stille das aber trotzdem lebt. Auf einem Baum sitzt ein Vögelchen und zwitschert, die großen Blumen scheinen sich sanft zu wiegen.
Das Buch endet mit der nächsten Seite die Sonnenblumen sind auch hier zu sehen der kleine Vogel fliegt in die Wolken und eine dieser Wolken sieht aus wie Charly.
*
als ich dieses Buch das erste mal in die Hände bekam hat es mich direkt verzaubert.
Ein seltsames Wort angesichts dieses traurigen Themas, mag der ein oder andere nun sagen doch es ist so.
Schon auf dem Cover sehen wir die traurige Szene mit den vielen Tränen und wenn wir genau hinschauen schaut hier Charly schon von Oben als Wolke hinunter obwohl er für Tim noch greifbar im Körbchen liegt.
Viele unserer Lesekinder hielten sehr lange inne. Man merkte förmlich wie sie versuchten zu begreifen was geschehen ist.
Sie wussten, das dies ein Buch zum Thema Tod ist. Wir hatten schon häufiger Bücher gelesen in denen Abschied genommen wurde. Und dennoch konnte man erkennen wie sehr sie sich mit diesem Bild beschäftigten. Sie sahen neugierig, nicht traurig oder verängstigt.
Ein Junge sagte:" ... ich weiß nicht ob ich unseren Hund noch so lange im Arm haben könnte wenn er Tod ist?" Ein anders Kind erzählte von seinem Kaninchen. Er durfte nicht Abschied nehmen. Es war einfach dann weg.
Als ich begann die Geschichte vorzulesen guckten mich die Kinder nach einer Weile verwundert an. Ein Mädchen sagte:" Das ist ja gar nicht vom Tod. Das ist ein lustiges Buch!"
Ja, es dauert recht lang und es ist lustig, wie Tim sich versteckt und die Mutter ihn sucht. Auch die Bilder hierzu machen Spaß sie anzusehen. Der Vater der Pfeile im Gesicht hat ( vom Indianer Spielen...)
Aber es wird später diese bereits beschriebene Wende geben.
Da die Kinder schon wussten, das etwas passieren wird waren sie vermutlich deutlich entspannter als es dann soweit war.
Sie gingen in der Geschichte mit kommentierten zu weilen, schluckten auch mal gingen aber mit einem hoffnungsvollen Lächeln aus der Geschichte.
Genau dies schafft das Buch. Hoffnung!
Dabei bilden die  erzählende Geschichte und die Illustrationen eine so wunderbare Einheit, die dieses "Verzaubert" das ich zu beginn erwähnte vielleicht erklärt.
Unsere Lesekinder waren wirklich begeistert von der Geschichte. Die kleine Ulrike (5) kam mit ihrem Bruder Jonathan (4) nach der Lesung noch zu mir und sagte:
"Du.... ist es schlimm wenn man ein Lieblingsbuch hat das vom Tod erzählt?"
Ich erklärte ihr, das man mehr als ein Lieblingsbuch haben kann. Wen  man ein Lieblingsbuch über den Tod hat, dann ist das doch wie ein Schatz. 
In meiner Schatzkiste  zuhause, sind mehrere Bücher und zwei auch über den Tod. 
Dann ein ganz lustiges, ein spannendes....."
Dann ging sie zu ihrer Mutter und sagte:" Du Mama ich brauch auch eine Schatzkiste für meine Lieblingsbücher!"
Wenn Kinder ein Buch über den Tod so schön finden, das sie es als "Lieblingsbuch" bezeichnen finde ich es als das größte Kompliment.
*
Bilderbücher zum Thema Tod brauchen einen besonderen Rahmen und bedürfen einer Vor-und Nachbereitungsphase. Hält man sich an dieses Gerüst dann kann man mit Kindern im Alter zwischen 4 und 6 Jahren ( im Kindergarten, aber auch später noch in der Grundschule) tolle Gespräche über das Thema Tod führen.
Ein Thema das wir in die Entwicklung unserer Kinder einbauen müssen, damit sie nicht plötzlich sprachlos aus heiterem Himmel damit konfrontiert werden.

Dieses Buch das Pimm van Hest uns so wunderbar erzählt und das Nynke Talsma mit ebenso wunderbaren, wie ausdrucksstarken Bildern illustriert ist eine wirkliche Bereicherung.