Dieter ist am 08.08.2019 für immer eingeschlafen
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Wir vermissen ihm sehr. Viel zu früh ist er vorgegangen. Traurig bin nicht nur ich sondern auch unsere drei Kinder 21 Jahre, 19 Jahre und 14 Jahre.
Was ich in den letzten Tagen durchlebt habe, habe ich in einem Brief an meinen geliebten Mann versucht zu erzählen. Er ist persönlich hat aber auch viele Elemente, die alle betreffen könnten. Darum möchte ich allen die diesen Brief lesen etwas mit auf den Weg geben.
Seit schlauer wie ich.
Ich habe Wut im Bauch. Richtig viel Wut im Bauch. Dabei bin
ich so voller Traurigkeit das Wut hier eigentlich keinen Platz hat. Ich möchte
trauern, mich an die schöne Zeit mit Dir erinnern, an das was wir noch alles
vorhatten. Ich vermisse Dich so sehr. Am liebsten würde ich mich verkriechen,
allein sein. Nicht für immer, aber für eine kleine Weile. Ich möchte mit Dir,
von Dir träumen aber man lässt mich nicht. Ich muss wie immer funktionieren.
Funktionieren und noch viel mehr. Stark sein, nicht wütend sein. Ich kann es
nicht.
Ich mag nicht wütend und verbittert sein. Ich möchte trotz
Trauer fröhlich sein. Du hättest nicht gewollt das ich traurig bin , das weiss
ich. Wir versuchen die Stunden, Tage und Wochen ohne Dich irgendwie zu
überstehen. Wie es weiter geht weiß ich nicht. Vieles von dem was in den
letzten Tagen passiert ist hätte Dir Freude gemacht aber genauso viel
grenzenlos wütend.
Eigentlich hat meine Wut schon angefangen als Du noch
lebtest.
Da komme ich ins Krankenhaus, du liegst nach 2 Wochen Intensivstation
seit einem Tag wieder auf der Normalstation und Du schaffst es nicht dich so
aufzurichten wie es bequem für Dich ist. Du bekommst nicht richtig Luft.
Irgendetwas ist nicht richtig aber ich verstehe nicht was. Bin ich so
unsensibel das ich meinen eigenen Mann nicht mehr verstehe wo ich immer schon
bevor Du etwas gesagt hast wusste was Du wolltest? Meine Hilfe war nicht die
richtige. Wir klingeln nach der Schwester, die kommt schon wütend ins Zimmer
will wissen was wir wollen. Ich versuche ihr freundlich zu erklären das Du
nicht richtig Luft bekommst und was macht die Schwester. Blafft mich in einem
harschem Tonfall an, dass Du ständig klingelst und sie jetzt erst einmal
frühstückt. Sie verlässt das Zimmer ohne zu helfen und ich stehe hilflos, sprachlos
da. Ich füttere Dich mit Deinem Lieblingseis. Du ißt die erste Kugel mit
Begeisterung und ich freue mich darüber als wenn wir im Lotto gewonnen hätten.
Doch dann willst Du wieder anders liegen. Lässt mich spüren und wissen, dass
ich Dir nicht helfen kann. Du sagst ich soll unsere Tochter holen. Es tut mir
so weh Dir nicht richtig helfen zu können. Ich bin wütend auf die Schwester.
Ich gehe raus um erst einmal zu telefonieren. Ich treffe den netten Arzt,
spreche ihn an. Frage wie es nun weiter geht, wie es Dir geht und ich erzähle
ihm von der Schwester die frühstücken wollte. Er ist der gleichen Ansicht wie
ich, das geht gar nicht. Er will mit der Schwester reden. Ein anderer Arzt
kommt hinzu den wir gut kennen. Wir reden kurz, flachsen etwas herum, die
Schwester geht an uns vorbei, ich zeige sie dem Arzt, dann gehe ich. Ich gehe
den Berg hinunter keine acht Minuten später klingelt mein Handy. Ich schaffe es nicht so schnell
dran zu gehen, das Handy ist in der Tasche. Als ich die Mailbox abhöre erklingt
die Stimme einer Schwester ich möge doch im Schwesternzimmer zurückrufen. Ich
denke mir nichts dabei. Denke vielmehr das die Schwester sich rechtfertigen
möchte. Darauf habe ich gerade gar keine Lust. Ich versuche zurückzurufen und
scheitre schon an der Zentrale. Immer und immer wieder. Ich treffe unsere
Tochter erzähl ihr das ganze. Sie ist auf dem Weg zu Dir und ich gehe kurz
etwas besorgen für Dich. Was wir nicht ahnen, Du bist schon tot. Es war nicht
die Schwester die sich rechtfertigen wollte sie wollten uns sagen das Du tot bist.
Später sagt der Arzt kurz nach dem Ende des Gespräches hätte
ihn besagte Schwester gerufen weil etwas nicht stimmen würde bei Dir. Deine
Lippen wären blau gewesen, du hättest nach Luft gerungen. Er hat Dir wohl noch
etwas gegeben damit du das Ersticken nicht merkst hättest zwei mal nach Luft
geschnappt und wärst tot gewesen.
Keine 8 Minuten nach dem ich gegangen war. Ein schneller
Tod. Aber ich wäre so gerne bei Dir gewesen. Ich hätte Dich so gern in meinen
Arm genommen.
Plötzlich war alles still.
Und diese Schwester sagt: „So ist das Leben, jeder muss mal
sterben.“ Sehr sensibel.
Ich habe so eine Wut im Bauch. Eine Wut auf die Ignoranz,
der Schwester.
Deine Tochter und ich sitzen lange bei Dir. Du wirst langsam
kälter. Manchmal habe ich noch das Gefühl Du zuckst. Hin und wieder kommt ein
Arzt um Dein Herz abzuhören ob Du wirklich tot bist.
Irgendwann gehen wir nach Hause, denn zuhause sind die
anderen die es noch nicht begreifen können.
Wir sitzen zusammen Reden viel. Schlafen kann ich in der
Nacht nicht.
Am anderen Morgen kommt die Frau vom Beerdigungsinstitut. Im
Krankenhaus hatten sie gefragt wer kommen soll. Ich war so geschockt das ich
den Namen nannte der mir einfiel, den wir bei den anderen Beerdigungen in der
Familie hatten. Andere hatte ich nicht im Kopf. Mein Kopf war leer und Du
hattest ja auch immer von denen gesprochen.
Das das der größte Fehler war, den ich machen konnte erfuhr
ich dann als am anderen Morgen die Dame kam. Als ich ihr erklärte das wir so
gut wie kein Geld für die Beerdigung haben fragte sie mich wieso wir dann ihr
Unternehmen genommen hätten. Aber da hatten sie Dich ja schon abgeholt.
Zu spät.
Sie rechnet mit uns, wir rechnen.
Ich will Dir nicht Deinen letzten Wunsch nach einer
Erdbestattung nehmen. Wir rechnen alles raus was nur geht. Sparen sogar die
400,-€ für die Sargträger ein und versuchen Freunde zu finden die tragen
können. Trotzdem sind es am Ende 8500,-€ 3 Renten bekommen wir auf einen Schlag
wenn wir das beantragen aber der Kredit fürs Haus läuft weiter, die Kosten fürs
Haus auch. Wir brauchen was zum Leben. Und Deine Rente 1450,-€ bei 900,-€
Festkosten. Das war seit dem Du im Februar in Rente gegangen bist schon schwer
genug. Und jetzt die Kosten für die Beerdigung. Wir können in Raten zahlen wenn
wir etwas anzahlen sagt die Dame vom Beerdigungsinstitut.
Ich mache sie darauf aufmerksam, dass wir nicht möchten, das
alle wissen das Du gestorben bist. Kein Aushang an der Kirche etc. Absolute
Diskretion auf allen Seiten. Sie sagt ich kann mich darauf verlassen.
Ich möchte es in der Hand haben wem ich sage das Du für
immer eingeschlafen bist.
Ich weiß nicht wie es weiter geht.
Wir müssen das Haus verkaufen.
Was muss alles erledigt werden?
Ich funktioniere, mache Listen, führe Telefonate, rufe Deine
alten Freunde an, die es nicht glauben können.
Und es ist so wie Du immer gesagt hast, sie helfen,
zumindest logistisch, nicht finanziell, das möchte ich auch nicht.
Du wolltest immer eine heilige Messe zu Deiner Beerdigung.
Ich habe es nicht geschafft. Der Pastor hat so lange immer
wieder auf uns eingeredet, das wir am Ende dem Wortgottesdienst zugestimmt
haben. Er mein die meisten Leute könnten heute die Lieder nicht mehr und wenn
man nur wenige Trauergäste hat und die dann oft nicht mitsingen können dann
würde das eine peinliche Veranstaltung. Woher will der wissen was unsere
Freunde singen können. Er kennt sie doch gar nicht. Aber egal was wir sagten er
fing immer wieder davon an. Ich will nicht sagen, dass er nicht nett war aber
irgendwie haben wir uns alle nicht wohl gefühlt. Er meint er kennt die
Situationen, in denen wir gelebt haben aber er weiß und versteht gar nichts.
Wie auch. Nur wer mit uns gelebt hat weiß wie es war. Wie es war die letzten
Jahre und Monate bevor Du in Rente gegangen bist und die paar Monate seit dem.
Von Büchern hat er auch keine Ahnung. Wer braucht heute noch Bücher.
Keine Messe.
Das tut mir weh.
Wieder versagt, wieder etwas falsch gemacht.
Versagerin steht auf meiner Stirn.
Ich war nicht da als Du gestorben bist.
Ich habe das falsche Beerdigungsinstitut ausgesucht und uns
in Schulden gestürzt die ich nicht absehen kann.
Ich habe keine heilige Messe für Dich.
Nachdem Du von der Intensivstation runter warst hatte ich
nur noch einen Wunsch, das Du mich noch einmal in den Arm nimmst, nur ein
einziges Mal.
Aber es war nicht so.
Ich rufe bei den Behörden an versuche herauszubekommen wer
finanziell helfen kann.
Die Dame vom Kreissozialamt war sehr, sehr nett hat mir
alles genau erklärt aber wieder wird klar, ich habe versagt.
Versagt.
Normalerweise übernimmt das Sozialamt einen kleinen Teil der
Kosten unter bestimmten Voraussetzungen aber nicht immer und wir haben das
teure Beerdigungsinstitut und da wird nichts dazu gezahlt.
Versagt.
Versagt.
Versagt.
Ich funktioniere.
Aus Traurigkeit wird Wut.
Wieso hast Du mich allein gelassen?
Wieso hast Du mich nicht joch einmal in den Arm genommen?
Wieso habe ich das Gefühl das Du sauer auf mich warst in
Deinen letzten Minuten.
Wieso sollte ich unsere Tochter holen.
Weil ich unfähig war Dich zu verstehen.
Versagt.
Unfähig.
Versagt.
Unfähig.
Das Telefon klingelt.
Du glaubst nicht wer am Telefon war.
Deine Kollegin, mit der wir die letzten Jahre gearbeitet
haben.
Ich frage sie woher sie erfahren hat das Du gestorben bist.
Sie sagt mir von wem sie es hat.
Doch woher wusste sie es? Wer weiß es jetzt? Viele. Und sie
alle sogar, die die Dir in den letzten Jahren so weh getan haben, Dich mit
Füßen getreten haben wollen zur Beerdigung kommen.
Ich werde sehr energisch.
Werde wütend.
Das Deine Kollegin kommen kann ist selbstverständlich auch
einige der anderen aber bestimmte Personen eben nicht.
Ich rufe beim Beerdigungsinstitut an. Die können sich das
auch nicht erklären.
Ich rufe bei der Stadt an, führe zwei sehr aufschlussreiche
nette Gespräche und weiß jetzt wie das alles ins Rollen gekommen ist.
Das Standesamt ist die undichte Stelle gewesen. Hat Deinem
Tod dem Personalamt mitgeteilt und dem Personalrat. Und dann wussten es alle.
Ich habe die Sekretärin Deines alten Amtsleiters angerufen,
die natürlich auch schon Bescheid wusste. Sie hat gefragt ob sie zur Beerdigung
kommen darf. Natürlich darf die gute Seele kommen.
Von ihr erfuhr ich das auch die Schule schon bescheid weiß.
Genau das wollte ich unbedingt verhindern.
Gräme Dich nicht. Ich hoffe ich habe allen deutlich zu
verstehen gegeben, das sie nicht erwünscht sind. Jahrelang treten sie einen mit
Füßen, behandeln einen wie den letzten Dreck und dann tut ihnen was Leid? Wir
wissen was sie wirklich denken.
Das Beerdigungsinstitut hat eine Anfrage von der Stadt
bekommen ob sie wenigstens Blumen schicken dürfen. Ich habe es abgelehnt.
Dich nach über 40 Jahren würdig aus dem Dienst zu
verabschieden das konnten sie nicht aber jetzt Blumen schicken, was für ein
Hohn. Und Du glaubst nicht was für ein Brief jetzt in der Post war. Eine
Einladung zu einer Verabschiedung. Wie Du immer sagtest, einer
Rudelveranstaltung mit Jubilaren und Verabschiedungen. Jeder andere in Deiner
Position hätte eine Einzelverabschiedung mit Pressetermin bekommen, hast Du
selbst gesagt nur Du nicht.
Und jetzt der Termin.
Was kommt als nächstes?
Ich habe Angst.
Ich habe Angst.
Ich muss das Haus verkaufen.
Das Haus Deiner Eltern.
Dein Elternhaus.
Das Haus unserer Familie
Das Haus Deiner Kinder.
Ich muss das Haus verkaufen weil ich kein Geld für die
Beerdigung habe.
Ich muss das Haus verkaufen weil ich mir den Luxus geleistet
habe nur Mutter zu sein.
Ich muss das Haus verkaufen weil ich mir den Luxus geleistet
habe die letzten 10 Jahre ehrenamtlich in Vollzeit bei Dir in der Bücherei
mitzuarbeiten damit wir viel zusammen sind, damit die Bücherei nicht
geschlossen wird solange Du noch arbeitest.
Ich muss das Haus verkaufen weil ich keine Arbeit finde.
Ich muss das Haus verkaufen weil ich versagt habe.
Ich muss das Haus verkaufen weil ich unfähig bin.
Aber egal wie unfähig ich bin, ich bereue keinen einzigen
Tag an dem ich mit Dir zur Arbeit gegangen bin.
Ich bereue keinen einzigen Tag den wir zusammen waren.
Wir hatten das gro0e Glück das Du einen Arbeitsplatz hattest
an dem de ganze Familie war. Die Kinder konnten immer zu uns kommen auch wenn
es nur die Schule, die Bücherei war. Wir waren zusammen und auch wenn ich jetzt
das Haus verkaufen muss war es das Wert.
Die Zeit mit Dir, das Leben mit Dir auch wenn 80% davon in
der Öffentlichkeit stattfand ,war es wert.
Wir waren Tag und Nacht zusammen.
Das war ein großes Glück.
Die Kinder konnten immer zu uns kommen. Wir waren immer
gemeinsam für sie da.
Das war ein großes Glück.
Es ist ein großes Glück das Du nach der Reanimation und der
Zeit im Koma mit uns gesprochen hast und den Kindern erzählt hast was Du
gesehen hast, den jetzt wissen sie, das es etwas nach dem Tod gibt. Das das
Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist.
Das ist das größte Geschenk was Du uns machen konntest.
Du bist vorgegangen.
Wir werden Dich wieder sehen.
Danke für die wundervolle Zeit.
Du bist immer bei uns, das wissen wir, das spüren wir in
jeder Sekunde unseres Lebens.
Sei mir nicht böse wenn ich Fehler mache, ich versuche mein
bestes zu geben auch wenn ich weiß das ich auch weiterhin Fehler machen werde.
Hilf mir.
Hilf mir nicht ständig unfähig zu sein
Hilf mir nicht ständig zu versagen.
Ich liebe Dich!